Süddeutsche Zeitung

Nach Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen:FDP beklagt Übergriffe auf Parteimitglieder

  • Die Empörung über die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen mit den Stimmen der AfD schlägt hohe Wellen.
  • Der gewählte Kemmerich wurde bedroht und steht unter Polizeischutz.
  • Aber auch andere Liberale werden angegriffen und beschimpft.

Nach der Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen sehen sich Vertreter der FDP nach Angaben der Bundespartei zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt. "Es hat Vandalismus gegen Einrichtungen, Bedrohungen und Übergriffe im gesamten Bundesgebiet gegeben", teilte die FDP-Zentrale in Berlin auf Anfrage des Tagesspiegels mit.

So habe etwa die FDP-Politikerin Karoline Preisler in Mecklenburg-Vorpommern am Samstag zusammen mit ihrer Tochter fliehen müssen, nachdem ihr Haus mit Feuerwerkskörpern beschossen worden sei. Die 1971 geborene Preisler war beim Europawahlkampf 2018 für die Liberalen angetreten. Auf Twitter schrieb sie am Sonntag: "Die Jüngste hat es in ihrer Unschuld für ein Jugendfeuerwerk gehalten, als das Haus, sie und ich heute mit Feuerwerk beschossen wurden. Doch war es einfach nur Gewalt. Wir sind weggelaufen und haben Unterschlupf."

Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich war am Mittwoch im Landtag in Erfurt zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt worden - auch von der AfD, deren Landtagsfraktion von Partei-Rechtsaußen Björn Höcke geleitet wird. Kemmerich war anschließend massiv kritisiert worden, weil er die Wahl annahm, die er ohne die Stimmen der AfD nicht gewonnen hätte. Er trat später zurück, ist aber aktuell noch geschäftsführend im Amt.

Die FDP hatte bei der Landtagswahl in Thüringen im vergangenen Jahr 5,0 Prozent erreicht und damit nur äußerst knapp den Einzug ins Parlament geschafft. Ein Parteisprecher sagte dem Tagesspiegel, Kemmerich erhalte rund um die Uhr Personenschutz. "Auch seine Familie wird bedroht und muss geschützt werden." Kemmerichs Frau sei auf der Straße angespuckt worden.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der die Wahl anfänglich noch feierte, bekam der Bild-Zeitung zufolge Hunderte Hassmails. "Du faschistische Drecksau. Häng dich auf!", sei dabei noch eine eher harmlose Formulierung, sagte der Politiker dem Blatt. Pöbeleien sei er gewöhnt, aber auffallend und bedenklich sei die neue Maßlosigkeit.

Auch mehrere FDP-Kandidaten der anstehenden Bürgerschaftswahl in Hamburg berichten der Bild zufolge von Beschimpfunden - die hätten erst nach Thüringen angefangen.

"Wir erleben gerade eine absolute Eskalation, so etwas habe ich noch nie erlebt", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle der Welt. "Lange war die FDP nicht im Fokus von Linksextremisten. Das hat sich seit Mittwoch geändert."

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg hatte zuvor Anfeindungen gegenüber Vertretern ihrer Partei als inakzeptabel bezeichnet. "Hier sollten wir als Demokraten, über Parteigrenzen hinweg, ein Zeichen gegen Hass und Hetze setzen", sagte sie.

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