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FDP sucht den Neuanfang:Jetzt geht's vielleicht los

Während der bisherige FDP-Chef Westerwelle gern mit Machtworten operierte, setzt sein Nachfolger Rösler auf Gesprächstherapie. Auch, wenn es länger dauert. Dennoch sollte sich niemand täuschen: Hinter der Fassade des netten jungen Mannes verbirgt sich die knallharte Entschlossenheit, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen.

Peter Blechschmidt

Drei Dinge braucht eine politische Partei laut Rainer Brüderle für den Erfolg: Personen, Inhalte, Stil. Auf allen drei Gebieten hatte die FDP Nachholbedarf - zumindest bis zum Rostocker Parteitag. Ob die FDP dort wieder Tritt fasst, davon wird ihr Überleben abhängen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Die Personalfragen sind geklärt. Bei den Inhalten ist ein Anfang gemacht. Die neue Milde an der Spitze lässt auf einen stilvolleren Umgang miteinander hoffen.

Nicht alle Personalentscheidungen, die unter der Regie des neuen Vorsitzenden Philipp Rösler zustande gekommen sind, lassen sich überzeugend begründen. Weshalb Birgit Homburger als Fraktionsvorsitzende weg musste, aber als erste Stellvertreterin an der Parteispitze sowie im Koalitionsausschuss dringend gebraucht wird, erschließt sich zumindest Außenstehenden nicht. Doch das sind Interna einer Partei, die bald vergessen sein werden. Insgesamt gesehen ist die neue Mannschaft in Partei, Fraktion und Regierung ein vernünftiger Mix aus Jungen und Alten, aus Bürgerrechtsanwälten und Ordnungspolitikern, aus Marktliberalen wie aus Vertretern der fürsorglichen Richtung und ja, im Rahmen der Möglichkeiten der Partei, auch aus Männern und Frauen.

In den wichtigen Sachfragen dieser Zeit - Euro-Stabilität, Energiewende, Bildung - will die FDP im Verlauf des Parteitags noch klare Positionen herausarbeiten. Im Streben, das Image einer nur auf Steuersenkungen fixierten Partei abzulegen, ist das unerlässlich. Nach Rostock kann jeder wissen, woran er mit der FDP ist. Insbesondere der Versuch, die Bildungspolitik als wichtiges Zukunftsthema wieder in den Vordergrund zu rücken, verdient Respekt.

Bleibt der Stil. Wo der bisherige Vorsitzende Guido Westerwelle und auch Birgit Homburger gern mit Machtworten operierten, setzt der neue Vormann Rösler auf Gesprächstherapie. Das dauert gelegentlich etwas länger, wie die Personaldebatten vor dem Parteitag gezeigt haben. Das Ergebnis aber ist möglicherweise nachhaltiger als die Basta-Methode. Wenn es Rösler gelingt, den in Rostock wiedererstandenen Teamgeist zu bewahren, dann hat diese neue Führung eine Erfolgschance. Wobei sich niemand täuschen sollte: Hinter der Fassade des netten jungen Mannes verbirgt sich die knallharte Entschlossenheit, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen.

Jetzt beginnt für die neuen Führungs-personen die Bewährungsfrist. Man darf nicht vergessen, dass die meisten von ihnen eine Mitschuld am Niedergang der Partei tragen. Aber sie haben eine Chance verdient. Viel Zeit haben sie nicht. Vor allem wird es darauf ankommen, dass die Partei selbst nun zu ihrem neuen Spitzenpersonal steht. Rösler wollte den Rostocker Parteitag zu einem Signal der Geschlossenheit und des Aufbruchs machen. Der letztlich doch anständige Umgang mit dem scheidenden Vorsitzenden Westerwelle am Freitag könnte ihn optimistisch stimmen.

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SZ vom 31.12.2012/beu
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