Süddeutsche Zeitung

FDP stellt Steuermodell vor:Beinahe revolutionäre Zahlenspiele

Mit einem Leitantrag zum Steuerrecht will die FDP auf ihrem kommenden Parteitag ihre Kernkompetenz stärken. Andere hat sie ja kaum noch.

Thorsten Denkler, Berlin

Es gibt nicht viele Themen, die so zum Kerngeschäft der FDP gehören, wie das der Steuern. Seit 1996 tingeln die Liberalen mit ihrem Stufenmodell von Wahl zu Wahl. Losung: 15, 25, 35. Drei Steuersätze, die das Steuerrecht revolutionär vereinfachen sollen. Die anderen Parteien haben sich bisher nicht beeindrucken lassen. Der Steuersatz steigt nach wie vor linear zum Einkommen an mit einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einem Höchststeuersatz von 42 Prozent.

Auf dem kommenden Bundesparteitag der FDP Ende Mai in München soll nun Bahnbrechendes passieren: Wenn der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms für seinen heute in Berlin präsentierten Leitantrag eine Mehrheit bekommt, dann lautet die neue Formel: 10, 25, 35.

Dahinter steckt etwas mehr, als ein um weitere fünf Prozent gesenkter Eingangsteuersatz. Solms lobte sein neues Steuermodell als das erste, dass auch sämtliche staatlichen Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II, in weiten Teilen die Sozialhilfe, den Kinderzuschlag oder das Wohngeld in einem "harmonischen" Steuermodell zusammenführt.

Mit dem Vorschlag ist ein zweites liberales Projekt verknüpft: das so genannte Bürgergeld. Das ist eine Art Grundeinkommen in Höhe von durchschnittlich maximal 662 Euro. Es soll alle anderen Sozialleistungen ablösen. Die Höhe kann nach den Vorstellungen von Solms variieren. Wer in München lebt bekommt etwas mehr, wer in der Niederlausitz beheimatet ist, etwas weniger.

Arbeit soll sich lohnen

Den Höchstsatz gibt es für alle, die arbeiten können und arbeiten wollen, aber kein eigenes Einkommen haben. Je mehr jemand verdient, desto geringer fällt der Anspruch auf Bürgergeld aus. Im FDP-Modell ist das allerdings so geregelt, dass sich "Arbeiten lohnt", wie Solms sagt.

Wer etwa als Alleinstehender ohne Kinder mit einem Minijob 400 Euro verdient, würde einen Abschlag vom Bürgergeld von rund 240 Euro hinnehmen müssen, kann aber unterm Strich 822 Euro behalten. Anspruch auf Bürgergeld haben nach dem FDP-Modell alle, die weniger als 1350 Euro verdienen. Wer also 1000 Euro Brutto verdient, hat immer noch Anrecht auf Bürgergeld in Höhe von 142 Euro. Nach Abzug von Steuern und Sozialversicherung bleiben 955 Euro in der Tasche.

Ab einem Jahreseinkommen von 8000 Euro greift dann die Steuerpflicht. Die FDP will den Eingangssteuersatz von jetzt 15 auf zehn Prozent senken, um den Übergang vom Bürgergeld in die Steuerpflicht gleitend gestalten zu können. Danach gilt das alte FDP-Stufenmodell: Ab 15.000 Euro Jahreseinkommen muss jeder Euro mehr mit 25 Prozent versteuert werden, ab 42.000 Euro jeder Euro mehr mit 35 Prozent.

FDP-Vorschlag würde Milliarden kosten

Neu daran ist allerdings lediglich die Verknüpfung der beiden Systeme Bürgergeld und Stufensteuer zu einem Modell, das die FDP "gerechte Steuer" nennt. Daran ändert auch der erhöhte Grundfreibetrag von 8000 Euro für jede Person, Kinder einbezogen, nichts.

Unterm Strich würde eine Steuerreform, in der die FDP-Vorstellungen eins zu eins umgesetzt werden, bis zu 24,9 Milliarden Euro kosten, räumt Solms ein. Um die Gegenfinanzierung macht er sich keine Gedanken. Das sei möglich. Im Bundeshaushalt gäbe es genügend Posten, die sich streichen lassen könnten. Als erstes fiel Solms die Entwicklungshilfe für China ein, die sowieso keiner mehr nachvollziehen könne.

Sollte die FDP auch 2009 nicht Teil der Bundesregierung werden, besteht allerdings die große Chance, dass sie noch bis 2013 mit ihren Stufenmodell tingeln muss. Aber das gäbe Solms Zeit, die Steuerrevolution weiter zu optimieren.

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