Es gibt in der FDP eine neue Losung. Sie heißt, man wolle sich nun um die Brot-und-Butter-Themen kümmern. Und sie bedeutet wohl, dass nur noch Grundnahrungsmittel zu erwarten sind, schlicht sollen sie sein, aber endlich sättigend; keine schwer verdaulichen Beilagen mehr. Die FDP will die Partei der Stulle werden: ein bisschen trocken, aber ehrlich. Das ist ein großes Versprechen gerade für die Liberalen, die sich doch seit Monaten an jedem Wahlsonntag, pardon, die Butter vom Brot nehmen lassen.
Die FDP steht nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern vor dem Abgrund. Und nach den Wahlen in Berlin könnte sie in zwei Wochen einen Schritt weiter sein. Seit bald fünf Monaten propagiert die neue Führung nun den Richtungswechsel. Der Parteivorsitzende Philipp Rösler und sein Generalsekretär Christian Lindner sprechen dabei von einer langen Strecke, die zu gehen sei, um neues Vertrauen zu gewinnen. Das stimmt ganz sicher. Die eigentliche Frage aber lautet: Wann gehen Rösler und seine Leute nicht mehr im Kreis, sondern nach vorn?
Die Union hat die Liberalen in der Koalition als Klotz am Bein - und humpelt doch selbst nur noch auf Krücken. Ja, es sind noch zwei Jahre bis zu nächsten Bundestagswahl, aber ein Umschwung ist nicht zu erkennen. Und erst recht nicht, wo er herkommen sollte. Man kann für jede Landtagswahl spezielle Gründe finden, weshalb sie kein Menetekel für den Bund sei. Aber die Einzelfälle addieren sich zu einem Ganzen. Und die schlechten Stimmungen potenzieren sich zur Depression. Der Trend zeugt von einem schwarz-gelben Niedergang. Was fehlt, ist die Ausnahme, die diesen Trend wenigstens einmal in Frage stellen würde.
Die letzten Landtagswahlen haben gezeigt, dass mittlerweile eine Mischung aus Persönlichkeit und Milieu maßgeblich für den Ausgang geworden ist. Die Grünen legen überall zu, weil sich ein wachsendes libertäres Bürgertum bei ihnen am besten aufgehoben fühlt. Und in Baden-Württemberg hat Winfried Kretschmann als Typ noch die entscheidenden Punkte hinzugewonnen, um nicht nur mehr Sitze, sondern sogar die Macht zu erlangen.
In Hamburg, einer ohnehin traditionell eigentlich sozialdemokratischen Stadt, hat Olaf Scholz den Frust über die in sich zusammengefallene schwarz-grüne Koalition zu nutzen vermocht. Jens Böhrnsen in Bremen und Erwin Sellering in Schwerin gelten außerhalb ihrer Länder als langweilig, zu Hause aber als seriös. Sie treffen offensichtlich den Ton des jeweiligen Lebensgefühls. Sie sind Brot-und-Butter-Politiker im besten Sinne. Wenn man Sellering neben Philipp Rösler und Christian Lindner stellt, kann man sehen, was die Liberalen noch vor sich haben, so sie es denn ehrlich meinen mit der neuen Ernsthaftigkeit.
In der CDU ist das Milieu verunsichert oder schlicht erstarrt. Was ist denn geworden aus der Debatte des Sommers? Nichts. Alle schweigen wieder, christdemokratischer Stoizismus. Angela Merkel hat wohl recht, wenn sie zudem in der fehlenden Perspektive der Schweriner CDU, den Ministerpräsidenten zu stellen, einen Grund für das phlegmatische Wahlverhalten der eigenen Klientel ausmacht. Wer wüsste besser als die Kanzlerin, wie man einen kleineren Partner in einer großen Koalition bedeutungslos regiert? Gleichwohl hat Merkel, die nüchterne Krisenkanzlerin, das umgekehrte Problem der FDP: Sie hat nur politisches Schwarzbrot anzubieten, so nüchtern und trocken, dass die CDU-Anhänger es allmählich nicht mehr sehen mögen.
Bei der FDP ist das Milieu enttäuscht. Das sagt Rösler selbst. Und die Persönlichkeiten sind enttäuschend. Das sagt er natürlich nicht. Aber die Wahrheit ist: Die liberalen Spitzenleute in den Ländern sind eher unbedeutend. Und die im Bund arbeiten dran. Dabei hatte Rösler, als er neuer Parteichef wurde, vor allem einen Trumpf: Er galt als sympathisch. Er dröhnte nicht so überheblich wie sein Vorgänger Guido Westerwelle. Rösler inszenierte sich als Mann der leisen Töne. Ein freundlicher Politiker, immerhin.
Mittlerweile ist dieses Bild dahin. Rösler selbst hat es verschandelt. Nicht so sehr durch den Versuch, Guido Westerwelle auch als Außenminister loszuwerden, sondern vor allem durch die Art und Weise. Rösler sagte nicht, ob er Westerwelle wirklich noch will oder nicht, er signalisierte nur sowohl als auch. Er wollte irgendwas erreichen, aber nicht dazu stehen. Rösler hielt Westerwelle am einen Tag im Amt und stichelte am nächsten weiter gegen ihn. Die Botschaft lautete: Ich nehme ihn hin, aber nicht ernst. Der Parteichef mobbte den Außenminister und wirkte dabei selbst als fiese Möpp, wie der Rheinländer sagt.
Auf den Bildern und in den Analysen vom Wahlabend in Schwerin ist zu sehen, dass die Grünen die jüngsten Anhänger haben. Die FDP hat nur eine junge Führung. Die Grünen haben einen Markenkern, die FDP sucht ihren verzweifelt. Jetzt will Rösler in der Währungskrise für eine Stabilitätsunion sein und gegen Euro-Anleihen. Zu allem anderen will er in zwei Wochen noch ein paar Vorschläge machen. Fürwahr, die FDP ist in diesen Tagen nicht Brot, nicht Butter, sondern nur noch eine Vesperbüchse mit ein paar Krümeln drin.