FDP: Sechs Thesen über Philipp Rösler:Fleißiger Alleinunterhalter, sozialer Anti-Guido

Philipp Rösler gilt als Wunderkind der FDP - kann alles, schafft alles. Aber ist das wirklich so? Oder wird er überschätzt und ist eigentlich gnadenlos unterwürfig? Sechs Thesen über den Mann, der die Liberalen in eine bessere Zukunft führen soll.

Thorsten Denkler und Lena Jakat, Berlin

Philipp Rösler soll es richten: Nachdem Guido Westerwelle seinen Rückzug vom Parteivorsitz verkündet hat, haben sich FDP-Präsidium und Landesvorsitzende auf den Bundesgesundheitsminister als Kandidaten für seine Nachfolge geeinigt. Das letzte Wort haben die Delegierten auf dem Parteitag Mitte Mai. Der Niedersachse Rösler wurde vom Rheinländer Westerwelle über Jahre gefördert und befördert - und dennoch unterscheiden sich beide Freidemokraten sowohl in Stil, als auch in politischer Ausrichtung.

FDP - Philipp Rösler

Fleißig, sozialliberal - überschätzt? Philipp Rösler gilt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Guido Westerwelle.

(Foto: dpa)

Der 38 Jahre alte Mediziner und Vater von Zwillingen übernimmt das Amt in einer denkbar schwierigen Phase: Die FDP regiert im Bund, doch befindet sich seit dem fulminanten Wahlsieg im Herbst 2009 im stetigen Sinkflug.

Von dem Mann aus Hannover wird nicht mehr erwartet, als dass er den Negativtrend umdreht, die parteiinternen Gräben zuschüttet - und sich gleichzeitig gegen Angela Merkel und Horst Seehofer, die ausgebufften Parteichefs der Unions-Koalitionäre durchsetzt.

Philipp Rösler gilt seinen Parteifreunden bislang als ein Wunderkind der FDP - kann alles, schafft alles. Aber ist das wirklich so? Oder ist er nicht einfach nur überschätzt und verhält sich gar unterwürfig?

Lesen Sie auf den folgenden Seiten sechs Thesen, die diese Fragen beantworten und einen Ausblick geben auf die Amtsführung des Parteichefs Rösler.

Rösler, zu brav in der Koalition

Dem Außenminister Westerwelle wurde seit seinem Amtsantritt immer wieder vorgeworfen, zu viel Parteipolitik zu betreiben, zu viel Liberaler und zu wenig Vertreter der schwarz-gelben Bundesregierung zu sein. Und Rösler? Als er ins Berliner Gesundheitsministerium wechselte, ließ er, so scheint es, den Parteipolitiker zu Hause in Hannover.

In "Mutti" Merkels Kabinett gilt er mehr als eilfertiger Minister der Kanzlerin denn als aufmüpfiger Jungspund. Als einer, der in Merkels Hierarchie höher steht als andere.

Der niedersächsische Landeschef Rösler ist fast gänzlich aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Dass sich der Liberale zu Angelegenheiten der Bundespartei seit seiner Ministerwerdung in Berlin kaum noch hörbar äußert, mag an der Übermacht Westerwelles und dessen bislang exponierter Stellung als Vizekanzler liegen. Auch ist Rösler kein Mitglied des Bundestags - ihm fehlt somit schon der institutionelle Rückhalt in der Fraktion.

Für die FDP kommt es nun darauf an, wie schnell Rösler den Parteipolitiker wieder hervorkramen kann. Denn schließlich wollen die Liberalen ihr Profil verändern. Dafür genügt der Partei aber nicht die konstruktive und erfolgreiche Koalitionsarbeit zwischen einer Kanzlerin und einem lächelnden Gesundheitsminister. Dafür braucht die Partei einen Vorsitzenden, der Merkel auch mal die Zähne zeigt.

Rösler, der Anti-Westerwelle

Anders als sein bisheriger Chef ist Rösler niemand, der sich in den Mittelpunkt, geschweige denn an die Spitze, drängt. Den Niedersachsen zog es 2009 eigentlich nicht nach Berlin. In Hannover hatte er nicht nur einen ergebenen Landesverband im Rücken, sondern bekleidete als Wirtschaftsminister auch das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten - in Berlin erwartete den Stabsarzt der Reserve dagegen die eher unangenehme Aufgabe, das deutsche Gesundheitssystem zu reformieren.

Rösler ist kein Machtmensch, sondern hält sich eher im Hintergrund. Dort spielt er die Rolle des klugen, fleißigen Sachpolitikers: den bedachten Organisator und Verwalter seines Ressorts. In das Ministeramt ist er eigentlich vor allem wegen seines Medizinerberufs gerutscht - und vielleicht auch, weil er eine Bitte seines Parteichefs nicht ausschlagen wollte. Rösler gehört nicht zu denen, die als Erste den Finger heben.

Was Westerwelle bisweilen als ein Zuviel an Ehrgeiz und Machtbewusstsein attestiert wurde, könnte Rösler als sein Nachfolger allerdings gut gebrauchen, um sich an der Spitze der Liberalen zu behaupten. Denn die eigene Friedfertigkeit kann der 38-Jährige nicht automatisch bei den Parteikollegen voraussetzen. In der "jungen Generation", an die Westerwelle die FDP übergeben hat, ist Rösler schließlich nicht alleine. Und andere sind vielleicht weniger harmonieorientiert.

Umso schwerer wiegt die Niederlage, dass er seinen Anspruch auf das Wirtschaftsministerium nicht durchsetzen konnte. Weil er Amtsinhaber Rainer Brüderle das Ressort nicht abringen konnte, startet er seine neue Karriere als schwacher Parteichef.

Rösler, der soziale Liberale

Weg vom puren Marktliberalismus, hin - und zurück - zum Sozialliberalismus: Rösler gehört zu denen in der FDP, die für einen inhaltlichen Kurswechsel eintreten. Er will das Image der FDP als Partei des Neoliberalismus ersetzen durch das eines gesellschaftlichen Liberalismus. Die FDP soll nicht mehr nur dann wahrgenommen werden, wenn es um Wirtschaftspolitik geht, sondern auch bei Themen wie Bildung, Sozialstaat, Energiepolitik.

Schon 2008 hat Rösler dazu ein Papier verfasst. Es trägt den Titel "Was uns fehlt" und fordert "eine Vision", ein "gesellschaftliches Bild, das glaubwürdig ist". Rösler schreibt darin über Solidarität als "urliberalen Gedanken", über eine Bürgergesellschaft auf den Pfeilern von "Wissen, Toleranz und Zusammenhalt", über "Mut, Neugier und Kreativität" der Bürger.

Mit dieser Linie ist Rösler nicht allein - viele seiner jüngeren Parteifreunde und Generalsekretär Christian Lindner vertreten sie ebenfalls, der Dahrendorfkreis hat sich aus diesem Bestreben heraus gegründet und geht in seinen Forderungen zum Teil noch weiter. Doch im Wirtschaftsflügel der FDP dürfte es einige geben, denen ein sozialer Liberalismus so gar nicht schmeckt.

Rösler, der Alleinunterhalter

Philipp Rösler ist einer der besten Redner, den die Partei derzeit hat. Besser ist nur Noch-Parteichef Guido Westerwelle, ähnlich gut nur Generalsekretär Christian Lindner. Westerwelle ist der bessere Kämpfer. Wie kaum ein anderer kann er Stimmungen aufnehmen und bei Bedarf auch produzieren. Auch wenn seine Rhetorik nach zehn Jahren im Amt zuweilen etwas abgenutzt wirkt - Westerwelle ist immer noch Meister seines Fachs. Lindner ist intellektuell anspruchsvoller. Er kann in geschliffener Sprache aus dem Stehgreif ein liberales Manifest entwickeln.

Rösler dagegen ist wohl der mit Abstand beste Alleinunterhalter. Legendär sind schon jetzt seine seltenen Auftritte als Bauchredner. Aber auch ohne Puppe auf dem Arm kann er lustig sein - so richtig lustig. Zum Beispiel beim Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg im vergangenen Herbst. Merkel gibt es jetzt als Barbie, kalauert er da. Die kostet 300 Euro. Die Barbie selbst kostet immer noch 20 Euro - aber "richtig teuer sind die 40 Hosenanzüge". Da kocht die Hütte.

So was macht Rösler wie Lindner ohne Manuskript. Das braucht er nicht mal, wenn er als Gesundheitsminister komplexeste Sachverhalte zu erklären hat. Der große Vorteil, den Rösler gegenüber Westerwelle hat: Er ist dabei authentisch und hat den nötigen Schuss Selbstironie. Während Westerwelle bald jede Silbe mit tiefster Bedeutung aufgeladen hat, nimmt Rösler sich und seinen Job nicht wichtiger als unbedingt nötig.

Trocken erklärt er auf dem Gillamoos: "Wir werden jetzt in den nächsten drei Jahren das machen, was wir in den letzten zehn Monaten als Bundesregierung gemacht haben - nämlich nichts."

Rösler, der Fleißige

Es ist nicht unbedingt ratsam, den Hausarzt um die Ecke zu fragen, wie eine gute Gesundheitsreform aussehen müsste. Im Zweifel versteht er davon so viel wie ein Berliner Taxifahrer von der Straßenverkehrsordnung - eher wenig. Bei Philipp Rösler aber war es genau so. Als Guido Westerwelle den FDP-Landeschef aus Niedersachsen über Nacht zum Bundesgesundheitsminister berief, war keiner überraschter als er selbst.

Er ist zwar ein ausgebildeter Arzt, hat bei der Bundeswehr im Sanitätsdienst gearbeitet, bevor er als ehrenamtlicher Generalsekretär der FDP-Niedersachen in die Politik ging. Mit Gesundheitspolitik war der Landespolitiker bis dahin aber nur am Rande in Berührung gekommen.

Selbst politische Gegner zollen ihm inzwischen Respekt dafür, wie schnell und wie gründlich er sich in eines der fachlich schwierigsten Ressorts in der Bundesregierung eingearbeitet hat. Die Eck- und Kenndaten des Gesundheitswesens kann er jederzeit abrufen, kennt die Fallstricke und Verflechtungen im Gesundheitswesen in und auswendig.

Was nicht bedeutet, dass er ein besserer Gesundheitsminister wäre als seine Vorgängerinnen und Vorgänger. Auch Rösler ist letztlich mit dem Vorhaben gescheitert, eine grundlegende Gesundheitsreform durchzusetzen. Die Wahlversprechen der FDP konnte er nur in homöopathischen Dosen umsetzen. Aber das ist nicht ihm allein anzulasten. Im Gesundheitsressort wird vor allem der Mangel verwaltet.

Rösler, der Überschätzte

Röslers Karriere in der Politik verlief bisher so steil und glatt, dass der Absturz unvermeidlich zu sein scheint. Unter Liberalen zumindest hat er einen ähnlichen Stellenwert wie weiland ein gewisser Karl-Theodor zu Guttenberg für die CSU. Schon 2005 wurde er mit sagenhaften 95 Prozent ins Präsidium der Partei gewählt.

Nur: Richtig kämpfen musste er um einen Posten nur einmal. Ende der neunziger Jahre, als er Landeschef der Jungen Liberalen werden wollte. Damals setzte er sich in einer Kampfabstimmung gegen Jörg Bode durch, der ihm später als Wirtschaftsminister im Amt folgte, als Rösler nach Berlin berufen wurde.

Sein Mentor Walter Hirche erkannte sein Talent, machte Rösler 2000 unter seiner Führung zum Generalsekretär der Landespartei. Das Amt gab es vorher nicht. Hirche übergab Rösler 2006 folgerichtig das Amt des Landesvorsitzenden. Im März 2006 wurde er mit 96,4 Prozent gewählt. Mit 96 Prozent macht ihn die Partei zu ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2008. Im Jahr 2003 kam er in den Landtag und wurde umgehend Fraktionschef, bis ihn Hirche 2009 zum Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie zum stellvertretenden Ministerpräsidenten machte.

Um keine dieser Aufgaben hat Rösler sich gerissen. Die Macht flog ihm zu. Auch das Amt des Bundesgesundheitsministers wurde ihm angetragen - wider seinen Willen. Parteivorsitzender wollte er ohnehin nicht werden. Guido Westerwelle hat noch zu allen fairen und unfairen Mitteln gegriffen, um Wolfgang Gerhardt aus dem Amt zu mobben und selbst Vorsitzender der FDP zu werden. Rösler würde das nicht tun. Muss er auch nicht.

Bis jetzt hat er alle Erwartungen halbwegs erfüllt. Auch wenn sich manche Liberale vom Gesundheitsminister deutlich mehr gewünscht hätten. Als Parteivorsitzender und Vizekanzler aber steht er an der Spitze. Er muss mit Merkel und Seehofer verhandeln und der FDP Profil und Gewicht geben. Vor einer so großen Aufgabe stand Rösler noch nie.

Er hat dafür höchstens sieben Jahre. Rösler ist jetzt 38 Jahre alt. Er hat sich geschworen, mit 45 aus der aktiven Politik auszuscheiden. Stiftungsarbeit, das würde ihn reizen.

Sieben Jahre, das könnte reichen, um die Partei neu zu formieren. Sieben Jahre können aber auch reichen, die FDP in Grund und Boden zu wirtschaften. Westerwelle hat in 18 Monaten zerstört, was er zuvor in acht Jahren aufgebaut hat. Zur Not steht Christian Lindner parat, der Generalsekretär. In sieben Jahren ist er 39. Westerwelle hat den Parteivorsitz mit 39 übernommen, Rösler jetzt mit 38. Kurz vor 40 scheint ein gutes Alter zu sein, um in der FDP Parteichef zu werden.

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