Reaktionen auf FDP:Lindner: Stecke jetzt mit der Partei in einer „äußerst schwierigen Situation“ 

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FDP-Chef Christian Lindner (FDP) reagiert auf die heftige Kritik an seiner Partei. (Foto: Hannes P. Albert/dpa)

Das „D-Day“-Papier sei auf Mitarbeiterebene entstanden und nur dort diskutiert worden, sagt der FDP-Chef. Zugleich räumt er Fehler ein: „Natürlich musste und muss ich mich prüfen.“ Er trage „die Gesamtverantwortung für die FDP“.

Nach der Veröffentlichung eines detaillierten Plans in der FDP für den Bruch der Ampelkoalition am Donnerstag sind FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann am Freitag zurückgetreten. Der FDP-Chef selbst geht auf Distanz zu dem Papier.

Christian Lindner sagte laut einer Erklärung: „Das öffentlich gewordene Papier des Genscher-Hauses war lediglich ein Entwurf.“ Es sei auf Mitarbeiterebene erstellt und nur dort diskutiert worden. „Ich habe es nicht zur Kenntnis genommen und hätte es auch nicht gebilligt“, so Lindner. Außerdem wiederholte Lindner: „Unabhängig von diesem Dokument will ich aber ausdrücklich bestätigen, dass es angesichts des Streits in der Koalition und des Stillstands im Land notwendig war, das mögliche Ausscheiden der FDP aus der Ampel zu durchdenken.“

Ähnlich äußerte sich Lindner später auch in einem Interview mit den Tagesthemen. Dabei ging er auch auf seine persönliche Lage ein. Er sagte: „Natürlich musste und muss ich mich prüfen. Ich bin immerhin eines der Gesichter der gescheiterten Ampelkoalition. Und ich stecke jetzt mit meiner Partei auch in dieser äußerst schwierigen Situation.“ Lindner weiter: „Aber ich glaube, dass die politische Entscheidung, die ich verantworte, unverändert richtig ist. Diese Entscheidung war: Es muss eine andere Politik geben - oder die Wähler müssen neu wählen.“ Er trage „die Gesamtverantwortung für die FDP - und zu der bekenne ich mich auch“, sagte er.

Über das Papier sagte Lindner noch: „Aber es war eben auch nur ein Arbeitspapier, und es war niemals Gegenstand von Gremien. Es ist dann in die Öffentlichkeit geraten durch Indiskretionen. Das bedauere ich zutiefst, weil hier ein ganz falscher Eindruck von der FDP und ihren Motiven entstanden ist. Uns ging es um unser Land.“

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte kurz nach der Bekanntgabe des Rücktritts von FDP-Generalsekretär Djir-Sarai, dieser sei ein „durchschaubares Bauernopfer“. Der Schritt sei erfolgt, „um die Verantwortung von FDP-Chef Christian Lindner abzulenken“.

Schon zuvor hatte Miersch Lindner persönlich zu einer Entschuldigung aufgefordert. „Solch ein verantwortungsloses Handeln zerstört das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Institutionen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland über die aus seiner Sicht „zynisch“ formulierten Ausstiegspläne. SPD-Chef Lars Klingbeil schrieb auf der Plattform X: „Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fühle sich in seinem Schritt, Lindner als Finanzminister zu entlassen, „durch die aktuellen Veröffentlichungen in seiner Entscheidung bestätigt“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Keine Angaben machte der Sprecher zur Frage, ob Scholz vor der Bekanntgabe von Lindners Entlassung über den Strategieplan der FDP informiert gewesen war. Auch zum Rücktritt Djir-Sarais äußerte er sich nicht.

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Er habe von dem viel kritisierten „D-Day“-Papier nichts gewusst, übernehme aber die politische Verantwortung. Auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann gibt sein Amt auf. Er ist nach Parteiangaben der Autor des Dokuments.

Die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, hatte das Papier, in dem von einem „D-Day“ und einer „Feldschlacht“ gesprochen wird, bei Instagram sls „einer liberalen Partei unwürdig“ bezeichnet. „Nicht nur die Öffentlichkeit muss den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei.“

Von FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann kamen selbstkritische Töne. Am Donnerstagabend, kurz nach der Veröffentlichung des sogenannten „D-Day“-Papiers, sagte sie: „Jetzt ist ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt.“ Die Wortwahl sei der Sache nicht dienlich, „eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar“. Eine Auseinandersetzung mit Ausstiegsszenarien sei aber richtig gewesen. Die Rücktritte von Djir-Sarai und Reymann bezeichnete sie später als „unausweichlich“. Es brauche eine starke FDP, „die sich keine Clownerie leistet, sondern sich ihrer Verantwortung bewusst ist“.

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Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, hält die FDP nach eigenen Angaben nicht mehr für koalitionsfähig. „Die aktuellen Chaostage bei der FDP bestätigen mich in meiner Haltung: Diese Partei kann aktuell für niemand ein zuverlässiger Partner sein“, sagte er. „Wer die Öffentlichkeit belügt, um am Ende eigenen Mitarbeitern die Schuld in die Schuhe zu schieben, sollte so schnell keine Verantwortung in Deutschland mehr übernehmen.“

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann übte ebenfalls Kritik: „Ein Parlament ist kein Schlachtfeld, und das Ringen um die besten Ideen und Konzepte gehört zu unserer lebendigen Demokratie. Diese FDP sollte keine Verantwortung für unser Land übernehmen.“

Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner sagte in Berlin, sie könne die Aufregung um das Papier nicht wirklich verstehen. „Es war doch klar, was Lindner da für ein verantwortungsloses Spiel treibt.“

Die FDP hat ihr Papier zu möglichen Ausstiegsszenarien aus der Ampelkoalition selbst veröffentlicht, nachdem die Süddeutsche Zeitung und andere Medien dazu recherchiert und Anfragen an die Partei geschickt hatten. In mehreren Treffen der engsten FDP-Führung wurden demnach seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt.

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