FDP-Politiker Hirsch wird 80:Burkhard, der Rechtsstaatliche

Er hat den großen Lauschangriff gestoppt und die Vorratsdatenspeicherung verhindert: Egal, wo seine FDP stand, Burkhard Hirsch blieb sich treu.

Heribert Prantl

Andere Politiker gehen in Talkshows oder schreiben Memoiren, wenn sie ein "a.D." hinter ihrer früheren Tätigkeit haben. Burkhard Hirsch, Bundestagsvizepräsident a.D., formuliert Klagen zum Bundesverfassungsgericht - akribisch, scharfsinnig, klug und erfolgreich. Auf diese Weise hat er der den großen Lauschangriff gestoppt, das Luftsicherheitsgesetz vernichtet und die Vorratsdatenspeicherung fürs erste verhindert.

HIRSCH

Andere gehen in Talkshows - Burkhard Hirsch formuliert Klagen.

(Foto: ag.ap)

Burkhard Hirsch nimmt keine Rücksicht darauf, ob seine Partei bei solchen Gesetzen zugestimmt hat, er lässt sich seine Überzeugung nicht abkaufen, auch nicht von der Partei, für die er jahrzehntelang Politik gemacht hat. Seine Klagen sind kein Lamento, sondern das Credo eines linksliberalen Juristen und Politikers, der von Beruf Rechtsanwalt ist und dieses Wort sorgfältig buchstabiert: Rechtsanwalt, Anwalt des Rechts. Gäbe es noch die schöne mittelalterliche Sitte, einer großen Persönlichkeit einen bezeichnenden Beinamen zu geben - Hirsch hieße: "Burkhard, der Rechtsstaatliche".

Die Urteile, die er (zusammen mit den wenigen linksliberalen Mitstreitern) erfochten hat, haben mit einem gefährlichen politischen Vorurteil aufgeräumt: dass man Grundrechte klein machen muss, um Straftaten zu bekämpfen. Die Urteile waren ein rechtsstaatlicher Imperativ - der Imperativ, der ein langes Politikerleben im Mittelpunkt der Arbeit von Hirsch stand.

Die FDP hat sich hin- und hergeändert. Burkhard Hirsch, FDP-Mitglied seit 1949, blieb immer Burkhard Hirsch. Er hat die Fahne der Rechtsstaatspartei FDP hoch in die Luft gereckt, auch dann noch, als sich hinter dieser Fahne kaum noch jemand versammelte, und erst recht dann, als Vorsitzende der eigenen Partei sie ihm aus der Hand nehmen wollten. Er brachte das Kunststück fertig, sich selber und seine Partei treu zu bleiben.

Politik heißt Kompromisse schließen. Burkhard Hirsch weiß das, er war jahrzehntelang Politiker, Ratsherr der Stadt Düsseldorf, Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, dort Innenminister in der RAF-Zeit; er war rechts- und innenpolitischer Sprecher seiner Partei im Bundestag. Ja, Politik heißt Kompromisse machen. Aber wenn es um den Kern der Rechtsstaatlichkeit ging, war Hirsch stets kompromisslos.

Liberal im besten Sinne des Wortes

Seine Partei hat es ihm nicht unbedingt gedankt. Aus ihm, dem kraftvollen Rechtsdenker, wäre, wenn die törichte FDP ihn gelassen hätte, ein wunderbarer Bundesjustizminister geworden, einer, der in der Reihe mit Gustav Heinemann und Hans Jochen Vogel prächtig gestanden hätte. Die FDP zog aber einmal Klaus Kinkel, das andere Mal die damals unbekannte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor, welche sich aber dann, wie Hirschs innerparteiliche Gegner formulierten, "als Hirschin" entpuppte.

Hirsch war einst, vor bald 25 Jahren, der große Gegner des CSU-Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann. Mit dem CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble (in dessen erster Amtsperiode) kam Hirsch viel besser aus: Kompetenz traf auf Kompetenz. Aber Hirsch kann auch anders sein, als man es erwartet: Hartnäckig hat er einst als Innenminister von Nordrhein-Westfalen am Radikalenerlaß festgehalten. Dabei spielten wohl auch seine Erfahrungen mit dem DDR-Regime eine Rolle: Hirsch hat 1948 in Halle sein Abitur geschrieben und war dort in der Liberal-Demokratischen Partei tätig, floh dann in die Bundesrepublik.

Bis 1998 war Hirsch Bundestagsabgeordneter, zuletzt Bundestagsvizepräsident. Ziemlich auf sich allein gestellt war Hirsch in der CDU/CSU/FDP-Koalition des Kanzlers Kohl oft, in seinen letzten Parlamentsjahren gleich gar. Warum das so war, ist mit wenigen Zitaten erklärt. Zum Vermummungsverbot: "In meiner Verfassung steht nicht, dass einer sein Gesicht zeigen muss." Zum Verfassungsschutz: "Ku-Klux-Klan Atmosphäre". Zum Asylgrundrecht: "Die Freiheitsstatue im Hafen der Verfassung". Zur FDP: "Wer liberale Positionen verschweigt, kann keine liberalen Wähler gewinnen". Zum Neoliberalismus: "Eine freie Gesellschaft ohne soziale Verantwortung ist mörderisch."

Hirsch bekämpfte jede Amnestie in der Parteispendenaffäre, auch wenn die seinem Parteivorsitzenden Lambsdorff zu Gute gekommen wäre. Er war der einzige FDP-Abgeordnete, der 1998 die Beteiligung deutscher Soldaten an einer Nato-Bombardierung Jugoslawiens abgelehnt hat. Als alle trommelten, blieb er Pazifist.

Hirsch gehört nicht zu den Politikern, die immer das verkaufen, was gerade kommt; er geht nicht mit den Moden. Er gehört zu den liebenswürdigen Kämpfern in der Politik, zu denen, die hartnäckig und kompetent zu ihren Überzeugungen stehen. Wären mehr Politiker so wie er, hätte es das politische Duckmäusertum nicht gegeben, auf dem das System Kohl wachsen konnte. Und dann hätte es des Sonderermittlers Hirsch nicht bedurft, der sich im Auftrag der rot-grünen Regierung Schröder auf die Spur der vernichteten Kohl-Akten setzte.

Ein Politiker, so hat Hirsch einmal mit Blick auf Helmut Kohl gesagt, soll "in öffentlichen Dingen nicht so denken und handeln, wie sich Alfred Tetzlaff das vorstellt, sondern wie es der Macht, Bedeutung und Würde des ihm anvertrauten Amtes entspricht." Hirsch hat sich daran gehalten. Wenn heute das Bild des Liberalen höchst einseitig geworden ist - an ihm liegt es nicht. Heute feiert Burkhard Hirsch in Düsseldorf seinen achtzigsten Geburtstag.

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