Süddeutsche Zeitung

FDP-Plakate im Wahlkampf:Brüderles australischer Daumen

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"Gut gemacht, FDP!" Obwohl die Liberalen im Umfragetief stecken, präsentieren sie sich in einer Werbekampagne als erfolgreiche Regierungspartei. Die skurrilen Motive werfen jedoch erstaunlich viele Fragen auf.

Von Thorsten Denkler

Wie gut, dass Rainer Brüderle Wahlkampf in Deutschland macht. Und nicht etwa in Australien. Der gemeine Australier würde ihm womöglich krumm kommen, wenn er wochenlang tagtäglich sehen müsste, was Brüderle ihm zu zeigen hat.

Nämlich seinen nach oben gereckten Daumen. Das dürfte damit zusammenhängen, dass dort der gereckte Daumen das ist, was bei uns im Allgemeinen mit dem gereckten Mittelfinger verbunden wird. Der Hinweis auf einen gewissen Herrn Effenberg soll an dieser Stelle zu Erläuterung genügen.

Wie gut Brüderle die Australier kennt und ob womöglich das Wissen um die dortige Alltagskultur ihn bewogen hat, mit der Geste des gereckten Daumens seine Mitbürger in Deutschland zu begrüßen, ist nicht hinreichend bekannt.

Sicher ist nur, dass der erhobene Daumen auch in Deutschland eher altbackenen Charakter hat, auf einer Stufe mit dem Bestreben mancher Männer, jetzt mal ordentlich "durchstarten" oder "einen heben" zu wollen. Aber gut, vielleicht gibt es da eine gewisse Kongruenz zu Brüderle und seiner FDP.

Brüderles gereckter Daumen findet sich auf den neuen Wahlplakaten der Liberalen. Darunter steht ein doch recht erstaunlicher Satz: "Gut gemacht, FDP!"

Wer an dieser Stelle nicht stutzt, dem sei gesagt, dass Brüderle Spitzenmann jener Partei ist, die es angeblich "gut gemacht" hat. Der gereckte Daumen gilt also explizit ihm selbst. Was schon eine eher seltsame Form der Selbstbezichtigung ist. Also aus australischer Sicht.

Ganz anders das Auftreten von Parteichef Philipp Rösler auf einem anderen Plakat der gleichen Reihe. Er scheint dort mit der rechten Hand weit auszuholen, um seinem Gegenüber breit lächelnd eine ordentliche Backpfeife zu verpassen. Darunter: "Gut gemacht, FDP!" Das Plakat sollte ihn den sozialen Randgebieten der Republik seine Wirkung nicht verfehlen.

Ein weiteres Plakat zeigt einen Verlagskaufmann namens Felix Husmann. Zu sehen ist außerdem seine Frau Katharina, Ärztin, und ein Baby auf dem Arm von Felix, welches offenbar in mindestens sozialer Beziehung zum genannten Ehepaar steht. "Gut gemacht, FDP!", steht auch unter diesem Plakat. Weckt aber Assoziationen, die wir hier nicht weiter ausführen wollen.

Tatsächlich geht es um Kinderbetreuungskosten, die für das Paar jetzt endlich finanzierbar seien, weil die FDP Familien entlastet habe. Fragt sich jetzt nur, welche Familien gemeint sind. Ein Blick auf die eher schwere Uhr von Vater Felix lässt zumindest vermuten, dass beide wohl zu den Besserverdienenden im Lande gehören.

Es darf also angenommen werden, dass sie auch vorher kaum Schwierigkeiten gehabt haben dürften, die zu erwartenden Kosten für die Kita ihres Sprösslings zu schultern. Aber jetzt ist vielleicht ja etwa Geld übrig für die nächste Uhr in der Chronometer-Sammlung.

Linktipp: Alle Motive der neuen FDP-Kampagne sind hier zu sehen.

Anmerkung der Redaktion: Inzwischen haben uns die Australier unter unseren Lesern auf eine nicht unwichtige Entwicklung aufmerksam gemacht: Demnach WAR es tatsächlich einmal so, dass der gereckte Daumen einmal unserem gereckten Mittelfinger entsprach. Das habe sich jedoch inzwischen geändert. Der gereckte Daumen werde dort jetzt nicht mehr als Beleidigung empfunden. Jetzt gilt Brüderles Geste also offenbar nicht nur in Deutschland als altbacken, sondern auch auf der anderen Seite der Welt.

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