FDP: Plagiatsfall Koch-Mehrin:Ein Anstandswauwau für Silvana

Lesezeit: 2 Min.

Die FDP-Delegation im Europaparlament hat entschieden: Die Plagiatorin Koch-Mehrin soll ihr Mandat behalten dürfen. Das Argument der Liberalen: Darüber könne kein anderer befinden als sie selbst. Dabei ist der Imageschaden für die FDP enorm - und die Parteispitze schweigt.

Thorsten Denkler, Berlin

Wie gut für Silvana Koch-Mehrin, dass sie keine schnöde Angestellte in einem x-beliebigen Unternehmen ist, das möglicherweise etwas auf gute Manieren hält. Sie wäre wohl längst gefeuert worden. Vielleicht noch nicht wegen des Entzugs ihres Doktorgrades. Spätestens aber wegen ihrer Erklärung, die sie am selben Tag abgab.

Die Delegation der FDP-Abgeordneten im Europaparlament hat sich festgelegt: Silvana Koch-Mehrin soll selbst entscheiden, ob sie ihr Mandat niederlegt.  (Foto: REUTERS)

In der Politik ist das leichter. Ihr Mandat als Abgeordnete des Europäischen Parlamentes kann ihr niemand nehmen. Und die FDP-Delegation will offenbar auch nicht den Druck auf Koch-Mehrin erhöhen, ihr Mandat freiwillig zurückzugeben. Am gestrigen Dienstag haben die FDP-Europaabgeordneten über den Fall Koch-Mehrin gesprochen.

Für Alexander Graf Lambsdorff, den Vorsitzenden der Delegation, geht der Streit um die Doktorarbeit nur die Universität Heidelberg und Koch-Mehrin etwas an. Es sei "keine originäre Aufgabe der FDP-Delegation zur Frage Mandatsverzicht auf die eine oder andere Weise Stellung zu nehmen", sagte Lambsdorff. Die FDP-Europaabgeordneten hätten nicht über das Mandat zu befinden." Über das Mandat nicht, wohl aber über ihren Status als Mitglied der liberalen Fraktion. Aber darüber ist offenbar nicht gesprochen worden.

Menschlich eine nachvollziehbare Haltung. Ohne Koch-Mehrin, die die FDP zwei Mal als Spitzenkandidatin erfolgreich in Europawahlen geführt hat, säße wohl heute noch kein Liberaler aus Deutschland im Europaparlament.

Anstand in Theorie und Praxis

Und auch die FDP-Spitze will Koch-Mehrin nicht öffentlich zum Rückzug aus der Politik bewegen. Vom frisch gewählten Parteichef Philipp Rösler fehlt dazu ein klares Wort. Generalsekretär Christian Lindner erklärte, die Parteiführung wolle erst abwarten, wie sich Koch-Mehrin im weiteren Verlauf verhält.

Dabei ist der Imageschaden, den Koch-Mehrin angerichtet hat, jetzt schon enorm. Auf dem FDP-Parteitag im Mai hatte Rösler in seiner Antrittsrede noch die bürgerlichen Werte hochgehalten, an denen sich Partei und Regierungskoalition messen lassen müssten. Anstand war ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang.

Gut vier Wochen, bevor die Uni die Aberkennung öffentlich macht, tritt Koch-Mehrin von ihren Ämtern als Vizepräsidentin des Europaparlamentes, FDP-Fraktionsvorsitzende und damit auch als Präsidiumsmitglied der Bundespartei zurück. Doch zum Anstand würde wohl gehören, dass sich Koch-Mehrin öffentlich entschuldigt. So hat es Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki gefordert, der ansonsten von einer "Schummelei" spricht.

Stattdessen macht Koch-Mehrin ihrer Universität Vorwürfe und droht rechtliche Schritte gegen die Aberkennung des Doktorgrades an. Ihre Arbeit sei "nicht frei von Schwächen", gibt sie freimütig zu, was aber bei 120 nachgewiesenermaßen plagiierten Stellen eher eine Untertreibung ist. Sie sei "nicht selten ungenau, oberflächlich und manchmal geradezu fehlerhaft". Und "es wäre zu wünschen", wenn sie deutlich gemacht hätte, "auf welche Literatur ich mich jeweils stütze".

Das wisse sie seit elf Jahren, seit sie also ihre Arbeit im Jahr 2000 eingereicht hat. Das wüsste aber auch die Uni Heidelberg seit elf Jahren, weil sie genau dies in ihrem Prüfgutachten festgestellt habe. "Zur guten wissenschaftlichen Praxis gehört es, in einer Doktorarbeit ordentlich zu zitieren", schreibt sie. "Zur guten wissenschaftlichen Praxis gehört es aber sicher auch, eine vorgelegte Arbeit ordentlich zu prüfen."

Koch-Mehrin will jetzt klären lassen, ob der Entzug des Doktortitels rechtswidrig war. Mit anderen Worten: Koch-Mehrin will einen Titel wieder, der ihr nie hätte gegeben werden dürfen. Jemand sollte ihr mal dringend einen Anstandswauwau schenken, der ihr die wichtigsten Benimmregeln beibringt. Etwa die: Nicht zurückhauen, wenn man selber schuld ist.

Über so viel Chuzpe schütteln manche in der FDP-Spitze nur noch den Kopf. Doch öffentlich erklären will sich keiner aus der engeren Führung. Jeder könnte der Nächste sein, der auf die Solidarität der anderen angewiesen ist. In der Politik geht das manchmal sehr schnell.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: