FDP: Parteitag:Zur Not auch eine Ampel

Nie wieder will FDP-Chef Westerwelle seine Partei als Anhängsel der Union betrachtet sehen. Deshalb lässt er die Koalitionsfrage offen - und riskiert damit, wichtige Wähler zu verlieren.

Peter Blechschmidt

Guido Westerwelle hat es geschafft. Er wird geliebt, von seiner Partei. Noch mehr als die 95,8 Prozent der Delegiertenstimmen bei seiner Wiederwahl zum FDP-Chef wären ein sozialistisches Ergebnis gewesen. Und mit dem Sozialismus hat Westerwelle nun wahrlich nichts im Sinn. Aber die fast 96 Prozent von Hannover sind mehr als nur Ausweis innerparteilicher Geschlossenheit, die dem Wahlkampf geschuldet sind. Sie sind der Beleg dafür, dass die Partei ihren Vorsitzenden nun wirklich verinnerlicht hat.

FDP: Parteitag: Guido Westerwelle, mit 95,8 Prozent der Stimmen als FDP-Chef wiedergewählt, will seine Partei nie mehr als Anhängsel der Union betrachtet sehen.

Guido Westerwelle, mit 95,8 Prozent der Stimmen als FDP-Chef wiedergewählt, will seine Partei nie mehr als Anhängsel der Union betrachtet sehen.

(Foto: Foto: ddp)

Seit acht Jahren steht Westerwelle an der Spitze der Liberalen. Den Platz hat er gewollt, er hat ihn sich erkämpft, auch um den Preis von Verletzungen bei sich selbst und bei anderen. Er wurde gewählt, weil er jung, dynamisch und ein rabiater Redner war. Und weil es keine Alternative gab.

Bei seiner ersten Wiederwahl bekam er einen Dämpfer verpasst, er erhielt fast neun Prozentpunkte weniger. Von da an ging es wieder bergauf, aber Murren und Maulen blieben. Westerwelle hat es gewusst, und es hat an ihm genagt. Denn bei aller zur Schau getragenen Distanziertheit möchte auch Westerwelle geliebt werden.

Kaum ein anderer Politiker betont mit solcher Inbrunst, dass er in Umfragen inzwischen auch auf der Skala der Sympathiewerte auf hohe Punktzahlen komme. Vollends glücklich machte ihn, dass Hans-Dietrich Genscher ihn ausdrücklich auch im Namen der anderen FDP-Ikonen Walter Scheel und Otto Graf Lambsdorff zur Wiederwahl vorschlug.

Die Frage ist, wie lange das Glücksgefühl anhält. Das wird vom Wahlergebnis am 27. September abhängen und davon, was Westerwelle daraus macht. Die angestrebte Koalition mit CDU und CSU wäre alles andere als eine Liebesheirat.

Die Beziehung zwischen Westerwelle und Angela Merkel, die vor der Wahl 2005 schon als Verlobte grüßten, hat sich in den Jahren der großen Koalition merklich abgekühlt. Der FDP-Chef ist ziemlich desillusioniert über das politische Programm seiner einstigen Co-Pilotin im Cabrio, das nach seiner Einschätzung wenig mit Grundsatztreue und viel mit Machterhalt zu tun hat. Umgekehrt dürfte auch "der Dame im Kanzleramt", wie Westerwelle neuerdings zu sagen pflegt, klar sein, dass die Liberalen kein pflegeleichter Mehrheitsbeschaffer wären.

Das will Westerwelle der CDU-Vorsitzenden mit seiner Strategie deutlich machen, die konkrete Koalitionsaussage für die Union erst eine Woche vor der Wahl zu treffen. Eine Festlegung schon jetzt ließe der FDP keinen Spielraum mehr für ihre inhaltlichen Forderungen. Und da gibt es Probleme genug. Gerade in der Frage einer Steuerreform, dem Kernpunkt des liberalen Wahlprogramms, hat sich die Union erst am Wochenende wieder von der FDP abgesetzt.

Niemals wieder will Westerwelle seine Partei als Anhängsel der Union betrachtet sehen. Dafür nimmt er in Kauf, dass ihm Wankelmut vorgeworfen wird, wenn er die Ampelkoalition mit SPD und Grünen nicht kategorisch ausschließt. Er geht das Risiko ein, abtrünnige Unionswähler zu verprellen, die mit dem Wechsel zur FDP Schwarz-Gelb sichern wollen.

Er erträgt die Avancen der SPD, die vor allem darauf abzielen, die FDP-Wähler zu verunsichern. Dass eine Ampel zustande kommt, ist wohl so wahrscheinlich, wie Peer Steinbrück Außenminister der Schweiz wird. Gemessen an Programmatik und Polemik müssten alle Beteiligten ein Maß an Flexibilität, man könnte auch sagen Prinzipienlosigkeit, aufbringen, das kaum vorstellbar ist.

Derzeit spricht mehr dafür, dass Union und SPD ihr Bündnis fortsetzen, weil es für Schwarz-Gelb nicht reicht. Die FDP würde es nicht zerreißen. Sie sieht sich gut gerüstet, um eine weitere Legislaturperiode in der Opposition durchzustehen. Und der Vorsitzende müsste sich um sein Amt auch nicht sorgen. Die Liebe der Partei hält gewiss nicht ewig, aber bestimmt über den Wahltag hinaus.

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