FDP-Parteitag:Niebels Kampf ums politische Überleben

Entwicklungshilfeminister Niebel

Dirk Niebel mit Feldmütze: Nicht zufällig übergibt er sie kurz vor dem FDP-Parteitag dem Haus der Geschichte.

(Foto: Marcel Mettelsiefen/dpa)

Es wird eng in der FDP-Spitze, besonders für Entwicklungsminister Dirk Niebel. Auf dem bevorstehenden Parteitag kämpft er um seine Zukunft bei den Liberalen und gibt sich im Vorfeld aggressiv wie ein Preisboxer. Auch eine Mütze spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle.

Von Michael Bauchmüller und Stefan Braun, Berlin

Dirk Niebel ist ein Platz in der Geschichte sicher. Denn künftig werden unter dem Dach des beliebten Bonner Hauses der Geschichte nicht nur die Strickjacke Helmut Kohls, der Pullover Michael Gorbatschows und die Frankfurter Lederjacke Joschka Fischers lagern, sondern auch Niebels Mütze aus alten Bundeswehrtagen. Also jene kleine olivgrüne Feldmütze, mit der er zu Beginn seiner Amtszeit als Entwicklungsminister vor allem Entwicklungspolitiker so gerne provozierte. Kohl, Gorbatschow, Fischer, Niebel - was für eine schöne Reihe. Jedenfalls aus Sicht des Ministers.

Kein Wunder ist es deshalb, dass Niebel diese Mütze irgendwann selbst angeboten hat und an diesem Donnerstag auch persönlich übergeben wird. Jeder muss doch darauf achten, nicht in den Zeitläuften zu verschwinden. Noch weniger überraschend ist freilich, dass er das genau jetzt tut, in diesen Tagen vor dem FDP-Parteitag. Denn so nett das mit der Feldmütze für ihn klingen mag, so eng könnte es für Niebel am Wochenende werden.

Rettungsversuche eines Verzweifelten?

Seine Aussichten, noch einmal ins Präsidium seiner FDP gewählt zu werden, sind gelinde gesagt bescheiden. Und sie erscheinen nur deshalb nicht komplett katastrophal, weil sie noch immer besser sind als Niebels Chancen, nach der nächsten Wahl noch einmal Minister zu werden. Auch die größten Optimisten rechnen bei der FDP nicht mehr damit, dass die Partei wieder fünf Minister stellen könnte. Und Niebels Ministerium wird das erste sein, das die Partei aufgibt. So sie überhaupt noch mal in die Reichweite einer Regierung klettern sollte.

Der 47-jährige Ex-Fallschirmspringer wäre freilich nicht er selber, würde er sich dem ergeben. Stattdessen liefert er ein Interview aufs nächste. Und das besondere dabei ist, dass der Entwicklungsminister wie ein Preisboxer durch die politische Arena schreitet. Hauptsache, er kann sich mit jemandem anlegen. Je nach Sicht kann man die Interviews ein Feuerwerk nennen oder als Akte eines Verzweifelnden werten. Aber klar ist, dass sich hier einer raufend und drohend sein politisches Überleben sichern möchte.

So nutzte Niebel ausgerechnet die Sexismus-Debatte um Rainer Brüderle, um öffentlich zu sagen, dass es auch Sexismus gegen Männer gebe. An seine Partei richtete er die Mahnung, sie begehe einen schweren Fehler, sollte sie ihn nicht mehr in die Parteispitze wählen. Und allen Entwicklungshelfern sagte er Anfang dieser Woche via Bild-Zeitung, er hole die Entwicklungspolitik aus der "Schlabberpulli-Ecke". Wer das liest, gesteht ihm zu, offen und gerade heraus zu agieren. Aber viele fühlen sich davon provoziert, ja angegriffen. Kann sich ein Politiker so retten? "Schwerlich", heißt es bei vielen Liberalen in der Hauptstadt.

Gehässige Mails in Niebels eigenem Ministerium

Im eigenen Haus macht sich Niebel mit seiner Offensive ohnehin wenig Freunde. Zu gerne präsentiert er sich als knallharter Wirtschaftsliberaler und lobt den Umbau seines Hauses als Schritt vom "Hirseschüssel-Ministerium" zu einem für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Mit besonderer Betonung auf "wirtschaftlich". Damit ärgert er nicht nur seine Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, er tritt auch dem Gros seiner Mitarbeiter auf die Füße. "Das verkehrt die Dinge ins Gegenteil", schimpft einer von vielen. Nun gibt es in jedem Ministerium Leute, die einen Minister doof finden. Aber ein Chef, der so über Menschen spricht, die seit Jahren in der Entwicklungspolitik arbeiten, klingt wie einer, der abrechnet und adieu sagt.

Zumal in Niebels Haus gehässige Mails kursieren, in denen er zu einem Minister schrumpft, der vor allem an guter Eigen-PR interessiert sei und nur als Marionette seines wenig beliebten Staatssekretärs Hans-Jürgen Beerfeltz agiere. Mittlerweile lässt die Ministeriumsleitung strafrechtliche Schritte gegen solche Mails prüfen. Helfen wird das wenig.

Denn auch Niebels Bilanz als Minister fällt gemischt aus. Mit einem großen Umbau der Strukturen hat er seinem Haus wieder mehr Macht und mehr Personal gegeben. Doch durch die Besetzung wichtiger Posten weniger mit Fachleuten als mit Parteifreunden hat er seine eigene Begründung für den Umbau konterkariert, er wolle Experten ins Haus zurückholen. Und dann ist da noch das UN-Ziel, irgendwann 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungshilfe zu geben. Alle Vorgänger hatten dafür gekämpft. Der Neo-Realist Niebel musste es in seiner Amtszeit offiziell aufgegeben.

Ein rücksichtsloser Akt gegen Parteichef Rösler

"Offenes Visier, klare Konturen, Mut, Dinge zuzuspitzen" - das hat Niebel als "Niebel pur" beschrieben. Falsch ist das nicht und müsste ihm nicht automatisch zum Nachteil gereichen. Doch gerade bei seinem größten Auftritt, dem nur schwach getarnten Aufruf, Parteichef Philipp Rösler zu stürzen, hat er in der FDP alle gegen sich aufgebracht. Denn Niebel sagte das zwei Wochen vor der Niedersachsen-Wahl, auf der größten FDP-Veranstaltung seines Landesverbandes: dem Drei-Königs-Treffen in Stuttgart. Hätte es die Wahl in Niedersachsen nicht gegeben, wäre es nur halb so schlimm gewesen. So wirkte es wie ein rücksichtsloser Akt, und das wird ihm die dauerschwache FDP kaum vergessen.

Am Samstag wird Niebel versuchen, einer von drei Beisitzern im Präsidium zu bleiben. Mittlerweile zeichnet sich aber ab, dass sich auf die drei Posten neben Niebel vier, vielleicht gar fünf Konkurrenten bewerben werden, darunter wohl auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr und möglicherweise die Hamburgerin Katja Suding. Es wird eng in der FDP-Spitze. Niebel hat das längst verstanden.

So bleibt vor allem eines: die Feldmütze. Seine Brücke in die Geschichte. Besuchern des Museums allerdings bleibt das gute Stück einstweilen verborgen. Die Mütze lagert bis auf weiteres in der Sammlung. Hinter verschlossenen Türen.

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