Aus Sicht der Freien Demokraten gibt es über die Freien Demokraten eine Menge zu sagen, was viel zu selten gesagt wird. Zum Beispiel setzen sie sich für die Ärmsten der Armen ein. Im Bundestag haben die Liberalen gerade einen Gesetzesentwurf vorbereitet, der höhere Entwicklungshilfeausgaben für die 47 ärmsten Staaten der Welt vorsieht. "Der vorgeschlagene Antrag trägt dazu bei, dass die Freien Demokraten als empathische Partei und Fraktion wahrgenommen werden", heißt es in einem internen Papier, das Sinn und Zweck des Antrags begründet. Zudem sei das eine "Maßnahme, die die Öffentlichkeit nicht originär von den Freien Demokraten erwarten würde".
Wenn sich die FDP-Delegierten an diesem Freitag zu ihrem 70. Parteitag in Berlin versammeln, wird es in größerem Stil genau darum gehen: Die FDP will nicht nur wahrgenommen, sondern eben auch anders wahrgenommen werden. Als Klimaschutzpartei zum Beispiel. "Freiheit als oberstes Ziel der Liberalen erschöpft sich nicht im Hier und Heute, sondern verlangt weltweit und für alle künftigen Generationen Einsatz", heißt es im Klima-Antrag des Vorstands. Man bekenne sich "ausdrücklich zu dem Ziel aus dem Pariser Abkommen, die Erderwärmung auf maximal zwei, besser 1,5 Grad Celsius, zu begrenzen". Erreicht werden soll das Ziel durch einen verbesserten Emissionshandel, nicht aber durch eine CO₂-Steuer. Solche "nationalen Alleingänge" lehne man ab. Falsch sei auch eine "ideologisch motivierte Klimaschutzpolitik, die zu De-Industrialisierung und Wohlstandsverlusten führt".
FDP:Lindner schlägt Teuteberg als neue Generalsekretärin vor
Linda Teuteberg würde Nicola Beer ablösen, die als Spitzenkandidatin der FDP in die Europawahl am 26. Mai geht. Die Brandenburgerin genießt die Unterstützung des Parteichefs.
Bei den Liberalen gehört offene Kritik am Vorsitzenden derzeit kaum ins Repertoire
Die Debatte über die Klimapolitik ist interessant, weil sie der Partei einen Spagat abverlangt, den Parteichef Christian Lindner zumindest im Vorfeld wenig elegant aufgeführt hat. Die Liberalen wollen die Grünen auf dem Feld ökologischer Politik angreifen, sich dabei aber als gewohnt marktwirtschaftlich und technologieaffin präsentieren. Ganz in diesem Sinne belehrte Lindner die freitäglich schulstreikenden Schüler, von ihnen sei nicht zu erwarten, "dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen". Das sei "eine Sache für Profis".
In der FDP, in der offene Kritik am Vorsitzenden derzeit kaum ins Repertoire gehört, erklärten daraufhin etliche, wie sie es "verstanden haben", was Lindner da gesagt hat. "Wir stehen ja unverrückbar zu den Zielen, zu den Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist beim Klimaschutz, aber wir sind eben technologieoffen, was die Umsetzung angeht", sagte etwa Linda Teuteberg, die auf Wunsch Lindners auf dem Parteitag zur neuen Generalsekretärin gewählt werden soll. Vor allem die Jüngeren in der Partei sind unglücklich über Lindners Wortwahl, formulieren es aber lieber positiv. "Ich freue mich sehr, dass in der FDP eine klare umweltpolitische Profilierung vorgenommen wird", sagt etwa Phil Hackemann, 23 Jahre alter Kandidat der FDP fürs EU-Parlament.
Lindner muss ernsthaften Ärger kaum fürchten, wohl aber wird der Parteitag, auf dem seine Wiederwahl ansteht, für ihn zum Stimmungstest. Mit einem Ergebnis von 91 Prozent beim Parteitag vor zwei Jahren liegt die Latte hoch, allerdings ist Lindners Kurs unangefochten. Die Absage an eine Jamaika-Koalition 2017 ist in der Partei kaum noch ein Thema; die hauptsächlich aus Neulingen bestehende Fraktion im Bundestag führt Lindner mittels seines Vertrauten und Parlamentarischen Geschäftsführers Marco Buschmann straff und zumindest zu dessen Zufriedenheit. Bei einer Fraktionsklausur Anfang des Jahres präsentierte Buschmann Charts mit gestiegenen Kompetenzwerten. Bei der Digitalisierung sei man "Marktführer", bei der Wirtschaft "starke Nummer zwei".
Im Leitantrag für den Parteitag setzt Lindner auf FDP-Klassiker wie die Abschaffung des Solidaritätszuschlages, niedrigere Steuern, Bürokratieabbau und mehr Flexibilität im Arbeitsleben. Ein politisches Signal setzt er eher mit seiner Entscheidung für die ostdeutsche Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg - kurzfristig wegen der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Längerfristig aber, weil Teuteberg sich bisher einen Namen als Migrationspolitikerin gemacht hat. Sie verbinde "auf der einen Seite Empathie und Weltoffenheit und Eintreten für Freisinn und Freiheit mit Konsequenz und Rechtsstaatlichkeit auf der anderen Seite", sagte er. Teuteberg wolle "die politische Mitte" besetzen. Ins Innerparteiliche übersetzt aber stärkt Lindner den konservativeren Flügel.
Mit einer gewissen Spannung wird das Abschneiden der bisherigen Generalsekretärin Nicola Beer erwartet, die für den stellvertretenden Parteivorsitz kandidiert. Um eine Kampfkandidatur zu vermeiden, musste die Amtsinhaberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann das Feld räumen. Das könnte Beer einen Dämpfer bescheren, der sie auch als Spitzenkandidatin bei der Europawahl beschädigt.