Süddeutsche Zeitung

FDP-Chef Christian Lindner:"Wenn wir nicht den Spargel anbauen, dann werden es andere tun"

  • Für Christian Lindner ist die Rede auf dem Parteitag der FDP in Berlin der Versuch, sich erneut als Parteichef zu empfehlen.
  • Er nutzt sie, um die Wirtschafts-, Bildungs- und Klimapolitik der Partei darzustellen.
  • Vor allem aber warnt er eindringlich vor Chinas Wirtschaftspolitik.

Von Markus C. Schulte von Drach

Christian Lindner hat den Delegierten zu Beginn seiner Rede auf dem Parteitag der FDP in Berlin erst einmal vorgeführt, dass er des Chinesischen nicht mächtig ist.

"Die Gesellschaft und die Wirtschaft ändern sich beständig. Wir müssen mit den Zeiten Schritt halten", sagte er auf Chinesisch - sichtlich ohne zu wissen, was die einzelnen Worte tatsächlich bedeuten. Aber gerade um die Schwierigkeiten, die er damit hatte, ging es ihm. Kinder, so sagte er, müssten in Zukunft Chinesisch lernen. Und "diese Sprache ist ein Brocken!". Deshalb müsse alles getan werden, dass es sich für die Chinesen weiter lohne, auch Deutsch und Englisch zu lernen.

Natürlich ist das Sprachproblem nicht der wichtigste Punkt im Verhältnis zwischen China einerseits und Deutschland und Europa andererseits - weshalb Lindner in seiner Rede immer wieder auf die Volksrepublik zu sprechen kommt. Die Weltordnung und die Wirtschaftssysteme änderten sich, so Lindner, frühere Entwicklungsländer seien inzwischen Wettbewerber. Dieser Erfolg der Globalisierung komme besonders China zugute, welches dabei sei, ein globaler Hegemon zu werden, der anderen seine Regeln diktieren wolle.

Für Lindner geht es in seiner Rede darum, sich den Delegierten des dreitätigen Parteitags zur Wiederwahl als Parteichef zu empfehlen. Die Wahl soll am Nachmittag stattfinden, genau wie die eines neuen Präsidiums und Bundesvorstands. Zur Generalsekretärin stellt sich die Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg aus Brandenburg zur Wahl. Sie soll Nicola Beer ablösen, die als Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl antritt.

Die Rede Lindners wurde deshalb mit Spannung erwartet. So gilt er als derjenige, der die FDP wieder in den Bundestag zurückgebracht hat. Allerdings war auch er es, der 2017 die Jamaika-Gespräche auf Bundesebene platzen ließ, so dass letztlich eine große Koalition an die Regierung gekommen ist.

Gerade in der Klimapolitik, die derzeit offenbar viele Menschen bewegt, hatte Lindner zuletzt Sympathien verspielt, als er den Schülerinnen und Schülern, die an den Fridays-for-Future-Protesten teilnehmen, empfahl sich auf die Profis zu verlassen.

Keine Angst vor dem gelben Mann schüren

Bevor er allerdings tatsächlich ausführlich auf die Klimapolitik zu sprechen kam, kam Lindner immer wieder auf China und die Wirtschaftspolitik Pekings zu sprechen. Nicht "Angst vor dem gelben Mann", wolle er schüren, und es ginge ihm auch nicht um ein Plädoyer, sich abzuschotten. "Aber wir müssen aus dem Stadium der Bequemlichkeit aufwachen und endlich wieder Wirtschaftspolitik machen." China sei nicht nur Wettbewerber, sondern auch der wichtigste Handelspartner außerhalb Europas. Statt Peking Investitionen zu erschweren, müsse Deutschland selbst in China investieren. Das Ziel müsse sein, "zu einem freien und fairen Welthandel zurückzukehren".

Wie absurd der Umgang der Deutschen mit ihrer eigenen Wirtschaft ihm erscheint, verdeutlichet Lindner - nicht ganz ernsthaft - ausgerechnet an einem Gemüse. Der Spiegel mache Front gegen den Spargel als "privilegiertes Gemüse" und als dem alten weißen Mann der Kulinarik. Der deutsche Spargelkult müsse enden. Dabei sei Deutschland gar nicht mehr die Spargelnation der Welt. Das sei China. "Wenn wir nicht den Spargel anbauen, dann werden es andere tun", sagt Lindner.

Immer wieder betont Lindner, wie wichtig eine starke Wirtschaft und ihr Wachstum sei. Nicht als Zweck an sich, sondern weil sie die Mittel bereitstelle und die Technologie entwickle, die nötig sind, anderes zu erreichen - etwa die Klimaziele, die Deutschland sich gesteckt hat. Derzeit aber werde in der Wirtschaft sogar wieder über Kurzarbeit nachgedacht, und Dax-Unternehmen kündigten an, dass in den nächsten Jahren hunderttausend Arbeitsplätze abgebaut würden. Gerade das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, die kleinen und mittelständischen Betriebe, würden vernachlässigt, während die Regierung Strategien entwickle, die die Signatur einer Planwirtschaft trügen.

Die deutsche Wirtschaftspolitik würde heute die chinesische kopieren, kritisiert Lindner. Dabei stünde Deutschland mit der Volksrepublik auch in einem Wettbewerb der Systeme - wobei China für staatliche Kontrolle stehe, individuelle Freiheitsrechte, Kreativität und Meinungsfreiheit aber geringgeschätzen würden.

Nie mehr an Bildung sparen

Als besonders wichtig stellt Lindner die Bildungspolitik dar, "die wichtigste Standortaufgabe, die wir in den nächsten Jahren haben". Während aber Bund und Länder bei dieser wichtigsten Aufgabe zusammenwirken könnten, würde Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ausgerechnet im Bereich Bildung und Forschung sparen. "Wir können überall sparen", betont Lindner. "An einer Sache sollten wir allerdings nie mehr sparen, und das ist die Bildung von Kindern und Jugendlichen."

Ausgiebig beschäftigt sich Lindner dann mit der Klimapolitik, die die FDP als einzige Partei nicht staatlich gelenkt, mit Subventionen, Verboten und Eingriffen in die Freiheitsrechte betreiben wolle. Stattdessen will die Partei auf moderne Technologie setzen - und ein Budget für Kohlendioxid. Dann könne jeder sein Recht auf Emissionen kaufen und es würde tatsächlich an der günstigsten Stelle Kohlendioxid eingespart. Forderungen der Grünen oder die der Friday-for-Future-Aktivisten gingen nicht nur zu weit, sondern seien unnötig.

Angesichts der bevorstehenden Europawahl betont Lindner, die Europäische Union sei geradezu die Versicherung für den Wohlstand in Deutschland. Den Brexit müssen die Europäer als Chance nutzen, sich zu besinnen, was Europa etwa für die Rechtstaatlichkeit bedeute.

Die FDP ist vor eineinhalb Jahren in den Bundestag zurückgekehrt und hofft, sich für die Zukunft als möglicher Partner in einer Regierungskoalition profilieren zu können. Dass Lindner sich bei einem möglichen Partner anbiedern möchte, kann ihm nach der Rede aber wohl niemand nachsagen.

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