Ampel-Bündnis:FDP-Parteitag stimmt mit großer Mehrheit für Koalitionsvertrag

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Der künftige Finanzminister Christian Lindner und der künftige Verkehrsminister Volker Wissing beim außerordentlichen Bundesparteitag der FDP. (Foto: ANNEGRET HILSE/REUTERS)

Nach der SPD segnen auch die Liberalen das Ampel-Bündnis ab - mit 92 Prozent. Zuvor hatte Parteichef Lindner vehement dafür geworben.

Als zweite Partei der wahrscheinlichen neuen Ampel-Koalition hat die FDP an diesem Sonntag dem Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen zugestimmt. Am Samstag hatte ein SPD-Parteitag das Papier bereits abgesegnet - nun folgten die Delegierten des weitgehend digitalen außerordentlichen FDP-Bundesparteitags und billigten das 177-Seiten-Papier.

So gab es am Sonntag 535 Ja- und 37 Nein-Stimmen sowie acht Enthaltungen für den Koalitionsvertrag. Die FDP errechnete eine Zustimmung von 92,24 Prozent.

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In seiner Rede hatte zuvor der FDP-Vorsitzende Christian Lindner vehement für den Koalitionsvertrag geworben. "Es ist ein Koalitionsvertrag für eine Politik der Mitte, der unser Land nicht nach links rückt, sondern nach vorne führen will", sagte Lindner bei dem digitalen Parteitag. Wegen der Corona-Pandemie waren am Veranstaltungsort in Berlin im Wesentlichen nur das Partei- und das Tagungspräsidium anwesend.

"Dieses Land wird von dieser Koalition profitieren"

Lindner, der in der Ampel-Koalition Bundesfinanzminister werden soll, hob unter anderem hervor, dass der Vertrag das liberale Bildungs- und Aufstiegsversprechen erneuere. Er stehe für einen gesellschaftspolitischen Aufbruch und ein modernes Einwanderungsrecht, sehe solide Finanzen und eine Digitalisierung von Staat und Gesellschaft vor. "Ich bin überzeugt davon: Dieses Land wird von dieser Koalition profitieren, ein neuer Aufbruch in Deutschland ist möglich", so Lindner.

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Die Zeiten, in denen Christian Lindner die Fantasie für ein Ampel-Bündnis fehlte, sind vorbei. Inzwischen denkt er über die nächsten vier Jahre hinaus. Ein Gespräch über die Koalitionsverhandlungen, eine mögliche Impfpflicht - und Versäumnisse der Union.

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"In diesem Koalitionsvertrag sind viele Projekte und Anliegen der Freien Demokraten enthalten", sagte er. "Ich gehe so weit zu sagen: Bei einer möglichen Jamaika-Konstellation im Jahr 2021 hätte es nicht mehr liberale Politik gegeben, als jetzt in dieser Ampel-Konstellation möglich ist." Erst recht gebe es jetzt mehr liberale Inhalte, als bei den geplatzten Gesprächen über eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen vor vier Jahren möglich gewesen sei.

Vor vier Jahren habe die FDP den Mut gehabt, Nein zu einer Regierungsbeteiligung zu sagen, weil wenig liberale Politik sichtbar gewesen sei. "Und genauso sollten wir jetzt vier Jahre später den Mut haben, Ja zu sagen zu einer Koalition, in der - so ungewöhnlich sie für die Bundesebene sein mag - viel liberale Politik enthalten ist."

Lindner betonte: "Heute können wir sagen: Es ist besser, diese Koalition zu wagen, als auf Gestaltungschancen zu verzichten." Zugleich bat er um "Geduld und Toleranz", wenn die FDP nicht gleich alle ihre Vorhaben umsetzen können sollte und auch im laufenden Regierungshandeln Kompromisse eingehen müsse.

Bettina Stark-Watzinger, die als Bildungsministerin vorgesehen ist, sagte, der Koalitionsvertrag beinhalte nicht nur klare Projekte. "Wir haben Durchbrüche in Bereichen, die jahrelang politisch vernachlässigt wurden."

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Auch der stellvertretende Vorsitzende Johannes Vogel sagte, es sei richtig, jetzt Verantwortung zu übernehmen. "Der Koalitionsvertrag (...) mutet allen etwas zu - auch uns", räumte er ein. Fortschritt aus der Mitte heraus entstehe aber nur, wenn man auch einen Schritt auf andere zugehe. "Und Fortschritt brauchen wir, weil es die letzten Jahre in Deutschland zu viel kleinsten gemeinsamen Nenner, zu viel nur Fahren auf Sicht gab." Bei Megatrends wie der Digitalisierung, der Dekarbonisierung und der Demografie stehe Deutschland deshalb zu schlecht da.

In der Aussprache über den Vertrag gab es praktisch keine Kritik der Delegierten. Diese waren wegen der Corona-Pandemie nur digital zugeschaltet.

98 Prozent Zustimmung bei der SPD

Am Samstag hatten auf einem SPD-Parteitag mehr als 98 Prozent der Delegierten zugestimmt. An diesem Montag wird das Ergebnis der Urabstimmung der Grünen-Mitglieder erwartet. Wenn auch dieses Votum positiv ausfällt, wird der Koalitionsvertrag voraussichtlich am Dienstag offiziell unterzeichnet.

Am Mittwoch will sich dann SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Bundestag zum Nachfolger von Angela Merkel wählen lassen. FDP-Chef Christian Linder soll Finanzminister werden.

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