FDP-Parteitag in Rostock:Rösler verspricht: Ab heute wird die FDP liefern

In seiner Grundsatzrede gibt sich Philipp Rösler kämpferisch: Um aus dem Umfragetief zu kommen, kündigt der neue FDP-Chef einen härteren Kurs gegenüber dem Koalitionspartner an. Zugleich lobt er die schwarz-gelbe Bilanz - es gehe den Deutschen heute besser als zu Zeiten der großen Koalition. Scharf attackiert er die Grünen: Diese würden in kleinen Schritten die Freiheit einschränken und könnten "niemals eine liberale Partei" sein.

Das Wahlergebnis für Philipp Rösler war mit 95 Prozent beeindruckend, nun muss der neue FDP-Chef zeigen, wie er seine verunsicherte Partei aus der Krise führen will. In einer Grundsatzrede auf dem Rostocker Parteitag verteidigte der 38-Jährige die bisherige Regierungsarbeit der schwarz-gelben Koalition. "Den Menschen in Deutschland geht es heute besser als zu Zeiten der großen Koalition", sagte der neue Wirtschaftsminister.

FDP-Bundesparteitag

66 Minuten sprach der neue FDP-Vorsitzende beim Bundesparteitag in Rostock und wurde von den Delegierten mit stehendem Applaus gefeiert.

(Foto: dpa)

Zugleich gab Rösler Fehler zu. Notwendige Projekte seien zu lange zurückgestellt worden. Zum Stand der FDP sagte er, die gegenwärtigen Umfragen seien "ausbaufähig nach oben". Rösler äußerte auch Verständnis für Unmut über die bisherige Regierungsbilanz der FDP. "Die Menschen wollen von uns vor allem Ergebnisse, liberale Ergebnisse", sagte er und versprach: "Liebe Wählerinnen und Wähler: Ab heute wird die FDP liefern."

Der studierte Mediziner sagte, die FDP-Wähler hätten bei der Bundestagswahl 2009 gewollt, dass in Deutschland etwas passiert. "Leider haben wir auch aus Rücksicht auf unseren Koalitionspartner notwendige und dringende Projekte zurückgestellt." Später sei zu viel gestritten worden. Das habe die Menschen enttäuscht. Der neue Chef der Liberalen, der sich explizit bei seinem Vorgänger Guido Westerwelle bedankte, zeigte sich zuversichtlich, dass es seiner Partei gelingen werde, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

"Wir wollen niemals eine grüne Partei sein"

Angriffslustig widmete sich Rösler den Grünen, die in den Umfragen momentan etwa 20 Prozent vor den Liberalen liegen und mit Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg nun sogar einen Ministerpräsidenten stellen. Er warf den Grünen vor, in kleinen Schritten Freiheiten einzuschränken. Als Beispiele nannte er Aktionen gegen den Ansturm von Touristen im Berliner Stadtteil Kreuzberg und den vegetarischen Tag in Bremen, den Rot-Grün in der Hansestadt unterstützt hat. Wörtlich sagte er: "Ich käme nicht im Traum darauf, auch nicht als Arzt, den Menschen vorzuschreiben, was sie essen sollen und was nicht. Mit Freiheit hat das nichts zu tun."

Die FDP werde weiterhin die Freiheit des Einzelnen als zentralen Wert verteidigen. Unter dem Beifall der Delegierten zog Rösler den Schluss: "Die Grünen können niemals eine liberale Partei sein. Und ich füge hinzu: Auch wir wollen niemals eine grüne Partei sein."

Anschließend kritisierte Rösler die dänischen Überlegungen zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Solche Kontrollen seien ein "Relikt aus vergangenen Tagen". Mit Blick auf Äußerungen von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fügte er hinzu: "Dauerhafte Grenzkontrollen sind entgegen der großen europäischen Idee. Wir lassen eine solche Freiheitseinschränkung auch durch unseren Koalitionspartner nicht zu."

"Stimme der Vernunft" in der Energiepolitik

Rösler bekannte sich klar zu einem europafreundlichen Kurs: "Solange ich Bundesvorsitzender bin, gibt es ein klares Bekenntnis der FDP zu dem großen gemeinsamen Projekt zu Europa." Er ging damit auf die parteiinterne Debatte über den Euro sowie rechtspopulistische Tendenzen in anderen EU-Staaten ein.

FDP-Bundesparteitag

In seiner Parteitagsrede streifte Philipp Rösler alle wichtigen Themen.

(Foto: dpa)

Der FDP-Chef sprach sich indirekt auch für den geplanten Euro-Rettungsschirm ESM aus. "Wir müssen jetzt nach vorne sehen", erklärte er. Nötig sei bei den Hilfen aber, dass klare Sanktionsmaßnahmen für jene Euro-Staaten festgelegt würden, die sich nicht an Stabilitätskriterien hielten. Erforderlich seien auch klare Bedingungen für die Hilfe im Notfall. Entscheidend sei für die Liberalen, dass das Parlament das "letzte Wort" bei der Vergabe von Steuergeld für andere Staaten habe, erklärte Rösler.

"Es darf für Liberale keine Tabus geben"

Ausdrücklich betonte Rösler vor der Europa-Debatte auf dem Parteitag jedoch, dass die Diskussion offen geführt werden müsse. "Es darf für Liberale keine Tabus geben." Hintergrund ist der Antrag etlicher Delegierter um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler, wonach der ESM abgelehnt werden soll. Ohne eine offene Debatte, die die Ängste der Bürger aufnehme, werde sich ansonsten auch in Deutschland eine populistische Partei entwickeln.

Eine Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze sei für die FDP nur befristet möglich. "Wir können Sicherheitsgesetze nicht einfach pauschal verlängern", betonte der Bundeswirtschaftsminister. Jedes Instrument müsse auf seine Notwendigkeit hin überprüft werden. Er betonte: "Nicht jeder Zweck heiligt alle Mittel."

Nach Röslers Worten werden die Themen Datenschutz oder Datensicherheit künftig eine immer größere Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Die FDP werde bei der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit sowie bei der Einhaltung der Bürgerrechte in der digitalen Welt gebraucht.

In der Debatte um die Energiewende, die das Geschehen im politischen Berlin in den nächsten Wochen dominieren wird, sieht Rösler die Freien Demokraten als "Stimme der Vernunft". Er bekräftigte das grundsätzliche Ziel der FDP, aus der Atomenergie auszusteigen, warnte aber vor einem "Überbietungswettbewerb des Ausstiegs". Die Abkehr von der Kernenergie müsse umweltverträglich sein, die Sicherheit der Energieversorgung müsse garantiert und bezahlbare Energie gesichert sein.

Zudem möchte Rösler seine liberale Partei nach anderthalb Jahren an der Regierung inhaltlich breiter aufstellen. Die FDP müsse sich künftig wieder mehr an den "Alltagssorgen der ganz normalen Menschen in Deutschland" ausrichten, versprach der Bundeswirtschaftsminister. Als Beispiel nannte er eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Menschen fühlten, dass sich politische Debatten fast nie um diese Sorgen drehten, weshalb diese nach Beobachtung Röslers "oft so enttäuscht von der Politik" seien.

Auf das Lieblingsthema der Liberalen will Rösler jedoch nicht verzichten: Er wirbt für baldige Steuersenkungen. Dank der guten wirtschaftlichen Lage würden die Spielräume derzeit dafür größer. Er rief aus: "Wir sind dazu bereit, wir warten hier nur auf unseren Koalitionspartner." Dies heiße aber nicht, dass die FDP "nur abwarte".

Das Thema Steuersenkungen habe die Liberalen nach der Bundestagswahl 2009 Glaubwürdigkeit gekostet. Womöglich habe die FDP damals nicht erkannt, dass die wirtschaftliche Lage nicht die nötigen Spielräume dafür biete. Zumindest habe sie diesen Eindruck vermittelt, sagte der neue Vorsitzende. Wichtig sei der richtige Zeitpunkt für Steuersenkungen. "Umgekehrt muss man dann auch erkennen, wenn aufgrund der wirtschaftliche Lage die Spielräume größer werden - so wie jetzt", sagte Rösler.

Die 66 Minuten lange Rede, die pünktlich auf die Minute um 11 Uhr begann, wurden von den etwa 660 Delegierten sehr positiv aufgenommen. Neun Minuten lang spendeten sie ihm Beifall - Röslers Vorgänger Guido Westerwelle war am Vortag nach seiner Abschiedsrede nur sieben Minuten beklatscht worden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: