FDP-Parteitag 2015:Neue Farbe - alte Querulanten

  • Die FDP feiert auf ihrem Parteitag in Berlin ihre Wahlerfolge in Hamburg und Bremen.
  • Nach dem großen Crash von 2013 hat der Vorsitzende Lindner die Partei konsolidiert. Auf dem Parteitag beschwört er den Zusammenhalt der neuen FDP.
  • Die neue FDP ist noch ein fragiles Gebilde. Einige Redner beschweren sich über zu wenig Partizipationsmöglichkeiten in der neuen FDP, die sich als Mitmachpartei versteht.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Sie sind fast alle noch da. Von Vattenfall über die privaten Krankenversicherungen bis zum Zigarettenhersteller Philip Morris. Manche mögen die FDP schon abgeschrieben haben. Diese Sponsoren offenbar nicht. In der Eventhalle "Station" am Berliner U-Bahnhof Gleisdreieck füllen sie immerhin die halbe Vorhalle dieses Parteitages. Nicht schlecht für eine Partei in der APO, der außerparlamentarischen Opposition.

Die FDP will ja jetzt ganz neu sein. "Freie Demokraten" steht jetzt in Gelb auf hellblauem Grund. Und klein darunter "FDP" auf einem Magenta-Balken. Die ganze Optik wirkt, als würde ein junges Start-up seinen Börsengang verkünden wollen. Motto: "German Mut."

Ein bisschen ist diese FDP ein Start-up. Die alte FDP von Guido Westerwelle, Rainer Brüderle und Philipp Rösler hat die Bundestagwahl 2013 krachend verloren.

Die neue FDP mit Partei- und NRW-Fraktionschef Christian Linder will jetzt (fast) alles anderes machen. Neuer Look, neues Feeling. Eine Mitmach-Partei soll die FDP sein. Irgendwo zwischen den "chaotischen Piraten" und der AfD, die offenbar "das Führerprinzip" wieder einführen wolle, wie Lindner in seiner Rede sagt.

Manches bleibt eben

Vieles ist einfach wie immer. Birgit Homburger, die frühere Fraktionschefin und für manche Teil des FDP-Problems, jagt durch die Gänge. Cornelia Pieper, unter Westerwelle Generalsekretärin, ist da, in einem gewohnt auffälligen Outfit (diesmal ganz in Schwarz-Weiß). Auch Rainer Brüderle und Dirk Niebel werden gesichtet. Als dann noch der legendäre Rudolf Rentschler seinen Auftritt hat, ist es fast schon wieder ein Gefühl von Heimat. Ja, das ist die FDP. Trotz der neuen Farben - manches bleibt eben.

Es ist schon richtig: Nach dem großen Crash von 2013 hat Lindner die Partei konsolidiert. Sie kommt mit weniger Geld aus, hat ihre Mitglieder stärker als bisher eingebunden und in Bremen die Seiteneinsteigerin Lencke Steiner zur Spitzenkandidatin gemacht. Ihr ist es gelungen, Optimismus zu versprühen, die Wahlen in Hamburg und - überraschend - in Bremen zu gewinnen. Der Anfang ist gemacht.

Das ist wohl auch geglückt, weil sich Lindner nicht hat verführen lassen, die FDP rechts von der Union zu positionieren. "Wir sind nicht einen Zentimeter den Eurohassern nachgelaufen", sagt er unter dem Applaus der Delegierten. Er hat sich auch nicht an die Pegida-Bewegung gehängt und ist nicht zu einem Putin-Versteher geworden. Lindner sagt das so: Die Partei hätte auch "in dunkelster Stunde nie die innere Liberalität einem schellen Applaus geopfert". Diese Standhaftigkeit hat sich bisher ausgezahlt - auch für Lindner. Der wird auf dem Parteitag mit 92 Prozent der Stimmen wiedergewählt. 2013 hatte er nur 79 Prozent erreicht.

Dennoch ist die FDP im Jahr 2015 noch ein fragiles Gebilde. Zwei gewonnene Wahlen in Stadtstaaten machen noch keinen Aufschwung. Und wie sich die FDP künftig inhaltlich positionieren will, ob sie wieder ihr von vielen als kalt empfundenes Gesicht zeigen will, ist noch nicht ausgemacht. Parteivize Wolfgang Kubicki jedenfalls wettert wie eh und je gegen den Mindestlohn.

Lindner spart solche Themen in seinem ersten Auftritt auf dem Parteitag aus. Ihm geht es vor allem um den inneren Zusammenhalt der Partei. Holger Zastrow, dem sächsischen Dauerquerulanten, weist er milde aber nachhaltig in seine Schranken. Der hatte 2014 einen Landtagswahlwahlkampf in Opposition zur Bundespartei geführt. Die totale Abgrenzung. Erfolg hatte er damit nicht. Seine FDP flog aus Regierung und Parlament.

Er freue sich, dass Zastrow wieder für das Präsidium kandidieren wolle, lobt Lindner. Dann die Breitseite: "Wenn wir versuchen alleine zu arbeiten, dann haben wir keinen Erfolg." Sein "Willkommen zurück, Holger, willkommen liebe sächsische Freunde", klingt dann nicht mehr so nett, wie es womöglich gemeint war.

Lindner will das Tempo erhöhen

Realistisch ist seine Einschätzung, was die Wahlerfolge angeht. Sie sind notwendig, aber machen den Liberalen das Leben auch nicht leichter. "Mit jedem weiteren Erfolg, den wir uns erkämpfen, wachsen die Widerstände." Der Grund: "Wenn uns das Comeback gelingt, verändert das die Machtarithmetik in Berlin." Das auch. Aber die FDP wird auch wieder stärker beobachtet werden. In der Partei ist längst nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, wie es Lindner gerne hätte. Einige Redner beschweren sich, dass sie nicht gehört werden in der neuen Mitmach-Partei, dass bestimmte Landesvorsitzende und Kandidaten von Lindner nicht erwähnt wurden. Kleinkram mit Sprenggefahr.

"Wer einen von uns Freien Demokraten angreift, der bekommt es mit allen Freien Demokraten zu tun", sagt Lindner. Ein Delegierter sagt am Rednerpult, er hoffe, dass dies auch für solche Liberale gelte, die eine andere Meinung als die von Lindner haben.

Solche Debatten dürfen nicht ausufern, wenn die Partei weiter Erfolg haben will. "Lasst uns mit diesem Parteitag nicht die Richtung ändern, sondern das Tempo erhöhen", sagt Lindner am Ende nach 50 Minuten Redezeit. Sicher richtig. Aber höheres Tempo erhöht immer auch die Unfallgefahr.

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