Süddeutsche Zeitung

FDP:Wir sind auch noch da

Vor dem digitalen Bundesparteitag am Freitag betont die FDP ihren Regierungsanspruch. Das Selbstbewusstsein der Liberalen wird durch die Umfragen gestützt, ihre Lage ist trotzdem alles andere als unkompliziert.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es ist in den vergangenen Wochen viel darüber spekuliert worden, ob und wie sich die Union vom Machtkampf um die Kanzlerkandidatur erholen kann. Ob der Höhenflug der Grünen Annalena Baerbock wirklich ins Kanzleramt befördern könnte. Und ob die SPD ihren Niedergang doch noch stoppen kann. Wenn die FDP sich an diesem Freitag zu ihrem digitalen Bundesparteitag versammelt, nimmt sie sich drei Tage Zeit, um klarzumachen: Von alledem mag der Ausgang der Bundestagswahl und die Gestalt der künftigen Koalition abhängen. Aber wir sind auch noch da.

Sie wollten "so stark werden, dass keine seriöse Bundesregierung ohne die Freien Demokraten gebildet werden kann", proklamieren die Liberalen im Wahlprogramm, das sie am Wochenende beschließen wollen. Das strategische Ziel der FDP ist es, eine schwarz-grüne oder grün-rot-rote Mehrheit zu verhindern - um dann für eine Jamaika-Koalition oder gar eine Ampel-Konstellation mit Grünen und SPD gefragt zu sein. Das klingt selbstbewusst, wird aber durchaus gestützt durch die Umfragen. Die FDP hat sich oberhalb der Zehn-Prozent-Marke stabilisiert, mit Tendenz nach oben.

Vorherrschende Stimmung: gut gelaunter Optimismus

Auf den ersten Blick ist die Ausgangslage von Parteichef Christian Lindner also komfortabel. Wurde die FDP noch vor wenig mehr als einem Jahr von Selbstzweifeln geplagt, ist die vorherrschende Stimmung mittlerweile gut gelaunter Optimismus. Mit ihrer zumindest bei potenziellen Wählern erfolgreichen regierungskritischen Linie in der Corona-Pandemie ist es der FDP gelungen, fast alles vergessen zu machen, was sich vorher zu einer bedrohlichen Krise summiert hatte: der Ärger eines Teils der Wähler über das Jamaika-Aus, die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten und ein Parteichef, der mitunter Schwierigkeiten zu haben schien, den richtigen Ton zu treffen.

Wenn Lindner an diesem Freitag seine Rede hält, werden die Delegierten an den Bildschirmen einen Vorsitzenden erleben, der sich seiner wiedergewonnen Stärke bewusst ist - aber vermutlich auch einer Lage, die für die Partei zwar derzeit gut, aber auch alles andere als unkompliziert ist. Die FDP muss glaubhaft machen, dass sie diesmal wirklich regieren will, obwohl doch das Nichtregieren richtig gewesen sein soll. Sie muss ihren Anspruch der Eigenständigkeit verteidigen gegen den Verdacht, im Zweifel CDU-Chef Armin Laschet zum Kanzler machen zu wollen. Sie muss sowohl jene bei Laune halten, die wollen, dass die FDP mal wieder mitregiert - als auch jene, die von ihr die reine liberale Lehre erwarten.

"Innovationen statt Verbote" beim Klimaschutz

Im Programmentwurf setzt die FDP dabei nicht zuletzt auf ihre klassischen Themen. Sie fordert die "Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien" und macht sich stark für die "Leistungsträger". Die Abgabenquote sei unter Kanzlerin Angela Merkel auf 41,4 Prozent gestiegen, beklagen sie. "Wir Freie Demokraten wollen diesen Irrweg verlassen, denn die Leistungsträger unseres Landes dürfen nicht durch immer höhere Abgaben daran gehindert werden, unseren Wohlstand zu sichern", heißt es im Entwurf. Den Spitzensteuersatz will die FDP schrittweise verschieben mit dem Ziel, dass dieser erst ab einem Einkommen von 90 000 Euro greift.

Wie zentral das Thema Steuern für die FDP ist, hat Parteichef Lindner klargemacht, indem er Steuererhöhungen zum bislang einzigen Ausschlusskriterium für eine Regierungsbeteiligung gemacht hat. Im Wahlkampf will sich die FDP vor allem aber auch als moderne "Stimme des Fortschritts und der Freiheit" empfehlen und dabei auf das multiple Versagen in der Corona-Krise etwa wegen des Rückstands bei der Digitalisierung verweisen. Der Staat müsse umfassend modernisiert werden, "damit wir endlich im 21. Jahrhundert ankommen". Beim Klimaschutz setzt die FDP auf den Emissionshandel und auf "Innovationen statt Verbote".

Personell dürfte der Parteitag wie später auch der Wahlkampf von einer Person geprägt werden: Christian Lindner. In den vergangenen Jahren hatte sich der Vorsitzende immer wieder gegen den Vorwurf gewehrt, er inszeniere eine One-Man-Show. So sollte zunächst die Brandenburgerin Linda Teuteberg als Generalsekretärin die Vielfalt der Partei demonstrieren. Sie erfüllte aus Linders Sicht diese Aufgabe aber nicht und wurde von ihm vergangenes Jahr durch Volker Wissing ersetzt, der tatsächlich mittlerweile zu den präsenteren Gesichtern der Partei gehört. So eine Rolle strebt nun auch der Sozialpolitiker Johannes Vogel an, der sich um einen der Posten als Linders Vize bewirbt. "Parteien", sagt Vogel, "sind dann erfolgreich, wenn sie im Team arbeiten."

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