FDP nach Westerwelle:Rösler - Favorit mit Folgen

Philipp Rösler ist der aussichtsreichste Kandidat auf die Nachfolge von Guido Westerwelle als FDP-Vorsitzender. Doch fällt die Wahl auf ihn, müssten wohl andere liberale Spitzenpolitiker ihre Posten räumen. Ist das die Chance für eine etablierte Außenseiterin?

Oliver Das Gupta

Es geht um Posten in Partei und Regierung, es geht um Proporz und Ausgangspositionen für spätere Aufstiege und für manche geht es schlichtweg um die politische Existenz: Guido Westerwelles Rückzug setzt eine Kettenreaktion in Gang, die nicht so verhuscht daherkommen dürfte, wie die Revolte gegen den FDP-Chef.

So kurios es klingen mag: Derzeit reißt sich kein Freidemokrat darum, den Bundesvorsitz zu übernehmen. Aber durch Westerwelles Abgang drohen der ohnehin stark lädierten Partei schmerzhafte Grabenkämpfe. Egal, wer in den Chefsessel rutscht - es wird Verlierer geben, und so ist keiner der liberalen Diadochen gewillt, sich freiwillig zu fügen. Im Mittelpunkt stehen Westerwelles Ziehsöhne Philipp Rösler, Daniel Bahr und Christian Lindner auf der einen Seite, und ältere Liberale aus dem Südwesten.

Vieles deutet auf einen Parteichef Philipp Rösler hin. Der Tagesspiegel meldet bereits, der Niedersachse habe das Rennen gemacht. Für den Gesundheitsminister spricht, dass er unter den jungen Kandidaten die meiste Erfahrung aufweist. In der niedersächsischen Landespolitik bewährte er sich als Fraktionschef und Wirtschaftsminister, außerdem führt er den Landesverband und steht dem Gesundheitsministerium vor. Genau da liegt der Knackpunkt: Rösler, so munkelt man, sei nur bereit den Vorsitz zu übernehmen, wenn er vom schwierigen Gesundheitsministerium ins populärere Wirtschaftsressort wechseln könnte. Bliebe er Gesundheitsminister, wäre er am Kabinettstisch ein schwacher FDP-Obmann - eingeklemmt zwischen dem inzwischen relativ beliebten Wirtschaftsminister Brüderle und dem Alt-Parteiboss und Außenminister Westerwelle. Deshalb ist es aus Röslers Sicht nur stimmig, neben der Vize-Kanzlerschaft auch Brüderles Posten zu reklamieren.

Das hätte den Vorteil, dass Röslers Staatssekretär Bahr wohl zum Minister aufsteigen würde. Opfer dieser Rochade wäre der amtierende Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der hat nach der Wahlniederlage in Rheinland-Pfalz den Rückzug vom Landesvorsitz bekanntgegeben, aber klargemacht, dass er weder seinen Posten im Bundeskabinett, noch als stellvertretender Parteivorsitzender räumen würde: "Blutig" müsse man es machen, wenn man ihn "entsorgen" wolle, soll Brüderle gedroht haben. Brüderle hat nichts zu verlieren: Mit 65 Jahren wäre seine politische Karriere jäh beendet.

Bei der Variante Rösler stünde neben ihm und Bahr die Aufwertung von Generalsekretär Christian Lindner an. Lindner scheut bislang den Griff nach dem Vorsitz. Mit seinen 32 Jahren hat seine politische Karriere gerade erst an Fahrt gewonnen. Ein so rasanter Aufstieg in dieser schwierigen Phase könnte das Supertalent schnell abstürzen lassen. Parteifreunden gilt er als "Juwel", seine analytischen Fähigkeiten und rhetorische Brillanz ist unbestritten.

Kandidatin mit Außenseiterchancen

Lindner wäre schon jetzt eine schlagkräftige Alternative zu Birgit Homburger, der Chefin der Bundestagsfraktion. Seit langem herrscht Unmut unter den Abgeordneten über Homburger. Als Fraktionschef könnte Lindner die Kanzlerin antreiben, die wankende Regierung rhetorisch stützen - und sich nebenher medienwirksam profilieren.

Wie Brüderle hat auch die Baden-Württembergerin Homburger klargemacht, dass sie nicht freiwillig weichen wird. Beide Liberale wissen große Teile der Landesverbände hinter sich, die sich als Opfer des Westerwelle-Kurses fühlen: In Rheinland-Pfalz flog die FDP aus dem Landtag, in Baden-Württemberg aus der Regierung. Beide Verbände empfinden sich als Teil der liberalen Heimstatt und so ist der Machtkampf um Westerwelles Nachfolge auch ein Ringen zwischen Traditionalisten und Reformern.

Furcht vor den personellen Kollateralschäden

Überdies wäre beim Aufstiegsszenario des Jungmänner-Trios Rösler-Lindner-Bahr der Regionalproporz erheblich verschoben: Lindner zählt ebenso zum von Bahr geführten nordrhein-westfälischen Landesverband wie Westerwelle.

Die Furcht vor den personellen Kollateralschäden bei einer Kür Röslers oder Lindners ist die Chance der Außenseiterkandidatin Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers. Wäre die Justizministerin Parteichefin, könnten Brüderle und Homburger wohl am ehesten vorerst auf ihren Posten bleiben. Der bayerischen FDP-Chefin wird zugebilligt, über die Parteigrenzen hinaus glaubwürdig zu wirken, zudem ist sie gegenüber Kanzlerin Angela Merkel wie CSU-Chef Horst Seehofer satisfaktionsfähig - sowohl beim "netten" Rösler, als auch bei "Bambi" Lindner sind sich selbst wohlmeinende FDP-Parteivorstände nicht so sicher.

Gegen Leutheusser-Schnarrenberger sprach bislang immer, dass sie als letzte prominente Vertreterin des einstigen linken Bürgerrechtsflügels von den Wirtschaftsliberalen niemals akzeptiert werden würde. Als nach den vergeigten Landtagswahlen in der vergangenen Woche auch Brüderles wie Homburgers Posten wackelten - von einer angeblichen Absprache Westerwelles mit dem Trio war gar die Rede -, sprang die Justizministerin ihrem angeschlagenen Kabinettskollegen Brüderle in der Präsidiumssitzung bei. Manche werten dies als Zeichen.

Westerwelle selbst hat seine Präferenz bereits angedeutet. Er sprach bei seiner Rückzugserklärung von einem "Generationswechsel", dem er nicht im Wege stehen wolle. Leutheusser-Schnarrenberger kann er nicht gemeint haben - sie ist 59.

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