Süddeutsche Zeitung

FDP nach der NRW-Wahl:Röslers Bambus versus Brüderles Eiche

Nach Lindners Sieg in NRW steigt der Druck auf FDP-Chef Rösler. Selbst Freunde sehen seine Schwächen und fragen sich, ob er sie in den Griff bekommt. Sich schön im Wind wiegen wird jedenfalls bei den Liberalen nicht mehr als Tugend wahrgenommen. Manche würden sich freuen, wenn er spätestens Anfang 2013 den Notausgang nehmen würde. Ein gute Gelegenheit gäbe es.

Thorsten Denkler, Berlin

Wahlsieger Wolfgang Kubicki ist an diesem Montagmorgen noch mal extra vor die Tür gekommen, um Christian Lindner zu empfangen. Lindner muss noch ein paar Sätze in die Kameras sagen, bevor es in die Präsidiumssitzung geht. Dass es jetzt nicht an ihm sei, der Bundesebene Ratschläge zu geben, dass sein Platz jetzt in Düsseldorf sei. Was man halt so sagen muss am Tag nach dem Triumph. Dann läuft er mit einem breiten Lächeln auf Kubicki zu, sie nehmen sich in die Arme, klopfen sich auf die Schultern und gehen Arm in Arm in den großen Konferenzsaal im Thomas-Dehler-Haus, wo sie mit großem Applaus begrüßt werden.

Kubicki und Linder. Das neue Traumgespann der FDP. Sie haben es allen gezeigt. Ihre Botschaft: Die richtigen Leute am richtigen Platz, dann kann auch die FDP Wahlen gewinnen. Schon vor den Wahlen war eines klar: Gehen Kubicki und Lindner baden, hat Parteichef Philipp Rösler ein Problem. Gewinnen Kubicki und Lindner überzeugend, hat Rösler ein Problem. Wie es aussieht, ein gewaltiges.

Vor allem die Wahl in Nordrhein-Westfalen muss auf Rösler wie ein Tiefschlag wirken. Alle Parameter zeigen: Die FDP wird von den Wählern inhaltlich als leere Hülle wahrgenommen. Die Kompetenzwerte auf klassischen FDP-Feldern wie Wirtschaft, Steuern, Finanzen und Haushalt ähneln denen einer Verliererpartei.

Da kann Lindner noch so sehr darauf bestehen, es ginge nicht um seine Person, wie er es auch im Interview mit der SZ gemacht hat. Bei dieser Wahl ging es ausschließlich um seine Person.

Eine erschreckende Erkenntnis für alle, die einen Blick auf den Parteivorsitzenden Rösler wagen. Der soll die FDP 2013 in die Bundestagswahl führen. Mehr als acht Prozent haben Lindner in NRW und Kubicki in Schleswig-Holstein geholt. Im Bund aber schafft es Rösler nicht, die FDP über die fünf Prozent in den Umfragen zu hieven. Seine Sympathiewerte sind ähnlich im Keller wie weiland die von Guido Westerwelle.

Eher peinlich als souverän wirkte seine langanhaltende Freude über den angeblichen Coup, Joachim Gauck gegen Kanzlerin Merkel als Bundespräsidenten durchgedrückt zu haben. Entsetzt verfolgten selbst seine politischen Freunde, wie er auf dem Parteitag in Karlsruhe plötzlich versuchte, den Westerwelle zu geben. Manche fragen sich, ob er nicht ein oder zwei Gewichtsklassen zu hoch boxt.

Rösler fehlt neben der nötigen Statur ein überzeugendes inhaltliches Angebot. Seit dem Dreikönigstreffen in Stuttgart geht Rösler mit seiner Wachstums-Rhetorik hausieren. Nur will die ihm keiner abkaufen. Lindner und Kubicki jedenfalls meiden das Wort wo es geht. Röslers Nein zu einer Auffanggesellschaft für die Schlecker-Mitarbeiterinnen hat ihm unter den Wirtschaftsradikalen in der Partei Applaus gebracht. Aber zugleich das Bild von der kaltherzigen FDP verfestigt.

Hinwerfen will er nicht. "Der Bambus wiegt sich im Wind und biegt sich im Sturm", hat er mal gesagt. "Aber er bricht nicht."

Am Wochenende hat Fraktionschef Rainer Brüderle auf dem hessischen Landesparteitag durchblicken lassen, was er von so einem Rösler hält, der sich im Wind wiegt wie ein Bambus: Gar nichts. "Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche", polterte er. Deswegen sei "die Eiche hier heimisch und nicht das Bambusrohr."

Wenn Rösler das nicht als Misstrauensbeweis wertet, dann sollte er seine politischen Sensoren überprüfen. Zumal Brüderles Name seit Wochen immer wieder genannt wird, wenn es um eine Ablösung Röslers geht.

Die Frage, die sich in der Partei alle stellen: Hat Rösler das Zeug, die FDP 2013 wieder in den Bundestag zu führen? Die Antwort selbst wohlmeinender lautet: "Nur, wenn ..." Also: Wenn seine Beliebtheitswerte steigen, wenn er die Partei inhaltlich überzeugend positioniert, wenn er die FDP-Spitze zu einem Team zusammenschweißt, wenn er die Partei wieder in Umfragen sicher über fünf Prozent bekommt.

Ziemlich viele "Wenns" für ein ziemlich kurzes Zeitfenster. In 16 Monaten ist Bundestagswahl. Bis Herbst muss Rösler zeigen, dass er und die Partei auf einem guten Weg sind. Schafft er das nicht, dann räumt er seinen Posten entweder freiwillig. Oder es kommt zum offenen Putsch. Selbst wenn er den politisch überleben sollte, die schwerste Hürde wartet mit der Landtagswahl in seinem Heimatland Niedersachen Anfang 2013.

Ein Spitzenkandidat vom Schlage Kubickis oder Lindners ist dort nicht in Sicht. Die prominentesten Niedersachen unter den Liberalen sind Rösler und sein Generalsekretär Patrick Döring. Verpasst die FDP den Einzug in den Landtag, dann muss sofort gehandelt werden. Es irrt, wer gedacht hat, Rösler bekäme nach Erfolgen in NRW und Schleswig-Holstein eine Verschnaufpause.

Manche in der Parteispitze spielen mit einer völlig neuen Option: Rösler könne ja auch gleich Spitzenkandidat der Niedersachsen-FDP werden. Politisch könnte ihm das durchaus helfen. In Niedersachen hat Rösler viele Freunde und eine breite Basis. Er genießt ähnlich viel Anerkennung wie Lindner in NRW. Seine Chance, die FDP dort vor dem Absturz zu retten, wäre höher, als die jedes anderen Spitzendkandidaten.

Menschlich würde ihm der Schritt zurück sicher guttun. In Hannover kennt er sich aus, da ist er zu Hause, Frau und Kinder sind in der Nähe. Es wäre bei genauerem Hinsehen eine wunderbare Gelegenheit, sich gesichtswahrend aus der Bundespolitik zu verabschieden. Mal sehen, ob er das noch rechtzeitig erkennt.

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