FDP nach der Europawahl:Im Sog des Misstrauens

Europawahl 2014 in Deutschland - FDP

Bislang kein Heilsbringer: FDP-Chef Christian Lindner

(Foto: dpa)

Die FDP-Führung um Christian Lindner setzt auf Abwarten. Die Europawahl aber zeigt: Das reicht nicht. Auf ihre Stammwähler alleine kann sich die Partei nicht verlassen. Entweder sie erfindet sich neu. Oder sie versinkt in der Bedeutungslosigkeit.

Eine Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

"Danke für Ihr Vertrauen", steht in weißer Schrift auf Magenta-Grund auf der Kampagnen-Seite der FDP zur Europawahl. Das ist üblich nach einer Wahl. Die Partei, der Spitzenkandidat, sie danken den Wählern. Wenn es mit der FDP aber so weitergeht, dann können ihre Spitzenleute bald jedem Wähler einzeln die Hand schütteln.

Auf knapp mehr als drei Prozent hat es die einst so stolze Europapartei FDP diesmal gebracht. Das sind nochmal fast zwei Prozentpunkte weniger als zur Bundestagswahl. Vom Absturz gegenüber der Europawahl 2009 ganz zu schweigen.

Es lag sehr wahrscheinlich nicht am Spitzenkandidaten Alexander Graf Lambsdorff. Der Neffe des weitaus bekannteren Otto Graf Lambsdorff hat wenig falsch gemacht in diesem Wahlkampf. Es war einerseits mutig, ihn und nicht einen der anderen Spitzenleute aus der Partei auf die Plakate zu kleben. Andererseits hat Parteichef Christian Lindner gut daran getan, auf diese Weise die Wahl für die FDP als ein solitäres Ereignis erscheinen zu lassen.

Tatsächlich hat die FDP die Europawahl schon mit der Bundestagswahl verloren. Mit 4,8 Prozent sind die Liberalen zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus dem Bundestag geflogen. Es war kaum zu erwarten, dass sie sich wie ein Phönix aus der Asche emporschwingen. Dennoch, eines ist bemerkenswert: Eine liberale Kraft wird seit der Bundestagwahl durchaus vermisst im Bundestag. Aber eben nicht die FDP. Die FDP ist gefangen im Sog des Misstrauens.

Das liegt vor allem daran, dass den Neuen in der Partei nicht zugetraut wird, wiedergutzumachen, was die Alten zerstört haben. Zumal die so alt gar nicht waren. Philipp Rösler, Jahrgang 1973, war ein geradezu jugendlicher Parteichef. Guido Westerwelle, Jahrgang 1961, ist mit knapp über 50 Jahren in den politischen Ruhestand geschickt worden. Nur Rainer Brüderle ist mit heute 68 Jahren eher das, was manche einen Mann von gestern nennen würden.

Verständnis, obwohl nichts durchgesetzt wurde?

Alle diese Männer haben es nicht geschafft, das Vertrauen, welches die FDP bereits kurz nach dem Rekordsieg bei der Bundestagswahl 2009 eingebüßt hat, wiederzugewinnen. Westerwelle hat Steuersenkungen für alle versprochen. Das hat ihm 2009 14,6 Prozent der Stimmen eingebracht. Die allermeisten dieser Wähler hat die FDP danach derart maßlos enttäuscht, dass sie heute lieber CDU, AfD oder gar nicht mehr wählen. Erkennbare Steuersenkungen jedenfalls hat es nicht gegeben.

Dass nach einer Wahl nicht alles umgesetzt wird, was eine Partei vor der Wahl versprochen hat, daran haben sich viele gewöhnt. Das gehört zu einer Demokratie, in der immer Kompromisse gemacht werden müssen. Aber gar nichts durchsetzen? Da hört das Verständnis auf.

Die FDP muss sich neu erfinden

Diese Enttäuschung sitzt tief. So tief, dass es wohl mehr braucht, als die Spitze der Partei auszuwechseln. Das war schon so, als Westerwelle gestürzt wurde. Und ist jetzt nicht anders.

Die FDP müsse nicht neu erfunden werden, lautete das Credo vieler Liberaler. Das stimmt offenbar nicht. Die Partei muss sich neu erfinden, will sie das Fernziel erreichen, 2017 wieder in den Bundestag einzuziehen. Sie braucht Inhalte, die die Menschen berühren. Die etwas mit ihrem Leben zu tun haben. Der ständige, geradezu schrille Ruf nach Freiheit muss dagegen in einer immer freieren Gesellschaft verhallen.

Die FDP hat zudem den Eindruck vermittelt, in ihr versammelten sich nur jene, die ihre persönliche Freiheit auch auf Kosten anderer entfalten wollen. Lauter Egomanen und Ichlinge. Parteichef Lindner mag da anders gestrickt sein. Aber auch ihm gelingt es nicht, das Bild zu korrigieren.

Kein Konzept

Noch gibt es außer Abwarten und Geduld haben kein erkennbares Konzept, wie er und seine neue Generalsekretärin Nicola Beer die Partei wieder attraktiv machen wollen für liberal gesinnte Wähler. Auf ihre Stammwähler alleine können sie sich nicht verlassen. Die würden zwar auch FDP wählen, wenn die Partei gar nicht zur Wahl stünde. Aber es sind höchstens drei Prozent der Wähler. Die FDP hat diesmal sogar Glück gehabt, dass die Wahlbeteiligung nicht noch höher ausgefallen ist.

Die FDP muss sich also öffnen für neue Wählerschichten. Diejenigen nämlich, die allein auf ihren Steuervorteil achten, wird sie so schnell nicht wiederbekommen. Wahrscheinlich muss die FDP irgendwie grüner und europakritischer werden. Dabei aber stets grundsätzlich europafreundlich bleiben. Kein einfaches Unterfangen.

Ende August und Mitte September stehen drei Landtagswahlen an. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Die FDP hat alle Chancen ins außerparlamentarische Nirwana zu stürzen. Abwarten und Geduld haben scheint jedenfalls keine gute Strategie zu sein, dieses Schicksal abzuwenden.

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