FDP-Mitgliedervotum zum ESM:Der Letzte macht das Licht aus

Mit seiner verfrühten Prognose über den Ausgang des Mitgliederentscheids hat FDP-Parteichef Rösler die Liberalen stärker mobilisiert als mit allen inhaltlichen Appellen zuvor - doch dies ist mehr ein Unfall als ein Erfolg. Warum es unabhängig vom Ergebnis der Abstimmung zappenduster für die FDP aussieht.

Peter Blechschmidt

Die Frage des Quorums stellt sich eigentlich nicht mehr. Wie es aussieht, hat sich mehr als ein Drittel der FDP-Mitglieder am Entscheid über den Euro-Rettungsschirm beteiligt. Allerdings fehlte in gut zehn Prozent der Wahlbriefe der Nachweis der Mitgliedschaft; diese Stimmen werden mithin als nicht abgegeben bewertet. Rein formal würde also die Drittel-Hürde, die dem Ergebnis der Befragung die Qualität eines Parteitagsbeschlusses verleihen würde, verfehlt. Aber spielt das noch eine Rolle?

Kabinett

Der Letzte macht das Licht aus: Der Schatten von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler zeichnet sich an der Wand eines Sitzungssaals ab. Wie geht es für die Liberalen nach dem Mitgliederentscheid weiter?

(Foto: dapd)

Am Nachmittag dieses Freitags wird das Ergebnis vorliegen. Nach dem Aufstand, den Parteichef Philipp Rösler mit seiner Prophezeiung vom vergangenen Wochenende ausgelöst hat, das Quorum werde nicht erreicht, wird sich bei diesem knappen Ausgang niemand mehr ernsthaft auf die formale Position der Parteisatzung zurückziehen können. Bei einer Mehrheit für den Antrag des Bundesvorstands, der sich für den geplanten Rettungsschirm ESM ausspricht, wird Rösler dies als Bestätigung seines Kurses für sich in Anspruch nehmen. Wie aber soll er dann eine eventuelle Mehrheit für die ESM-Gegner um den Euro-Rebellen Frank Schäffler ignorieren können?

Im Vorfeld der Entscheidung argumentiert das Rösler-Lager, auch eine Mehrheit für Schäffler im Mitgliederentscheid bleibe, bezogen auf die Gesamtpartei, eine Minderheit. Das Argument hat eine ähnliche Qualität wie die Unterscheidung zwischen einem Privatkredit und einer Geschäftsbeziehung. Bei jeder Abstimmung zählt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, nicht die Mehrheit der Wahlberechtigten.

Die Freiheit des Mandats

Fraktionschef Rainer Brüderle hat längst klargemacht, dass er und viele andere Abgeordnete ein Votum des Mitgliederentscheids gegen den ESM bei der Abstimmung im Parlament missachten wollen. Er beruft sich auf die Freiheit des Mandats. Jeder Abgeordnete würde riskieren, bei der nächsten Kandidatenaufstellung dafür die Quittung zu bekommen. Bis dahin aber könnte er weitermachen. Das kann Rösler nicht. Er gehört dem Bundestag nicht an, er ist der Partei verpflichtet. Wenn die Partei einen Kurs verlangt, den der Vorsitzende glaubt nicht vertreten zu können, muss er zurücktreten.

Zweifelhaft ist aber, ob dann ein Brüderle den Vorsitz übernehmen könnte. Schließlich ist er ja ebenso klar wie Rösler für den ESM positioniert. Die Frage müsste auf einem Sonderparteitag geklärt werden. Das aber heißt, der Konflikt um die Euro-Rettung würde die Partei weiter bis zum Zerreißen beschäftigen. Ganz abgesehen davon, drängt sich - allen Spekulationen zum Trotz - Brüderle keineswegs danach, der Not- und vielleicht sogar der letzte Vorsitzende einer Regierungspartei FDP zu werden.

Eines jedenfalls hat Rösler mit seiner verfrühten Prognose über den Ausgang des Entscheids erreicht: Er hat die Mitglieder stärker mobilisiert als mit allen inhaltlichen Appellen zuvor. Dies aber ist mehr ein Unfall als ein Erfolg.

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