FDP-Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung:Nur noch Verlierer

Der Mitgliederentscheid hätte eine Chance für die FDP und für ihren Chef Philipp Rösler sein können - wenn dieser gekämpft hätte. Stattdessen machte der Wirtschaftsminister Abwarten zu einer Tugend. Indem er nun vorzeitig den Mitgliederentscheid für gescheitert erklärt und sich als Sieger darstellt, zeigt Rösler einmal mehr, dass ihn sein Amt überfordert.

Thorsten Denkler, Berlin

Dafür, dass es um die Zukunft der Partei geht, hat ihr Vorsitzender die Ruhe ganz schön weg. In mehr als 200 Rededuellen haben sich die Finanzexperten der FDP mit Euro-Rebell Frank Schäffler gemessen, der den Mitgliederentscheid gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM initiiert hat. Selbst Hermann Otto Solms, den 71-jährigen FDP-Steuerpapst, haben sie auf zwölf Veranstaltungen geschickt. Nur der junge, vorgeblich so agile Parteichef Philipp Rösler vermochte es nicht, öfter als zwei Mal in den Ring zu steigen. Als hätte er Angst, seine reine Weste zu beschmutzen.

Rösler ist einfach abgetaucht. Er hat anderen die Drecksarbeit überlassen. Nur um drei Tage vor Ende der Abstimmungsfrist an diesem Dienstag vorzeitig das Scheitern des Entscheides vorherzusagen. Das wirkt nicht souverän. Das wirkt schlicht überfordert. Rösler hätte es besser dabei belassen sollen, einfach weiter nichts zu tun.

Von Beginn an hat die Parteispitze der FDP den Mitgliederentscheid torpediert. Dass sie inhaltlich die Position von Schäffler nicht teilt, ist nachvollziehbar. Sie hat aber nicht sehen wollen, dass auch eine Chance in diesem Entscheid steckt. Die Chance zu einem Comeback der FDP.

Die Basis darf über eine Kernfrage der Euro-Rettungspolitik entschieden. Keine andere Partei hat so viel Basisnähe zugelassen in dieser wichtigen Frage. Dieser Mitgliederentscheid hätte ein Vorbild für die Parteiendemokratie sein können. Mit allen Konsequenzen. Er hätte zeigen können, dass es in der Politik auf Inhalte ankommt. Dass das bessere Argument obsiegt. Rösler hätte seine Kritiker Lügen strafen können, wenn er sich mit aller Macht in die Auseinandersetzung geworfen und am Ende gewonnen hätte.

Rösler aber traut seinen Mitgliedern offenbar nicht. Statt auf Argumente setzte er lieber auf organisatorische Tricks. Die Parteiführung hat aus einem einfachen Mitgliederentscheid ein bürokratisches Monstrum gemacht. Es ging nicht um Inhalte, sondern um Machterhalt.

Unangemessenes Siegesgeheul

Da werden die Wahlunterlagen in der parteieigenen Mitgliederzeitschrift versteckt, die Tausende Liberale ungelesen in den Papierkorb geworfen haben dürften, während sie weiter auf ihre Wahlunterlagen gewartet haben. Im Sonderheft zum Mitgliederentscheid selbst findet sich der Wahlzettel ganz hinten auf der vorletzten Seite. Die für die Stimmabgabe notwendige schriftliche Versicherung, FDP-Mitglied zu sein, steht hingegen schon auf der zweiten Seite.

Warum, mögen sich manche Mitglieder da denken, warum sollen sie ihrem Parteichef vertrauen, wenn der ihnen nicht traut?

Wenn am Ende von derzeit knapp 20.000 eingegangenen Stimmen etwa 3000 nicht mitgerechnet werden können, wie Medien berichten, dann lässt sich damit entweder ein eklatantes Versagen der Parteiführung festmachen. Oder ein perfider Plan ist aufgegangen, mit dem Ziel, den Mitgliederentscheid scheitern zu lassen.

Der Vorwurf, die Abstimmung bewusst komplex gestaltet zu haben, um möglichst viele ungültige Stimmen zu produzieren, wiegt schwer. Er wird aber nicht gerade entkräftet durch das Siegesgeheul, dass Rösler derzeit anstimmt. Rösler leitet aus dem Scheitern des Quorums einen Sieg in der Sache ab.

Geradezu höhnisch klingt es, wenn der Parteichef erklärt, die jüngsten EU-Gipfel-Beschlüsse zum ESM würden auch die letzten Skeptiker überzeugen. Dabei ist darin nicht mal mehr eine Beteiligung der privaten Gläubiger vorgesehen, was noch Tage zuvor zu den Kernanliegen der deutschen Liberalen gehört hatte.

Wer ist der "David Cameron der FDP"?

Der Vorwurf entkräftet sich auch nicht dadurch, dass in den vergangenen Wochen die komplette Parteispitze dem Umstand besonders herausgestellt hat, dass die FDP-Bundestagsfraktion sich nicht an den Mitgliederentscheid gebunden fühlen müsse. Die Botschaft war eindeutig: Liebe Basis-Mitglieder, macht was ihr wollt. Die Bundestagsfraktion macht es auch.

Regionalkonferenz der FDP

Der FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat den Mitgliederentscheid zum Euro-Stabilitätsmechanismus ESM vorab für gescheitert erklärt. Dabei können die Liberalen noch bis zum Dienstag abstimmen.

(Foto: dpa)

Die Parteispitze hat den Entscheid schon zu einer harmlosen Befragung degradiert, bevor klar war, wie es um das Quorum steht. Generalsekretär Christian Lindner glaubt sogar, es sich jetzt leisten zu können, Schäffler der Lächerlichkeit preiszugeben und ihn als "David Cameron der FDP" bezeichnen zu müssen. Der britische Regierungschef hat sich mit seinem harten Nein zu den EU-Gipfelbeschlüssen gerade selbst in Abseits gefegt.

Rösler und seine Leute irren, wenn sie meinen, damit sei die Sache ausgestanden. Wenn sie es nicht noch verhindern, werden an diesem Freitag die Stimmen ausgezählt. Sollte sich dann - unabhängig vom Quorum - eine klare Mehrheit für Schäffler und gegen den Euro-Rettungsschirm ESM aussprechen, dürft die Frage neu gestellt werden, wer genau der David Cameron der FDP ist. Schäffler dann eher nicht. Das kann von der Parteispitze nicht einfach ignoriert werden.

Frank Schäffler mag mit seiner Skepsis gegenüber der Euro-Rettung völlig falsch liegen. Stark gemacht aber haben ihn erst Rösler, Lindner und all die anderen Strategen aus der Chefetage der Partei. Es ist völlig in Ordnung, wenn ein David mal gegen Goliath verliert. Wenn aber Goliath auch noch zu unfairen Mitteln greift, dann macht er David noch stärker.

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