Süddeutsche Zeitung

FDP: Metzner als Maulwurf enttarnt:Aus dem Karussell geflogen

"Man muss sich Gehör verschaffen": Helmut Metzner war schon als junger Liberaler äußerst umtriebig - das konnte er als Büroleiter von Guido Westerwelle nicht ablegen. Der Umgang der FDP mit dem enttarnten Maulwurf passt zum Zustand der Partei.

Michael König

"Man muss sich auch Gehör verschaffen", schreibt Helmut Metzner in seinem Blog. Er habe dies durch "unkonventionelle Aktionen" versucht. Schon auf dem Kinderspielplatz sei er politisch gewesen: Er habe sich gegen die Zwänge der Physik wehren wollen und "flog befördert durch die Zentrifugalkraft aus dem Kinderkarussell". Dabei, gesteht Metzner, "bin ich auf den Kopf gefallen. Und hatte einen leichten Dachschaden, der aber mit sieben Stichen behoben werden konnte".

Als Erwachsener war Metzner erfolgreicher. Er machte Karriere bei der FDP, war Büroleiter des Parteichefs Guido Westerwelle. Bis am Donnerstag bekannt wurde, dass sich Metzner auf unlautere Weise Gehör verschafft hatte - bei der US-Botschaft.

"Geradezu lächerlich"

Metzner wurde gefeuert, er soll sich "anderen Aufgaben" widmen. Er ist der Maulwurf, der "junge, aufstrebende Parteigänger", der dem US-Botschafter in Berlin, Philip Murphy, haufenweise Parteiinterna zukommen ließ. So steht es in einer US-Depesche, die von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurde. Seitdem gibt die FDP ein äußerst konfuses Bild ab.

So bestritt Entwicklungsminister Dirk Niebel zunächst, dass es einen Informanten gab. Er halte den Vorwurf für "geradezu lächerlich". Im Umfeld von Parteichef Guido Westerwelle wurde die Theorie verbreitet, der Außenminister habe selbst dafür gesorgt, dass die Interna die US-Botschaft erreichen. So habe Westerwelle die USA von seiner Amerikafreundlichkeit überzeugen wollen.

Aus Parteikreisen verlautete, Metzner habe nie mit US-Botschafter Philip Murphy selbst gesprochen, sondern nur "auf Arbeitsebene" Kontakt mit einem Mitarbeiter der Botschaft gehabt. Niebel wies daraufhin, dass Metzner lediglich harmlose Details ausgeplaudert habe: "Er hat zum Beispiel verraten, dass wir für den Abzug der letzten amerikanischen Atomwaffen sind. Das steht übrigens auch im Wahlprogramm", sagte Niebel im ZDF-Morgenmagazin. Auch die schon bekannte Liste der Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen gab Metzner weiter.

Fahndung mit Nachdruck

Niebels demonstrative Gelassenheit stand jedoch im Gegensatz dazu, was hinter den Kulissen passierte. Im Führungskreis der Partei entstand die Idee, von allen leitenden Mitarbeitern eine eidesstattliche Erklärung zu verlangen. Das sei schnell wieder verworfen worden, um das Betriebsklima im Thomas-Dehler-Haus nicht allzu sehr zu belasten. Allein der Vorschlag zeigt jedoch, mit welchem Druck nach dem Verräter gesucht wurde.

Letztlich offenbarte sich Metzner selbst. Er stand auf der Liste der Mitarbeiter, die bei den Koalitionsverhandlungen in der NRW-Landesvertretung Protokoll geführt hatten. Das waren nicht allzu viele - früher oder später wäre Metzner enttarnt worden.

Rechtliche Schritte will die FDP gegen ihn nicht einleiten, mit der Entbindung Metzners von seinen Aufgaben - neben der Büroleiter-Stelle war er auch für die Abteilung Internationale Beziehungen zuständig - hätte die Angelegenheit für die FDP beendet sein können. Eine Pressemitteilung, ein Rüffel vom Chef, die Versetzung auf ein anderes, weniger bedeutsames Pöstchen - so sind schon Delinquenten mit weit größeren Verfehlungen abgestraft worden.

Statt aber souverän einen Schlussstrich zu ziehen, feuert die FDP-Spitze die Debatte weiter an. Ihr Verhalten in der Maulwurf-Causa ist allzu widersprüchlich.

So sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle in der ZDF-Sendung Maybrit Illner, der Vorgang um Metzner sei "ernst", deshalb hätte Westerwelle die Konsequenz gezogen und Metzner von seiner Aufgabe entbunden.

Sein Kabinettskollege Niebel sagte derweil in der Rhein-Neckar-Zeitung, Metzners Vorgehen sei "ganz normales tägliches Geschäft" in der Politik. Von einem Maulwurf könne keine Rede sein. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hans-Michael Goldmann forderte die US-Regierung derweil auf, den amerikanischen Botschafter abzuberufen: "Das Verhalten von Herrn Murphy ist ungehörig! So ein Botschafter muss nach Hause geholt werden."

Der kleine Agentenführer

Angesichts dieses Schlingerkurses erscheint es wie ein Treppenwitz, dass Metzner im Wahljahr 2009 Chef der Abteilung "Strategie und Kampagne" war. Schon damals zeigte sich, dass der 41-Jährige den Job im Schatten der Großkopferten nur bedingt befriedigend empfand.

Als die taz im September 2009 auf die Idee kam, im Wahlkampf die Parteistrategen und Gegnerbeobachter der Parteien zu porträtieren, stieß sie auf großen Widerstand. In Berlin spricht niemand gerne über den Job der Wahlkampf-Spione, am wenigsten die Spione selbst. Nur bei der FDP war es anders.

Metzner empfing den Reporter in seinem Büro im Thomas-Dehler-Haus, hielt ihm einen Aktenordner vor die Nase und führte ihn in der Wahlkampfzentrale herum. In der taz hieß es später: "Metzner trägt eine kauzige gelbe Fliege und wieselt durchs Zimmer." Und: "In der Welt der Nachrichtendienste wäre er vermutlich ein kleiner Agentenführer."

"Wer gackert, muss auch Eier legen"

Bei der FDP beeilte man sich nach Metzners Demission, den Agentenführer verschwinden zu lassen. Sein Porträt auf der Parteiwebsite wurde kurzerhand gelöscht. Dass Metzner als Lebensmotto dort "Wer gackert, muss auch Eier legen" angegeben hatte, erschien der Partei rückblickend wohl unpassend. Auch Metzners Job-Beschreibung ("Für Vertrauen und Mut zur Freiheit in Verantwortung werben") hat durch die Wikileaks-Affäre einen faden Beigeschmack bekommen.

Dass Metzner dennoch nicht von ganz der Bildfläche verschwand, passt zu seinen Ruf. Sein Blog www.muntermachermetzner.de ist weiterhin auffindbar. Dort ist zu erfahren, dass Metzner beim Christopher Street Day 2001 in Berlin in einem Hasenkostüm umherlief, um Wahlkampf für die FDP zu machen.

Als Jungliberaler in Bayern - 1988 trat er der FDP-Nachwuchsorganisation bei, sieben Jahre später war er stellvertretender Landesvorsitzender - demonstrierte er 1998 gegen drohende Steuererhöhungen der rot-grünen Bundesregierung: mit einem Ritterspiel. Die Handlung sei schnell erzählt, schreibt Metzner: "Ein rot-grüner (Steuer-)Drache wird durch einen blau-gelb gerüsteten Ritter erlegt."

Transatlantiker mit Rechtsdrall

Seinen Facebook-Empfehlungen zufolge betrachtet sich Metzner als Transatlantiker mit Rechtsdrall. Er unterstützt die "European Tea Party" und schrieb über Obamas Wahlkampfauftritt 2008 in Berlin: "Tout Berlin bot dem Heilsbringer aus dem gelobten Land die Kulisse für seine Ansprache an die amerikanischen Wähler. Kritik war nicht erwünscht." Zu Obamas Rede heißt es: "Tatsächlich würde man es keinem deutschen Politiker durchgehen lassen, so viele Überschriften ohne Konkretisierung vorzutragen."

Solch bittere Töne sind allerdings selten. Meist kommt Metzner nicht ohne Witzeleien aus. Etwa beim Thema Stuttgart 21: "Wenn Stuttgart seinen Kopfbahnhof verlieren soll, verstehen viele Stuttgarter nur noch Bahnhof und verlieren den Kopf."

Zu seinen Hobbys zählt Metzner "Extreme-Couching" - extremes Sofasitzen. Und auch vor Reimen schreckt er nicht zurück. In einem Gedicht aus dem Dezember 2009 heißt es: "Für Freiheit, Bildung, Bürgerschutz! Bewahr uns Gott vor Schund und Schmutz."

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