FDP: Meinungsumschwung:Lindner wackelt - Merkel murrt

Umschwung in der Steuersenkungspartei? FDP-Generalsekretär Lindner rückt von der umstrittenen Hotel-Steuer ab. Kanzlerin Merkel will jedoch daran festhalten - und warnt vor neuem Krach in der Koalition.

Es war der erste Sündenfall der FDP. Die Partei geriet in schweres Fahrwasser und konnte sich seitdem nicht mehr daraus befreien: Der Entschluss zusammen mit der Union die Mehrwertsteuer für Hotels von 19 Prozent auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent zu senken, stieß Anfang des Jahres vor allem in der Bevölkerung, aber auch in den eigenen Reihen auf großes Unverständnis. Der Vorwurf der Klientelpolitik wurde laut, vor allem weil Guido Westerwelles FDP die milliardenschwere Steuerentlastung federführend und mit großer Anstrengung durchgeboxt hatte. Mit dem Vorwurf kämpfen die Liberalen bis heute.

Lindner bewertet Hotel-Steuer als Fehler

Der Entschluss von Union und FDP, die Mehrwertsteuer für die Hotelbranche zu senken, war heftig umstritten. FDP-Generalsekretär Christian Lindner bewertet jetzt die Hotel-Steuer als Fehler - und fordert eine Reform des gesamten Umsatzsteuersystems.

(Foto: dpa)

Und tatsächlich macht die FDP, die laut neuesten Umfragen nicht einmal mehr fünf Prozent der Wählerstimmen erreichen würde, jetzt offenbar einen Rückzieher. In der Debatte um eine Reform der reduzierten Mehrwertsteuersätze ist der FDP-Generalsekretär Christian Lindner von der umstrittenen Hotel-Steuer abgerückt. "Man hätte aus meiner heutigen Sicht diesen Satz nicht vorab senken sollen, sondern auf die große Reform warten müssen", sagte Lindner am Dienstag im Deutschlandfunk. Es sei der Eindruck entstanden, dass eine Art Sonderregelung geschaffen werde. Lindner drängte stattdessen auf eine Gesamtreform der Mehrwertsteuer. Der "ordnungspolitische Kompass der Koalition" habe hier nicht richtig funktioniert.

Auf die Frage, ob die Hoteliers-Umsatzsteuer wieder auf den regulären Satz von 19 Prozent angehoben wird, sagte Lindner, das gesamte Umsatzsteuersystem müsse auf den Prüfstand. Es müsse einfacher und widerspruchsfrei werden. "Wir müssen das dadurch korrigieren, dass der Bundesfinanzminister rasch die ohnehin verabredete Kommission zur Überprüfung der Umsatzsteuer einsetzt." Bei der Prüfung gebe es keine Ausnahmen. Lindner forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, rasch die "ohnehin verabredete Kommission zur Durchsicht der Umsatzsteuersätze" einzusetzen.

Eine Liste sorgt für Streit

Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte davor, die geringere Hotel-Steuer wieder aufzuheben. Sie warf Generalsekretär Lindner in der Sitzung des Koalitionsausschusses vor, neue Unruhe in die Kalition zu tragen. "Ich dachte, wir wollten hier etwas ruhiger werden, und dann muss ich in der Früh so etwas hören", wurde die Kanzlerin von Teilnehmern der Runde zitiert. Sie jedenfalls halte sich an den Koalitionsvertrag. Als Lindner sich verteidigte, habe die Kanzlerin erwidert: "Zur Beruhigung trägt das jedenfalls nicht bei."

Auch die CSU ist nicht begeistert. "Wie verabredet wird die Koalition im Herbst darüber beraten, wie ein Fahrplan für eine Strukturreform bei der Mehrwertsteuer aussehen könnte", erklärte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Bis dahin sind alle inhaltlichen Debatten verfrüht und sinnlos." Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon wies darauf hin, "dass unterschiedliche Mehrwertsteuersätze in Europa zu Wettbewerbsverzerrungen führen." Die Koalition werde jedoch den kompletten Katalog der ermäßigten Mehrwertssteuersätze überprüfen und "gegebenenfalls nicht mehr nachvollziehbare Belastungsentscheidungen des Systems korrigieren".

Der Bundesrechnungshof hatte in einem am Montag veröffentlichten Sonderbericht angemahnt, die zahlreichen Ermäßigungen zu überprüfen und nicht mehr zeitgemäße Ausnahmeregelungen abzuschaffen. Die komplizierte Liste der mit nur sieben Prozent Mehrwertsteuer belasteten Dienstleistungen und Produkte sorgt immer wieder für Streit. Der Staat lässt sich das System der ermäßigten Steuersätze rund 20 Milliarden Euro pro Jahr kosten - allein der vor allem auf Betreiben von FDP und CSU eingeführte reduzierte Mehrwertsteuersatz für Hotel- Übernachtungen kostet pro Jahr rund eine Milliarde Euro.

Alles muss auf den Prüfstand

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Otto Fricke, kündigte eine ergebnisoffene Debatte an. "Die Regierungskommission bekommt den Auftrag, alle ermäßigten Mehrwertsteuertatbestände auf den Prüfstand zu stellen", sagte Fricke der Rheinischen Post. "Ihr sollten keine Tabus auferlegt werden, sonst würde ihre Arbeit keinen Sinn machen", betonte Fricke. Union und FDP müssten im Zuge der Reform auch den Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Hotel-Übernachtungen auf den Prüfstand stellen.

Generalsekretär Lindner äußerte sich insgesamt kritisch über den Kurs der Bundesregierung und seiner Partei nach der Bundestagswahl. "Wir haben uns sehr gebunden gefühlt an unsere Wahlzusagen, das ist auch ein Wert in einer Demokratie. Aber bei einem geänderten Umfeld muss eine Regierungspartei ihre Prioritäten überdenken. Da waren wir nicht schnell genug", räumte Lindner ein.

In einer zweitägigen Klausurtagung hatte die FDP-Spitze am Sonntag und Montag in Berlin nach Wegen aus ihrer Krise gesucht. Mit einem neuen Anlauf soll der Umfragen-Sinkflug gestoppt werden. Die FDP will nicht nur Steuerpartei sein, sondern auch Bildungs- und Bürgerrechtsfragen stärker betonen. Außenminister Guido Westerwelle soll Parteichef bleiben, aber in dieser Funktion mehr Unterstützung aus der erweiterten Parteiführung bekommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: