FDP:Mann mit Köpfchen

Landtagswahl in Thüringen

„Eine Glatze, die in Geschichte aufgepasst hat“: So wirbt FDP-Spitzenmann Thomas Kemmrich für sich.

(Foto: Robert Michael/dpa)

Wie Thüringens FDP-Chef seiner Partei neuen Schwung gab - neben allen wahlmathematischen Kalkulationen. An erster Stelle hat Thomas Kemmrich dabei auf eine klare Abgrenzung der FDP von der AfD gesetzt.

Von Cornelius Pollmer

Am Anfang des Wahlkampfs, sagt Thomas Kemmerich, sei das Interesse an ihm und seiner Partei sehr gering gewesen. Zwei wesentliche Gründe gibt es, warum sich das in den vergangenen Wochen dann doch deutlich geändert hat. Der erste war die steigende strategische Bedeutung der FDP. In den Kalkulationen der Demoskopen spielten die Liberalen wahlweise eine Rolle als möglicher Mehrheitsbeschaffer für ein "Simbabwe"-Bündnis zusammen mit SPD und Grünen unter Führung der CDU. Oder aber sie schienen ein wahlmathematischer Rettungsanker für die rot-rot-grüne Regierung von Bodo Ramelow werden zu können, die ihre knappe Mehrheit womöglich würde halten können, wenn die FDP es knapp nicht in den Landtag schaffen würde. In genau diesen Landtag aber ist sie nun eingezogen.

Der zweite Grund für das gestiegene Interesse an der Partei besteht in der Person Kemmerich selbst, da er es in alter FDP-Tradition versteht, nicht nur mit politischen Ansagen, sondern auch mit optischen und anderen Auffälligkeiten auf sich aufmerksam zu machen. Davon hat der 54-Jährige, der seit 2017 für die FDP im Bundestag sitzt, wahrlich eine ganze Menge anzubieten, vom Kopf bis zum beschuhten Fuß. Kemmerich ist häufiger in schwarzen Cowboystiefeln zu sehen, der Spitzenkandidat zeigte sich damit auch im Wahlkampf. Auf seinem Haupt wiederum trägt er keine Haare. Kemmerich zeigte auf einigen Wahlplakaten trotzdem selbstbewusst seinen Hinterkopf, daneben war die Zeile zu lesen: "Endlich eine Glatze, die in Geschichte aufgepasst hat."

Mit diesem Spruch konnte er seine Partei auch von der Erwartung befreien, in Thüringen als eine Art AfD light zu agieren. Dieses Label lehne er ab, sagt Kemmerich. Jedoch sei die FDP "Rechtsstaatspartei wie kaum jemand anders, der Bürger muss sich da, wo wir den Staat brauchen, wirklich auf ihn verlassen können". Während die AfD völkisch und autokratisch sei, wolle er für eine optimistische und das Individuum betonende Politik einstehen.

Um solche Ideen zu untermauern, wirbt Kemmerich oft mit seiner eigenen Biografie. Fragt man ihn nach drängenden Problemen Thüringens wie dem Unterrichtsausfall oder Verwerfungen in der Zuliefererindustrie für Automobilhersteller, sagt er: "Ich bin Vater von sechs Kindern und ich bin Unternehmer." Tatsächlich kam Thomas Kemmerich im November 1989 nach seinem Jurastudium aus Nordrhein-Westfalen nach Thüringen, er heiratete eine Thüringerin und baute aus einem ruinierten DDR-Handwerksbetrieb eine kleine Friseurkette auf. Später nahm er sich der Traditionsmarke Uhrenwerk Weimar an, einer von zwei Geschäftsführern ist er dort noch heute.

Kemmrichs Verhältnis zum FDP-Vorsitzenden Lindner gilt als eher kritisch

Kemmerich sagt, er sei schon immer ein politisch interessierter Mensch gewesen, ein Parteibuch allerdings habe er nie annehmen wollen. Er änderte seine Meinung mit 41 Jahren. Im Jahr 2006, erzählt er, waren in allen sechs kreisfreien Städten Thüringens SPD-Oberbürgermeister gewählt worden. Kemmerich hatte sich zuvor schon geärgert, weil es im Bund 2005 nicht zu einer schwarz-gelben Koalition gekommen war. Da erinnerte er sich an einen Satz seines alten Geschichtslehrers: Man muss mitmachen. Kemmerich stieg schnell auf und zog für die Liberalen 2009 über Platz drei der Landesliste ins Parlament ein und wurde dort Sprecher für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Das Scheitern seiner Kandidatur für das Amt des Erfurter Oberbürgermeisters warf Kemmerich in dem kleinen Landesverband der FDP nicht wesentlich zurück, 2015 wurde er dessen Vorsitzender. Vor zwei Jahren schließlich zog Thomas Kemmerich für seine Partei in den Bundestag ein, er hat vor dem Wahltag in Erfurt angekündigt, im Falle eines Einzugs der FDP dieses Mandat niederlegen zu wollen. Interessant wird vor diesem Hintergrund, wie sich das Verhältnis von Kemmerich zum Vorsitzenden der Bundespartei, Christian Lindner, entwickeln wird. Ihn scheint Kemmerich durchaus kritisch zu sehen.

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