FDP: Machtkampf entschieden:Gruppenbild ohne Dame

Die Männer haben gewonnen: Rösler wechselt ins Wirtschaftsressort, Bahr wird Gesundheitsminister, Brüderle übernimmt den Fraktionsvorsitz. Was sich die Führungsfiguren der FDP in den vergangenen Tagen geliefert haben, glich einem Pokerspiel. Birgit Homburger bekommt nur einen Trostpreis.

Peter Blechschmidt, Berlin

Eine Birgit Homburger schiebt man nicht so einfach aufs Abstellgleis. Die beiden jungen Männer, die am Montagabend in vertrauter Runde beisammensaßen und ihren Coup sichtlich genossen, hatten sich zu früh gefreut. Nach einem langen Tag mit vielen Gesprächen wähnten sich der designierte FDP-Vorsitzende Philipp Rösler und sein Generalsekretär Christian Lindner sicher, ihr Personalproblem an der Spitze der Bundestagsfraktion gelöst zu haben. Homburger würde bei der vorgezogenen Neuwahl des Fraktionsvorstands am folgenden Tag auf eine neue Kandidatur verzichten, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle werde als einziger Bewerber antreten und seinen Ministersessel für Rösler frei machen.

FDP - Führungsspitze

Die neue Führungsspitze der FDP: Daniel Bahr (von links) wird Gesundheitsminister, Philipp Rösler wechselt ins Wirtschaftsressort und Rainer Brüderle übernimmt den Fraktionsvorsitz.

(Foto: dpa)

Doch Rösler und Lindner hatten die Rechnung ohne die resolute Baden-Württembergerin gemacht. Nichts sei entschieden, widersprach Homburger. Unmissverständlich forderte sie eine Kompensation, wenn sie auf den Fraktionsvorsitz verzichten solle. Würde es für sie keine gesichtswahrende Lösung geben, dann werde sie auch gegen den Willen des künftigen Parteichefs wieder antreten. Sie wolle am Ende nicht als das alleinige Opfer der Führungskrise in der FDP auf der Strecke bleiben.

Genügend Kampfesmut für einen solchen Alleingang hat Homburger; das weiß auch das jugendliche Trio, das sich anschickt, die FDP zu übernehmen. Unter Rösler als Vorsitzendem und neben Lindner, der nach dem Willen Röslers Generalsekretär bleiben soll, wollte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Daniel Bahr auf dem Bundesparteitag am Freitag in Rostock stellvertretender Bundesvorsitzender werden. Mit dem Wechsel von Brüderle auf den Fraktionsvorsitz macht dieser das Wirtschaftsministerium für Rösler frei, dem sein bisheriges Amt als Gesundheitsminister zu unpopulär erscheint, als dass es mit dem Parteivorsitz und der Vizekanzlerschaft vereinbar wäre. Somit kann Bahr im Gesundheitsministerium, wo er bisher Parlamentarischer Staatssekretär ist, Rösler beerben.

Das war das Personalgeflecht, welches die Youngster sich zurechtgesponnen hatten. Dass Bahr dem altgedienten Vizeparteichef Brüderle in Rostock mit einer Kampfkandidatur um den Stellvertreterposten drohte, dass auch Bahr zeitweilig als Fraktionschef ins Spiel gebracht wurde - all dies muss im Nachhinein als Manöver gesehen werden, um Druck auf Brüderle auszuüben. Denn der hatte mit dem Amt des Bundeswirtschaftsministers eigentlich seinen Traumjob erreicht. Warum sollte er sich mit seinen bald 66 Jahren noch auf einen kräfteverschleißenden Posten wie den Fraktionsvorsitz einlassen?

Da musste schon kräftig nachgeholfen werden. Letztlich gab das Argument den Ausschlag, dass es um das Wohl der Partei gehe und der designierte Vorsitzende nicht schon vor dem Amtsantritt beschädigt werden dürfe, weil er sich mit seinen Personalvorstellungen nicht durchsetzen könne. Ein angenehmer Nebeneffekt dabei war, dass der Fraktionschef dem Parteipräsidium qua Amt angehört, Brüderle also auf seinen Vizeposten verzichten kann und somit eine Kampfkandidatur auf dem Parteitag entsprechend dem Wunsch Röslers vermieden wurde. Einzige Bedingung des Ministers aus Mainz: Er werde nicht gegen Homburger kandidieren, mit der ihn eine lange Zusammenarbeit verbindet.

Für Homburger aber war in diesem Konstrukt kein Platz mehr. Die 46-Jährige aus Konstanz am Bodensee hatte sich den Fraktionsvorsitz mindestens genauso ersehnt wie Brüderle das Wirtschaftsministerium. Doch nach der Bildung der schwarz-gelben Koalition im Herbst 2009 dauerte es nicht lange, bis Genörgel an ihrer Amtsführung einsetzte. Man lobte ihre Durchsetzungskraft und ihre Fähigkeit, sich schnell in Themen einzuarbeiten. Doch genauso schnell fand man ihre Außenwirkung ungenügend: Ihre Reden seien zu platt, ihre Stimme zu schrill, ihr schwäbischer Dialekt zu ausgeprägt.

Homburgers letzter Triumph

Als die FDP bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März mit einem halbierten Wahlergebnis aus der Regierung flog, schien das Schicksal der Landesvorsitzenden Homburger besiegelt zu sein. Als Parteichef Guido Westerwelle in Folge der desaströsen Landtagswahlergebnisse dieses Frühjahrs zum Amtsverzicht gedrängt wurde, konnte Homburger nicht bleiben. Eine Galgenfrist ergatterte sie sich, indem sie sich am vergangenen Wochenende zur Wiederwahl stellte. Die Abstimmung gewann sie denkbar knapp im zweiten Durchgang.

Darauf hatten Rösler und seine Getreuen nur gewartet. Schon einen Tag später setzte Rösler durch, dass die Fraktion die Neuwahl ihres Vorstands auf den Dienstag dieser Woche vorzog. Erklärtes Ziel: Homburger sollte weg. Den ganzen Montag über wuchs der Druck auf sie. Das schlechte Abschneiden in ihrem Landesverband, das Wohl der Partei, das Ansehen des designierten Vorsitzenden - alles musste herhalten, um Homburger zum Verzicht zu bewegen. Man drohte ihr sogar, sie bei einer Kandidatur allein antreten und durchfallen zu lassen. Dann werde sie eben in einen zweiten Wahlgang gehen, gab Homburger trotzig zurück.

So trieb sie den Preis für ihren Rückzug in die Höhe. Am Ende bot Rösler ihr an, erste stellvertretende Parteivorsitzende zu werden und im Koalitionsausschuss von Union und FDP weiter mitreden zu dürfen. Als letzten Triumph durfte sie notieren, dass Rösler selbst sie als seine erste Stellvertreterin vorschlagen will; würde sie nicht gewählt, wäre dies auch eine Niederlage für Rösler. Da fällt es schon nicht mehr ins Gewicht, dass Bahr auf eine Kandidatur zum Parteivize verzichtet.

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