FDP:Kubicki: "Ich bin der Schalk"

Fortsetzung der Sondierungsgespräche

Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki im Bundestag

(Foto: dpa)

Großspurig und stolz darauf: In den Sondierungsgesprächen gibt Wolfgang Kubicki die Provokation in Person - und genießt die Spekulationen, er könnte der nächste Finanzminister werden.

Von Mike Szymanski, Berlin

Nachts vor dem Bundeskanzleramt: Stundenlang haben die Chefverhandler von CDU, CSU, Grünen und FDP nach einem Weg gesucht, wie Jamaika funktionieren kann. Dieses Bündnis so unterschiedlicher Partner, so unterschiedlicher Charaktere. Für die CDU sitzt Angela Merkel in der Runde, für die CSU Horst Seehofer. Das Grünen-Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir ist gekommen. Nur FDP-Chef Christian Lindner hat jemanden mitgebracht, der eigentlich nicht hierher gehört, weil er formal nur Lindners Stellvertreter ist: Wolfgang Kubicki. Einer bei den Grünen zuckt mit den Schultern: "Der Lindner bringt eben seinen Anwalt mit."

Kubicki - zweiter Mann? Nur Lindners Anwalt? Wer ist das eigentlich, dieser Wolfgang Kubicki?

"Ich kann auch Kanzler"

Auch der Kanzlerin ist aufgefallen, dass bei den Sondierungen im Lager der FDP nur einer regelmäßig auffällt: Kubicki. 65 Jahre alt. Mehr als 20 Jahre Fraktionschef der Liberalen - in Kiel. Anwalt. Kubicki ist großspurig und er steht dazu. Mit seinem Freund Jürgen Möllemann erdachte er einst das "Projekt 18", 18 Prozent bei der Bundestagswahl 2002. Es scheiterte. In diesen Tagen hat er sich einmal vor die Kameras gestellt und gesagt: "Ich kann auch Kanzler." Nach einer der Verhandlungen soll Merkel zu Kubicki gesagt haben: "Ich kann in Ihren Augen den Schalk sehen." Kubicki antwortete: "Ich bin der Schalk."

Zumindest dies wäre fürs Erste geklärt. Offen sind Fragen wie diese: Wie oft werden sich Merkel und Kubicki in den nächsten Jahren im Kanzleramt noch treffen? In welcher Funktion kommt Kubicki dann? Und was will er eigentlich?

Kubicki ist eine der schillerndsten Figuren bei diesen Sondierungen. Für die Partner in Berlin gibt er die Provokation in Person: "Mich nervt das, wie viel Zeit wir hier miteinander verbringen, um uns anzunähern, obwohl allen vernünftigen Menschen klar sein muss, auf welche Kompromisslinien man sich einigen muss", sagte Kubicki neulich auf dem Weg in die Verhandlungen. Das meinte er ernst. Diesen Satz weniger: "Wir sind im Recht, ich bin das als Anwalt ja gewohnt." Aber an diesen Humor müssen sich die Partner noch gewöhnen. Er nimmt sich heraus, in den Gesprächen für die FDP die roten Linien zu ziehen, auch mal ohne Absprache mit Lindner. In der FDP ist Kubicki natürlich mehr als nur Parteivize oder "Lindners Anwalt". Er ist zum mächtigen Ein-Mann-Flügel geworden. Er akzeptiert, dass Lindner der Chef ist - auch weil er weiß, dass der ohne ihn nicht kann.

Kubicki und der Cum-Ex-Skandal

Noch ist offen, welches Amt Kubicki in einer Jamaika-Koalition haben wird. Die FDP hat so lange getrommelt, die CDU dürfe das Finanzministerium nicht weiter besetzen, dass dies als Bewerbung verstanden wurde. Es wäre "Realsatire", sagte der frühere Finanzminister Peer Steinbrück gerade erst der Zeit, sollte Kubicki tatsächlich Deutschlands Kassenwart werden. Kubicki verteidigt als Anwalt einen der Hauptakteure der sogenannten Cum-Ex-Deals, die den Staat geschätzt bis zu 30 Milliarden Euro gekostet haben könnten. So einer als Finanzminister? Kubicki genießt jedenfalls die Spekulationen. Ist lange her, dass man den Liberalen überhaupt etwas zugetraut hatte, nach ihrem Untergang bei der Bundestagswahl 2013.

Damals flog die FDP nicht nur aus der Regierung, sondern auch gleich aus dem Parlament. Kubicki hatte das Unheil 2011 wohl vorausgesehen, als er angesichts mieser Umfragewerte sagte, die FDP habe "als Marke generell verschissen". Am Wiederaufbau beteiligte er sich trotzdem. Das ist jüngste Parteigeschichte, nachzulesen in dem von Lindner soeben veröffentlichten Buch "Schattenjahre": Da erzählt der Parteichef, wie er noch in der Nacht der Niederlage Kubicki holte. In der Times Bar im Berliner Savoy-Hotel eröffnete er Kubicki, dass er Parteivorsitzender werden wolle. Kubicki bot er an, Generalsekretär zu werden, was dieser dann "natürlich" ablehnte. Er wurde Vize, das höchste, was ging.

Die neue FDP ist von Lindner und seinen engsten Mitarbeitern, smarte Leute wie der neue parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann, kühl redesignt worden: Ursachenforschung, Leitbildprozess, Sanierung der Finanzen. Die Ziele formulierte die Spitze erst in Diagrammen, dann kam das Programm. Und Kubicki, als schärfster Kritiker seiner eigenen Partei, sei "prädestiniert, Kronzeuge der Erneuerung zu sein". So dachte Lindner. Ohne Kubicki wäre die FDP heute wohl ein klinisch-steriles Gebilde, so dauerabwägend und berechnend treten ihre Politiker auf. Von Kubicki, der länger in der FDP ist als Lindner auf der Welt, konnte der junge Parteichef lernen. Als einmal in einer Vorstandssitzung ein Papier von Kubicki zur Innen- und Rechtspolitik zerredet wurde, löste er das Problem auf seine Art: "Ihr hört jetzt sofort auf damit. Oder ich ziehe das Papier zurück, verlasse die Sitzung, führe mit der Bild ein Telefoninterview zu den Inhalten und habe dann mehr für die FDP erreicht als die ganze Debatte hier." Lindner erinnert sich: "Das saß."

In der Times Bar hätten sie sich in die Hand versprochen, "dass keiner den anderen in den kommenden vier Jahren öffentlich kritisieren" werde. Aber was ist mit den vier Jahren, die jetzt kommen?

Lindner und Kubicki planen ihre Politik im gemeinsamen Urlaub

Als Guido Westerwelle noch die FDP führte und den Absturz nicht stoppen konnte, war es Kubicki, der ihm den Teppich unter den Füßen wegzog. Der Parteispitze attestierte er einen Realitätsverlust wie in der "Spätphase der DDR". Auch das saß. Der Deal zwischen Lindner und Kubicki hält bisher. Sie fahren zusammen in den Urlaub, planen ihre Politik abwechselnd auf Sylt und Mallorca. Intern heißt es: Wenn Kubicki und Lindner zusammenhielten, könne ihnen niemand mehr etwas in der Partei - so mächtig seien sie.

In Lindners engerem Umfeld hat niemand eine solche politische Verdrängungskraft wie Kubicki. Sollte die FDP Oppositionspartei werden, hat Lindner die Machtfrage vorerst für sich entschieden - mit Partei- und Fraktionsvorsitz behält er alle Fäden bei sich in der Hand. Die FDP-Fraktion hat Kubicki mit dem Posten des Bundestagsvize entlohnt. Und wenn die FDP mitregiert? Dann wird sich zeigen, ob Kubicki sich einhegen lässt. Er sagt, ihm gehe es darum, die FDP als "politische Kraft wieder fest zu verankern". Gut möglich, dass für Kubicki nicht mehr Kubicki an erster Stelle kommt. Aber vor Lindner kommt für ihn immer noch die Partei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: