FDP-Krise:Alles geht schief

Von der CSU permanent gepiesackt, von der Kanzlerin gegängelt und ohne ein zündendes Thema, mit dem sie sich bei den Wählern profilieren könnte. Die FDP sucht verzweifelt nach einem Weg aus der Krise. So wollte Generalsekretär Christian Lindner der Union die alleinige Verantwortung für etwaige Schadensersatzklagen der Atomkonzerne zuschieben. Doch der Versuch ging nach hinten los.

Peter Blechschmidt

Wie man's macht, macht man's verkehrt. FDP-Generalsekretär Christian Lindner wollte dem - von Unionspolitikern genüsslich beförderten - Eindruck entgegenwirken, die FDP habe sich bei den Verhandlungen zum Atomausstieg über den Tisch ziehen lassen. Also ging er öffentlich auf Distanz zu dem gemeinsam mit der Union gefassten Beschluss und wies die Verantwortung für etwaige Schadenersatzklagen der Stromerzeuger der Kanzlerin und dem CSU-Chef zu.

FDP-Praesidium

FDP-Praesidium Der Generalsekretaer der FDP, Christian Lindner (l.) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Roesler (FDP) unterhalten sich am Montag (30.05.11) in Berlin in der FDP-Zentrale auf der Praesidiumssitzung miteinander.. Foto: Patrick Sinkel/dapd

(Foto: dapd)

Doch der Versuch, das eigene Profil der FDP zu schärfen, ging nach hinten los. Prompt fing sich der junge Generalsekretär auch aus den eigenen Reihen den Vorwurf ein, er habe unprofessionell gehandelt. Statt den vereinbarten Kompromiss zu verteidigen und die dabei erzielten Pluspunkte der FDP herauszustellen, habe er das Erreichte schlechtgeredet. Fraktionschef Rainer Brüderle scheute sich sogar nicht, Lindner öffentlich als Propagandisten erscheinen zu lassen, der aus Parteiräson schon mal die Wahrheit verbiegen darf - wie weit Brüderle selbst die Wahrheit sagte, blieb offen.

Der bizarre Vorgang verdeutlicht das Dilemma der FDP. Wäre sie nur braver Mehrheitsbeschaffer für die Union, würde sie sich quasi selbst abschaffen. Versucht sie aber gegenüber CDU und CSU Profil zu zeigen, wird sie als Störenfried oder schlicht als unprofessionell abgestempelt. Siehe Lindner.

Eine klare Pro-Kernkraft-Position: politischer Selbstmord

Schlimmer noch: Der FDP fehlt ein Thema, mit dem sie sich profilieren kann. Verspricht sie Steuerentlastung, erntet sie nur müdes Lächeln. In der Energiepolitik kann sie gegen die überwältigende Grundstimmung in der Bevölkerung nichts gewinnen. Profilieren könnte sie sich nur mit einer klaren Pro-Kernkraft-Position. Das aber wäre politischer Selbstmord.

Und in der Euro-Krise kann die FDP noch so sehr versuchen, sich als Hüter der deutschen Steuer-Cents und der Parlamentshoheit aufzuspielen; am Ende wird sie auch hier dem Mainstream folgen müssen. Bei der Inneren Sicherheit kann man ebenfalls kaum Wählermassen um sich scharen, auch nicht, wenn man - wie neuerdings Lindner - von Pro-Geheimdienst- statt von Anti-Terror-Gesetzen spricht, die es zu verhindern gelte.

Bleibt die Bildungspolitik, welche die FDP wieder einmal für sich entdeckt hat. Aber auch hier zündet der Funke nicht. Eigentlich sollte man meinen, dass die vielen tausend Familien, die bei jedem Umzug unter dem bildungspolitischen Flickenteppich dieser Republik zu leiden haben, ein dankbares Publikum für die von der FDP propagierte größere Einheitlichkeit wären. Aber Fehlanzeige.

Ohne wahre Alternative zur Union

Das größte Problem der Partei jedoch ist, dass zumindest große Teile der Union ihr möglichst wenig Spielraum lassen wollen. Die CSU betrachtet ihr Regierungsbündnis mit der FDP in München ohnehin als Betriebsunfall und nutzt jede Gelegenheit, die Liberalen zu piesacken, auch außerhalb Bayerns.

Aber auch der Kanzlerin unterstellen immer mehr Liberale, sie habe es in Wahrheit auf eine Neuauflage der Koalition mit der SPD oder auf ein Bündnis mit den Grünen abgesehen. Pech für die FDP, dass Angela Merkel genau diese Optionen hat - die FDP aber ohne wahre Alternative zur Union dasteht.

Der neue Parteichef Philipp Rösler hat, teils selbst verschuldet, teils von anderen bewirkt, seinen Start verpatzt. Wer ihm und der FDP einen sicheren Weg aus ihrem tiefen Tal weisen könnte, dürfte mit einem hohen Erfolgshonorar rechnen. Bislang gibt es niemanden, der sich eine solche Prämie verdient hätte.

Die Misere, dass alles misslingt, gleichgültig, was man anpackt, kennt die FDP aus den ersten anderthalb Jahren ihrer Regierungszeit unter ihrem damaligen Vorsitzenden Guido Westerwelle. Dessen Ära ist vorbei. Möglich, dass man dies bald auch von der FDP feststellen muss. Gewiss: Totgesagte leben länger. Aber auch Überlebenskünstler leben nicht ewig.

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