FDP-Krise: Druck auf Westerwelle:Döring legt den Finger in die Wunde

Späte Erkenntnis: Ex-FDP-Vize Walter Döring identifiziert Guido Westerwelles größten Fehler nach dem Wahlsieg. Der Parteichef habe sich von Angela Merkel das falsche Ministerium geben lassen.

Stefan Braun

Ist es das Alter? Oder der Abstand? Oder ein Zaubertrank? Wahrscheinlich würde Walter Döring auf alle drei Fragen mit Nein antworten. Und trotzdem hat der ehemalige Parteivize der FDP am Mittwoch bestätigt, was sich unter Politikern seit längerem breit macht: Erst aus der Distanz, erst wenn sie nicht mehr wirklich im politischen Geschäft sind, sprechen sie aus, was sie für richtig halten - und das auch noch in sehr verständlichen Worten.

Döring fdp Westerwelle

Walter Döring sagt seiner Partei, was sie falsch gemacht hat.

(Foto: AP)

Döring ist im Frühjahr 2004 zurückgetreten. Entsprechend groß ist sein Abstand. Kein Wunder, dass er seiner Partei sehr eindeutig sagt, was sie falsch gemacht hat. Im Interview mit dem Deutschlandfunk legt er den Finger in die entscheidende Wunde.

Nach dem fulminanten Wahlsieg im Herbst 2009 habe man einen "Kardinalfehler" begangen, indem man der Kanzlerin nicht "in aller Klarheit" gesagt habe, "das Finanzministerium kommt zu uns, Punkt, Ende." Stattdessen das Außenministerium zu besetzen, sei ein Fehler gewesen, der sich auch jetzt "ziemlich schlecht für uns auswirkt." Dörings Begründung: "Wenn Sie zehn Jahre lang von einer Steuerreform reden und von Steuersenkungen, dann muss man das Ministerium nehmen, mit dem man diese Ziele umsetzen kann. Man darf nicht das Ministerium des roten Teppichs nehmen."

Deutlicher kann man die Inkonsequenzen in Guido Westerwelles Kurs nach dem Wahlsieg nicht aussprechen. Dabei aber belässt es Döring nicht, er will nicht zu denen gehören, die es sich leicht machen und Westerwelle mit Wucht die alleinige Schuld geben. Im Gegenteil. Er attackiert auch jene, die erst alle immer mit dabei waren, als es darum ging, Westerwelles Linie mitzutragen, weil sie sich nicht trauten, den Mund aufzumachen - und die jetzt so tun, als sei Westerwelle allein Schuld an der Misere. "Wir waren alle auch einverstanden, sonst hätten wir es auch anders machen können.'' Im Übrigen liest er den Rücktrittsforderern die Leviten. "Jetzt alles auf Westerwelle abzuladen ist unanständig und dumm zugleich, weil es schädlich ist." Planlos, ziellos und ohne Alternative Rücktritt zu rufen - dafür hat Döring drei Worte: "Schädlich und blöd."

Nun sind solche Worte allein noch nicht unbedingt Ausweis der neuen Ehrlichkeit unter Politpensionären. Die schwarz-gelbe Koalition hat in diesem Jahr bewiesen, dass sie auch voll im Amte und hochoffiziell über "Gurkentruppen" und anderes in den eigenen Reihen schimpfen konnte. Aber Dörings Analyse der Lage bei den Freien Demokraten erinnert durchaus an jene Kollegen, die sich erst im Ruhestand einen wirklich klaren, weil unabhängigeren Blick erlaubt haben. So wie zum Beispiel Heiner Geißler und Norbert Blüm, die nach ihrem Abschied aus Amt und Würden den Kurs ihrer CDU wiederholt eindeutig und in bissiger Schärfe kritisiert haben.

So erfrischend das sein kann, so deutlich lenkt es den Blick darauf, dass sich viele heute politisch Aktive unklarer, taktischer, verklausulierter ausdrücken und verhalten. Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass die meisten Parteien seit Jahren massiv Mitglieder verlieren.

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