Die Justizministerin hat es nicht leicht: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gilt als starke Verfechterin der Bürgerrechte, doch ihre Partei kann davon in den Umfragen nicht profitieren. Die FDP kämpft um das politische Überleben - sowohl im Bund, als auch in Bayern, wo Leutheusser Landesvorsitzende ist. 2013 stehen Wahlen an, zudem stehen wichtige netzpolitische Weichenstellungen an. Ein Gespräch.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): "Ein internationales Projekt wäre der Abschied vom europäischen Datenschutz."
(Foto: dpa)Süddeutsche.de: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie beschäftigen sich viel mit Internet-Gesetzen. Wie sieht Ihr eigenes Nutzungsverhalten aus?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nun, ein Nerd bin ich nicht. Ich nutze es und bin mehr Arbeiterin als Genusssurferin. Dennoch macht mir die Digitalisierung unglaublich viele Sachen einfacher. In meiner ersten Amtszeit als Ministerin (1992 - 1996; Anm. d. Red.) gab es gerade mal ein Handy. Ich frage mich, wie wir damals ohne iPad und Co ausgekommen sind.
Süddeutsche.de: Gibt es aus Ihrer Erfahrung noch eine digitale Spaltung der Gesellschaft?
Leutheusser-Schnarrenberger: Das Netz kommt zunehmend in der Gesellschaft an. Bei den Älteren, die damit eine Teilhabe erlangen, obwohl sie körperlich nicht mehr so mobil sind. Vom Online-Shopping bis hin zu Selbsthilfeforen und sozialen Netzwerken. Bei jungen Menschen spielt Netzpolitik eine zentrale Rolle, das merke ich bei meinen Besuchen in Schulen. Wie dort über Datenschutz und Pseudonymität im Netz debattiert wird, zeigt, dass dort viele Informationen und ein Problembewusstsein vorhanden sind.
Süddeutsche.de: Welche Rolle muss die Politik spielen, wenn es um das Netz geht?
Leutheusser-Schnarrenberger: Wir müssen einen Rahmen definieren, um dem Nutzer möglichst große Kontrolle über seine Daten zu geben. Selbstverpflichtungen der Wirtschaft sind in Sachen Datenschutz schön, aber wir müssen auch einen gesetzlichen Rahmen schaffen.
Süddeutsche.de: An anderer Stelle werden Sie für einen solchen Rahmen in der Netzpolitik kritisiert - beim Leistungsschutzrecht. Warum sollen Suchmaschinenbetreiber Verleger dafür bezahlen, dass sie ihnen Besucher zuführen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Das Leistungsschutzrecht wurde im Koalitionsvertrag vereinbart. Suchmaschinenbetreiber und Newsaggregatoren nutzen systematisch Leistungen Dritter und steigern dadurch ihre Wertschöpfung. Die Suchmaschinenbetreiber und Betreiber von News-Aggregatoren greifen auf diese Inhalte zu, um das eigene Angebot aufzubessern. Hier können die Verlage jetzt Unterlassung verlangen. Die Regelung des Kabinetts beinhaltet aber keine überschießendenen Forderungen. Ausgespart sind Blogger, Unternehmen soweit sie nicht Verlage sind, Rechtsanwaltskanzleien, Verbände, private und ehrenamtliche Nutzer.
Süddeutsche.de: Um zurück zum Datenschutz zu kommen: Die EU-Kommission plant, die Datenschutzrichtlinie zu aktualisieren. Befürchten Sie, dass dies auf der Ebene des kleinsten europäischen Nenners geschieht?
Leutheusser-Schnarrenberger: Grundsätzlich geht es in die richtige Richtung, denn 27 verschiedene Rechtslagen sind kein Zustand. Allerdings gibt es viel Verhandlungsbedarf: Ich möchte, dass Mitgliedsstaaten bestimmte Fragen selbst regeln können. Zum Beispiel, dass im Bereich der Polizeiarbeit auch online der Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung gilt - das ist in anderen Ländern nicht immer in dem Maß wie in Deutschland der Fall. Hier darf es keine Absenkung geben. Zudem wollen wir verhindern, dass die EU-Kommission über sämtliche technische Details entscheidet und damit eventuell Datenschutz-Standards absenkt - auch hier müssen die einzelnen Mitgliedsstaaten das letzte Wort haben.
Süddeutsche.de: Müssten Datenschutz-Regelungen nicht über die EU hinausgehen? Wenn meine Daten auf amerikanischen Servern liegen, erfahre ich in der Regel nicht, wenn die dortigen Sicherheitsbehörden darauf zugreifen.
Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich wäre es ein Traum, hohe Datenschutzrichtlinien in einer von 198 Ländern unterzeichneten UN-Konvention festzulegen. Nur was passiert, würden wir das versuchen? Alleine schon die USA haben mit ihrem Patriot Act eine ganz andere Auffassung von Datenschutz, und sie sind damit nicht alleine. Ein internationales Projekt wäre der Abschied vom europäischen Datenschutz und einem entsprechenden Niveau. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was machbar ist.