FDP: Juli-Chef Becker:"Wir müssen die Energiekonzerne zerschlagen"

Lasse Becker ist neuer Chef der Jungen Liberalen - und holzt im Gespräch mit sueddeutsche.de wie ein Alter gegen Atomkraft und CSU.

Thorsten Denkler

Lasse Becker, 27, ist studierter Volkswirt und kommt aus Hessen. Seit dem vergangenen Wochenende steht er in der Welt der FDP an der Spitze der Jungen Liberalen. Er folgt auf Johannes Vogel, der nach fünf Jahren im Amt nicht zur Wiederwahl angetreten ist.

sueddeutsche.de: Herr Becker, Sie haben das Vergnügen, als erster Juli-Chef seit langem die FDP-Regierungsarbeit begleiten zu dürfen. Ihre Mutterpartei hat dabei einen formidablen Fehlstart hingelegt. Wie werden Sie mit ihr umgehen?

Becker: Es war sicher etwas holprig. Wir werden die FDP jetzt antreiben müssen, der Reformmotor dieser Regierung zu sein.

sueddeutsche.de: Dafür müsste der Motor erst mal anspringen.

Becker: Die Erfolge stellen sich vielleicht nicht so schnell ein, wie sie mancher von uns erwartet hat. Aber wir werden dafür kämpfen und sorgen, dass sie kommen.

sueddeutsche.de: In einem Youtube-Video vom Juli-Bundeskongress 2009 ist zu sehen, wie Sie Ihren Parteichef Guido Westerwelle sehr direkt angehen. Ihnen komme der Spargedanke in der neuen Regierung zur kurz, sagen Sie. Und Dirk Niebel als Entwicklungshilfeminister will Ihnen auch nicht einleuchten. Da waren Sie noch Landeschef der Julis in Hessen. Bleiben Sie bei Ihrer Kritik?

Becker: Manches, was in den vergangenen Monaten gelaufen ist, war nicht optimal. Aber wir sollten jetzt nicht nur in die Vergangenheit schauen.

sueddeutsche.de: Sie wollen also nicht mehr sparen - und halten Dirk Niebel nun für eine Klasse-Besetzung?

Becker: Wir Julis sagen klar: Das liberale Sparbuch, in dem die FDP-Bundestagsfraktion ihre Sparvorschläge zusammengefasst hat, muss umgesetzt werden. Für uns Junge Liberale ist das eine zentrale Forderung. Wir müssen einen klaren Sparwillen zeigen, damit wir es schaffen, den Haushalt zu konsolidieren. Was möglicherweise bei Ministerposten hätte anders laufen können, ist Vergangenheit. Ich will nach vorne schauen.

sueddeutsche.de: Im Raum stehen bis zu 21 Milliarden Euro, um die die FDP die Bürger entlasten will. Das liberale Sparbuch brächte - eins zu eins umgesetzt - lediglich zehn Milliarden Euro. Da können Sie es doch gleich lassen.

Becker: Nein. Wenn wir den Menschen mehr Geld lassen, wird das einen positiven Effekt auf die Einnahmen des Staates haben.

sueddeutsche.de: Bitte, Herr Becker, im Gegensatz zu Guido Westerwelle sind Sie Volkswirt. Sie sollten wissen, dass der Selbstfinanzierungeffekt eine sehr unwägbare Größe ist.

Becker: Das ist in der Tat sehr schwer vorauszusagen - aber doch relativ sicher, dass er zumindest teilweise eintritt. Wir haben immer gesagt, Steuersenkungen und vor allem Steuervereinfachungen sind sehr wichtige Punkte. Aber wir müssen auch unsere Staatsfinanzen unter Kontrolle bringen - gerade mit Blick auf die Generationengerechtigkeit. Gerade deshalb müssen wir unseren absoluten Sparwillen deutlich machen. Wir kennen ja jetzt die genauen Zahlen. Wir sollten ein neues liberales Sparbuch vorlegen und weitergehend sparen, um auf jeden Fall bei der Gegenfinanzierung auf der sicheren Seite zu sein.

sueddeutsche.de: Die FDP hat es in den vergangenen Monaten geschafft, von einer Hoffnungspartei mit fulminantem Wahlergebnis zum Synonym für soziale Kälte, Klientel und Seilschaften zu verkommen.

Becker: Manche der Vorwürfe, die Sie gerade genannt haben, sind unangebracht.

sueddeutsche.de: Sie finden es in Ordnung, wenn erst Großspenden von Hoteliers angenommen und dann Hotelbesitzer mit einer vergünstigten Mehrwertsteuer belohnt werden? Oder wenn zum Reisetross des Außenministers bevorzugt alte Kumpels und Parteispender gehören?

Becker: Mich stört, dass mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Wenn ich mir anschaue, wie die SPD an ihr Geld kommt und wie sich Sigmar Gabriel bezahlen ließ, dann fällt es mir schwer, diese Diskussionen nachzuvollziehen. Da ändert aber nichts daran, dass beim Start der Regierung manches falsch gelaufen ist. Jetzt müssen wir endlich umsetzen, was wir im Koalitionsvertrag beschlossen haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich Lasse Becker die ständigen Querschüsse aus der CSU erklärt.

Störfeuer aus Bayern

sueddeutsche.de: Was hindert Sie daran?

Becker: Vor allem die ständigen Querschüsse aus der CSU.

sueddeutsche.de: Denen ist die FDP offenbar zu groß geworden.

Becker: Manchem in der CSU scheint das Angst zu machen. Die sollten sich überlegen, dass man erfolgreich nur im Team regieren kann. Diese ständigen, unabgesprochenen Kommentare aus München gegen den Koalitionsvertrag helfen uns nicht weiter. Aber es sind nicht nur die anderen - auch wir haben in der Kommunikation Fehler gemacht.

sueddeutsche.de: Was muss jetzt passieren?

Becker: Wir müssen jetzt den Haushalt konsolidieren, müssen eine gute Gesundheitsreform durchsetzen und den Sozialstaat erneuern. Dafür sind wir gewählt worden. Vor allem dürfen wir uns keine Fehltritte mehr bei den Bürgerrechten erlauben. Beim Swift-Abkommen über den Austausch von Passagierdaten mit den USA hat uns das Europaparlament gerettet, weil der Innenminister - gegen die Absprache - mit "ja" gestimmt hat und die FDP in der Bundesregierung kein Veto eingelegt hat.

sueddeutsche.de: Sie sind also nicht dafür gewählt worden, Hoteliers via Wachstumsbeschleunigungsgesetz einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz zu schenken?

Becker: Das wäre weder meine erste Priorität gewesen, noch die der Jungen Liberalen. Die Debatte darüber hat leider überlagert, dass vieles in dem Gesetz gut ist. Ich habe von vielen Kollegen an der Arbeit gehört, dass sie deutlich die Entlastungen spüren, die wir zum Beispiel für Familien erreicht haben.

sueddeutsche.de: Würden Ihre Kollegen auch sagen, dass sie das Geld lieber in der eigenen Tasche sehen, als dass es in bessere Kindertagesstätten und Schulen investiert wird?

Becker: Das ist keine Frage von "entweder/oder". Die Jungen Liberalen haben wie die FDP einen klaren Fokus auf Bildung. Aber wir müssen auch die Bevölkerung entlasten. Diejenigen, die etwas erwirtschaften, müssen mehr davon haben. Wir wollen keinen immer stärker wachsenden Staat, der irgendwann zusammenbricht, weil die Bürger ihn nicht mehr finanzieren können.

sueddeutsche.de: Auf Ihrem Bundeskongress am Wochenende in Bonn haben die Jungen Liberalen beschlossen, Atomkraftwerke so schnell wie möglich abzuschalten. Was heißt bei den Julis: So schnell wie möglich?

Becker: Wir sagen: Atomkraft kann nur eine Übergangstechnologie sein. Wir müssen erneuerbare Energien fördern. Sobald sie die Atomkraft ersetzen können, müssen die AKW abgeschaltet werden. Auf eine genaue Jahreszahl kann man sich da noch nicht festlegen.

sueddeutsche.de: Einige Ihrer Parteivorderen sagen, Atomkraftwerke müssten solange wie möglich laufen.

Becker: Manche in der FDP erwecken den Eindruck, dass man Atomkraftwerke ewig weiterlaufen lassen kann. Sie sagen aber auch, Atomkraft soll nur eine Brückentechnologie sein. Wenn ich eine Brücke baue, dann stelle ich mich nicht ans Ufer, baue los, und hoffe irgendwann an Land zu kommen.

Lesen Sie auf der letzten Seite, weshalb Juli-Chef Becker die Energiekonzerne zerschlagen will.

"Energiekonzerne zerschlagen"

sueddeutsche.de: Die Bundesregierung hat gerade per Gesetz die Einspeisevergütung für Solarstrom gekürzt. Wie passt das zusammen mit Ihrem Anspruch, die erneuerbaren Energien zu fördern?

Becker: Solarstrom kann nur dann wettbewerbsfähig werden, wenn wir die Märkte entsprechend aufbauen - am besten mit einer Mengensteuerung, bei der die günstigsten und effizientesten regenerativen Energien genutzt werden. Dazu müssen wir die Oligopole im Strommarkt kartellrechtlich aufbrechen.

sueddeutsche.de: Sie wollen die Energiekonzerne zerschlagen?

Becker: Ja, wir sollten sehr ernsthaft über die Trennung von Netz und Betrieb auch im Strommarkt nachdenken.

sueddeutsche.de: Die Julis galten im bürgerlichen Lager lange als Vorreiter, wenn es um die Legalisierung von Haschisch geht. Jetzt sind Sie mit der FDP in Regierungsverantwortung. Wann ist es denn so weit?

Becker: Das ist und bleibt unsere Beschlusslage. Wir konnten uns damit bisher in der FDP nicht durchsetzen. Aber wir werden mit unserer ganzen Kraft weiter dafür kämpfen.

sueddeutsche.de: Vielleicht sollten Sie Ihren Parteichef mal auf eine Tüte einladen. Der könnte etwas Entspannung doch vertragen.

Becker: Man sollte das Thema nicht ins Lächerliche ziehen. Uns geht es um Eigenverantwortung. Nicht darum, die Menschen zum Drogenkonsum zu animieren. Ich würde auch nicht Zigaretten verteilen, nur weil mir die Nichtraucherschutzgesetze zu weit gehen.

sueddeutsche.de: Auf dem Mannheimer Wahl-Parteitag der FDP 2002 waren die Julis mutiger. Sie haben dort Hanfsamen verteilt.

Becker: Tatsächlich? Da war ich noch nicht auf Bundesebene aktiv.

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