Bundespräsidentenwahl:Sachsen-Liberale lassen Wulff hängen

Offiziell geht Christian Wulff als gemeinsamer Kandidat von Union und FDP ins Rennen um die Bundespräsidentschaft. Doch die Liberalen liebäugeln offen mit dem Bewerber der Opposition - allen voran die Sachsen-FDP.

Sachsens FDP-Fraktion gibt den von ihr entsandten Wahlleuten bei der Wahl des Bundespräsidenten keine Empfehlung für den Kandidaten von Schwarz-Gelb, Christian Wulff (CDU). Die Wahl sei "eine Gewissensentscheidung", sagte Landtagsfraktionschef Holger Zastrow in Dresden.

Wulff legt Landtagsmandat nieder

Auf die FDP-Stimmen aus Sachsen bei der Bundespräsidentenwahl darf Christian Wulff nicht hoffen: Der Landesparteirat der Liberalen hat sich mit großer Mehrheit für den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, ausgesprochen.

(Foto: ddp)

Am Vorabend hatte sich der Landesparteirat mit großer Mehrheit für den Gegenkandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, ausgesprochen, den FDP-Wahlleuten für den 30. Juni aber ausdrücklich keine Wahlempfehlung mitgegeben. Die FDP-Landtagsfraktion in Sachsen kann voraussichtlich drei Wahlleute entsenden.

Unterdessen räumt der unbeliebte Kandidat selbst mögliche Stolpersteine auf dem Weg ins Schloss Bellevue beiseite: Der niedersächsische Ministerpräsident legte am Freitag sein Landtagsmandat nieder. Damit löste er das formale Problem, dass ein Parlamentssitz mit dem Amt des Bundespräsidenten nicht vereinbar ist. Die Opposition hatte den Verzicht auf das Mandat gefordert. "Ich habe mich entschieden, das Mandat niederzulegen, um dem Amt des Bundespräsidenten nicht zu schaden", sagte Wulff im Landtag in Hannover. Außerdem kündigte er an, seinen Sitz im VW-Aufsichtsrat in der kommenden Woche abzugeben.

Der SPD ist es aber noch ein Dorn im Auge, dass Wulff erst als Regierungschef zurücktreten will, wenn er in der Bundesversammlung am 30. Juni wirklich ins höchste Staatsamt gewählt ist. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, forderte den unverzüglichen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten. "Christian Wulff muss jetzt klare Verhältnisse schaffen und vor der Sitzung der Bundesversammlung am 30. Juni auch als Ministerpräsident zurücktreten", sagte der SPD-Politiker. "Wulff muss die Haltung eines sicherheitsorientierten Karrierepolitikers aufgeben und als freier Mann ohne Rückfahrticket vor die Bundesversammlung treten."

Wulff konterte: "Die SPD hat offenkundig ein Problem, dem Amt des Bundespräsidenten den entsprechenden Respekt zu zollen. Der SPD gehen die Themen aus."

Der niedersächsische SPD-Landeschef Olaf Lies meinte, Wulff solle nicht als "Mann der halben Sachen" in die Geschichte Niedersachsens eingehen. Grundsätzlich zeigte die Opposition aber Respekt vor der Entscheidung Wulffs, sein Mandat niederzulegen. Hätte Wulff erst nach dem Votum in der Bundesversammlung am 30. Juni seinen Verzicht auf seinen Sitz im Landtag erklärt, hätte er das Amt des Bundespräsidenten nicht sofort antreten können. Denn das Landtagsmandat erlischt erst, wenn das Parlament den Verzicht bestätigt. Dies wäre aber erst am Tag nach der Bundesversammlung möglich gewesen. Das Staatsoberhaupt darf aber nach Artikel 55 des Grundgesetzes weder einer Regierung noch einem Parlament angehören.

Ein nahtloser Wechsel vom Amt eines Ministerpräsidenten in das höchste Staatsamt ist aus Sicht des Hamburger Verfassungsrechtlers Wolfgang Hoffmann-Riem möglich. "Wann jemand seine vorherigen Ämter niederlegt, ist nicht entscheidend - nur dass er es tut", sagte Hoffmann-Riem am Freitag im Gespräch mit tagesschau.de. "In Niedersachsen bedeutet der Rücktritt des Ministerpräsidenten zugleich Rücktritt des gesamten Kabinetts. In diesem Falle muss man sich fragen - da die Wahl Wulffs ja nicht sicher ist - ob eine solch weitreichende Folge bei einer im Ergebnis offenen Wahl sinnvoll ist", sagte Hoffmann-Riem.

Im Landtag nahm der 50-Jährige am Freitag voraussichtlich zum letzten Mal auf der Regierungsbank Platz. Offiziell wollte er noch nicht Abschied nehmen. Er sagte, am 1. Juli würde er sich gerne nach der Wahl als Bundespräsident im Parlament verabschieden. Die 16 Jahre als Landtagsabgeordneter bezeichnete er als "sehr beglückend". Am 1. Juli soll CDU-Fraktionschef David McAllister zu Wulffs Nachfolger als Ministerpräsident gewählt werden.

Die Opposition im Landtag lobte Wullfs Entscheidung, sein Mandat niederzulegen. SPD-Landtagsfraktionschef Wolfgang Jüttner sagte: "Ich bin mit seinem Vorgehen absolut einverstanden." Die Angelegenheit sei damit "verfassungsrechtlich sauber". Auch die Grünen und die Linken zeigten sich zufrieden. "Dieser Schritt war unausweichlich", sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Der Vorsitzende der Linksfraktion, Manfred Sohn, kritisierte allerdings auch, Wulff habe erst zu dieser Entscheidung gedrängt werden müssen. Bei einer Direktwahl des Bundespräsidenten müsste sich Wulff laut einer Umfrage dem rot-grünen Kandidaten Joachim Gauck geschlagen geben. Für ihn würden sich 40 Prozent der Bürger entscheiden - 31 Prozent hätten Wulff gerne als Bundespräsidenten.

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