FDP in Niedersachsen erfolgreich:Kracher, Wunder, Sensationen

Die FDP feiert in Niedersachsen einen spektakulären Erfolg. Den hat sie aber nicht ihrem Parteichef Rösler zu verdanken, sondern vor allem Kanzlerin Merkel. Die Liberalen haben jetzt immerhin Zeit, sich bundesweit aus der demoskopischen Hölle in die Vorhölle hochzuarbeiten. Vergleichbares steht der SPD bevor.

Heribert Prantl

FDP-Dreikönigstreffen

Wachsende Zuversicht: Die Liberalen hoffen auf eine Trendwende.

(Foto: dpa)

Ihr wundersamer und glorreicher Wiedereinzug in den Landtag von Niedersachsen macht aus der FDP noch lang keine überzeugende Partei; er macht aus der schwarz-gelben Koalition kein Zukunftsmodell; und er macht aus ihrem Vorsitzenden noch keinen guten Vorsitzenden. Die FDP hat ihren Erfolg in Hannover nicht Philipp Rösler zu verdanken; sie verdankt ihn Angela Merkel und der Tatsache, dass viele Wähler die CDU in Niedersachsen an der Regierung halten wollten. Zu diesem Zweck haben Wähler, die sonst Schwarz gewählt hätten, Gelb gewählt. Das macht diese Stimmen nicht suspekt, das gehört zur Demokratie. Wenn aber die FDP diejenigen, die für den Niedersachsen-Erfolg verantwortlich sind, an ihrer Spitze haben will, dann darf sie nicht Rösler, Brüderle oder Lindner benennen, dann muss sie Merkel zur FDP-Chefin und McAllister zum Vizechef machen; sie haben die Liberalen in den Landtag von Hannover getragen.

Eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition im Bund wird mit dem jüngsten FDP-Erfolg denkbar, aber nicht wahrscheinlich. Im Bund kann sich die Merkel-CDU, und das wissen ihre potenziellen Wähler, anders als in Niedersachsen ihren Partner aussuchen. Die CDU ist im Bund nicht auf die FDP angewiesen. Die Bundestagswahl 2013 ist also keine leihstimmengeneigte Wahl. Gleichwohl: Die FDP hat jetzt Zeit, sich zu erholen, zu sortieren, sich bundesweit aus der demoskopischen Hölle in die Vorhölle hochzuarbeiten. Vergleichbares steht der SPD bevor.

Peer Steinbrück hat so oft von der Kavallerie geredet, dass einem zu ihm ein Gedicht aus der Zeit einfällt, als die Soldaten auf Pferden ritten. Wilhelm Hauff, der romantische Dichter, hat des "Reiters Morgenlied" vor bald zweihundert Jahren geschrieben; es handelt von den Gedanken eines jungen Soldaten, der am Tag der Schlacht, bei Betrachtung des Morgenrots, über sein womöglich bevorstehendes Ende sinniert: Wie schnell einer, der stolz im Sattel sitzt, tief fallen kann. In der zweiten Strophe stehen die Zeilen, die heute bisweilen wie ein melancholischer Faschingsvers zitiert werden, die aber die Vergänglichkeit des Seins in zeitgebundener Drastizität anschaulich machen: "Gestern noch auf stolzen Rossen / heute durch die Brust geschossen". Man muss nicht lang erklären, was das heute bedeutet; die Politik bietet Anschauungsmaterial genug. Anders als in der Kavallerie bedeutet in der Politik der Absturz nicht den Exitus. Keiner weiß das besser als die FDP. Sie lag so oft am Boden; soeben ist es ihr wieder gelungen, sich aufzurappeln.

Was die SPD beachten sollte

Ob das auch Steinbrück gelingt, ist die spannendste Frage der deutschen Politik. Der SPD hat seine Kanzlerkandidatur bisher nicht gutgetan. Die SPD-Führung glaubte, es sei maximaler Erfolg zu erzielen, wenn man einen Kandidaten präsentiert, der CDU-Wählern gefällt. Indes: Es wuchs bisher nicht die Zustimmung für Steinbrück, es wuchsen nur die Zweifel an ihm. Er konnte bisher nur seine Schwächen ausspielen, nicht seine Stärken. Aus dem kraftstrotzenden Politiker wurde der kranke Mann der SPD. Kann aus ihm noch ein glaubhaft kämpfender Sozialdemokrat werden? Will die Partei noch für ihn und mit ihm streiten? Oder beginnt statt eines Jetzt-erst-recht-Wahlkampfs der Fatalismus? Bei aller Kritik, die man an Steinbrück üben kann: Eine Partei, die sich so schnell ins Bockshorn jagen ließe, könnte auch mit einem neuen Kandidaten nicht überzeugen.

Viele schütteln den Kopf über Steinbrück. Das kann die SPD nicht einfach auf die Bösartigkeit einer "Kampfpresse" schieben. Gewiss: Es ist verrückt, wenn so getan wird, als sei aus dem begnadeten Finanzpolitiker über Nacht ein politischer Trampel geworden. Aber die SPD darf Steinbrücks pekuniäre Unschicklichkeiten auch nicht als "Petitessen" abtun; das ist in den Ohren der einfachen Leute ein arroganter Sprachgebrauch für Dinge, die zwar klein, aber bezeichnend sind.

Die SPD wird sich demnächst, wenn sie ihren großen Geburtstag feiert, daran erinnern, dass sie in den meisten ihrer 150 Jahre kämpfen musste. Sie muss es auch heute. Dazu braucht sie eine Vorstellung von einer gerechten Gesellschaft: Wie sieht soziale Demokratie im 21. Jahrhundert aus? Es ist nicht so, dass der Sozialstaat ein für allemal errungen ist. Die SPD und ihr Kandidat müssen also buchstabieren können, was heute links ist. Wenn diese SPD sich das nicht mehr traut oder das nicht mehr kann, hat sie wirklich ein Problem. Dann wird sie weiter bröckeln, Grün wird weiter wachsen und die Union wird hochprozentig sein.

Noch acht Monate bis Buffalo: Das ist viel Zeit in einer schnellen Zeit. In dieser Zeit kann die SPD kämpfen und dann trotzdem verlieren. Wenn sie nicht kämpft, steht sie Spalier für Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb.

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