FDP in der Krise:Rösler macht in Obst

Es wird wieder gelacht in der FDP-Parteizentrale. Plötzlich stehen zwei Wahlkämpfe bevor. Heißt: Zwei Chancen für Parteichef Rösler, es wieder ordentlich zu versemmeln. Schlechte Laune kann da keiner brauchen. Oder ist das schon Galgenhumor?

Thorsten Denkler, Berlin

Philipp Rösler lächelt so breit wie die junge Frau auf dem Großflächenplakat links neben ihm, als er zusammen mit Wolfgang Kubicki, die Bühne für die Pressekonferenz im Atrium der FDP-Parteizentrale betritt. "Das Lachen musste erkauft werden", frotzelt später der Spitzenkandidat der FDP in Schleswig-Holstein. Das der Frau, nicht das von Rösler. Nur warum Rösler so gute Laune hat, will sich nicht recht erschließen.

FDP Präsidium

Wachstum und die FDP: Philipp Rösler (r.) und der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring enthüllen beim Treffen des FDP-Präsidiums in Berlin ein Plakat zum Start der neuen Kampagne.

(Foto: dpa)

Der Parteichef klärt umgehend auf. Die "Stimmung an der Basis ist hervorragend", teilt er freudig mit. "Absolut optimistisch", schiebt er noch hinterher. Was die Frage aufwirft, in welcher heilen Welt der Vizekanzler am Morgen aufgewacht ist. Oder ist das Galgenhumor?

Die Umfragen sehen die FDP im politischen Niemandsland irgendwo bei zwei bis drei Prozent. Der Wiedereinzug der Liberalen in den Landtag von Schleswig-Holstein Anfang Mai steht in den Sternen. Im Moment würden sie es nicht schaffen. Und jetzt kommt noch eine Landtagswahl im Saarland hinzu, die vieles verspricht, nur keinen glanzvollen Sieg der FDP.

Es geht um viel bei diesen beiden Wahlen. Für Rösler gar um alles. Er wird sich als Parteichef kaum halten können, sollte die FDP nach beiden Wahlen in der außerparlamentarischen Opposition landen. Die Frage wird dann eher sein, ob er sein Ministeramt behalten kann. Wenn nicht, dann ist Rösler erst mal arbeitslos. Ein Bundestagsmandat hat er nicht, auf das er sich zurückziehen könnte.

Rösler will um seine Chance kämpfen. Darum wird jetzt alles einem alten Begriff untergeordnet werden: Wachstum.

Am Morgen hat der neue Generalsekretär Patrick Döring das erste Wachstums-Plakat vorgestellt. Es zeigt ebenjene junge Frau, verkleidet als Obstverkäuferin. Zerzauste schwarze Haare, beide Hände in die Hüften gestemmt, grüne Schürze, drunter weißes T-Shirt, das Ganze vor einer Kulisse aus Äpfeln, Birnen, Orangen und Limetten. Und natürlich dieses breite Zahnarzttochterlächeln, das Rösler nachzuahmen sucht.

Der Claim: "Wachstum ist gesund." Ganz rechts das FDP-Logo im Design eines auf Hochglanz polierten Emaille-Schildes. Falls einer bis jetzt nicht kapiert hat, worum es hier geht, gibt es noch ein paar ergänzende Hinweise: "Qualität und Vielfalt gedeihen durch Wettbewerb. Dafür bereiten wird den Boden. Wir halten Deutschland auf Wachstumskurs."

Rösler gefällt das Wachstums-Plakat. Die Sache mit dem Wachstum ist auf seinem Mist gewachsen. "Das Wachstumsthema habe ich gesetzt", verkündet er stolz wie Tom Hanks in dem Film Cast Away, kurz nachdem es diesem gelungen ist, ein Feuer zu entfachen. Da haut er sich mit beiden Fäusten auf die nackte Brust und brüllt: "Jaaa! Seht, was ich getan habe! Ich habe Feuer gemacht!"

"Wir halten Deutschland auf Wachstumskurs.“

Wachstum an sich ist fast ein ebenso alter Hut, wie Feuer machen. Wirtschaftswachstum hilft, Sozialkassen und Staatshaushalte zu sanieren. Das haben alle politischen Parteien verstanden. Gestritten wird nur, ob Wachstum weiter auf Kosten der Entwicklungsländer generiert werden darf. Und ob nicht Teilhabe oder persönliches Glück auch in einen neuen Wachstumsbegriff aufgenommen werden müssten.

Rösler zeigt sich da offen für alles. Wachstum sagt er, das habe ja auch was mit Bildung zu tun, es gehe um individuelles Wachstum, Familien, die wachsen. Wichtig auch das Zusammenwachsen, Integration, Gesellschaften wollen wachsen.

So weit, so unklar. Macht aber offenbar nichts. Hauptsache, unter den Begriff passt so viel wie möglich drunter. Damit jeder, sagt Rösler, seine persönliche "Wachstumsgeschichte erzählen" kann.

Kubicki wird an dieser Stelle etwas unruhig. Das ist ihm wohl alles etwas zu schwammig und so nordet er den Begriff mal eben ein: Wirtschaftswachstum sei ein ökonomischer Begriff. Den "können sie nicht einseitig gegen des Rest der Welt umdefinieren".

Ansonsten bemühen sich beide redlich, so etwas wie Einigkeit zu demonstrieren. Ja, die Parteispitze sei im Schleswig-Holstein-Wahlkampf eingeladen, gerne auch mehrfach zu kommen. Nein, Kubicki sei nicht der Retter der FDP oder der von Rösler. Darum gehe es nicht. Nein, auch in der Frage der Finanztransaktionssteuer gebe es keinen Dissens.

Keinen Dissens? Dabei ist Kubicki erklärtermaßen dafür, die Steuer zur Not nur im Euro-Raum einzuführen, während Rösler auf jeden Fall die komplette EU eingebunden sehen will. Na ja, es gebe da schon noch Unterschiede, erklärt Kubicki. Aber nur "in der Frage des räumlichen Geltungsbereiches". Das klingt doch arg nach neuer liberaler Kuschel-Terminologie.

Die fällt dem notorischen Querschläger Kubicki noch erkennbar schwer. Beide treten farblich identisch auf. Dunkler Anzug, fliederfarbene Krawatte. Rösler will darin eine neue Einigkeit erkennen. Kubicki scherzt, aus dem Auftritt könnte sich eine wunderbare Fotomontage zaubern lassen und zeigt auf Rösler: "Sein Körper, mein Kopf." Rösler verzieht kurz sein Gesicht, als hätte er den Mund voll mit sauren Pommes.

Auch dem Plakat kann Kubicki nicht viel abgewinnen: "Sieht eher aus wie: Obst aus deutschen Landen", brummelt er ins Mikro. Aber gut, in Berlin ist "Grüne Woche". Da passt das vielleicht.

Prognosen sehen düster aus

Kubicki wird es aller Wahrscheinlichkeit nach noch irgendwie in den Kieler Landtag schaffen. Vier Prozent hat seine FDP derzeit in Umfragen. "Ich bin mir sicher, dass es besser wird", sagt er. Den Ungläubigen versichert er: "Ich habe heute Morgen nichts geraucht und auch nichts getrunken."

Bleibt das Saarland. Da sehen die Prognosen düster aus. Rösler versucht den Bruch der dortigen Jamaika-Koalition vollständig der CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer anzuheften. Kubicki weigert sich gar, sich an ihren Namen zu erinnern. Was ja auch nicht notwendig sei, unkt er. Später ist der doch genötigt, den Namen auszusprechen, nennt sie aber nur "Frau Kramp-Haumichtot".

Endlich mal eine Thema, wo beide tatsächlich so einig sind, wie sie tun. Und die Röslersche Wachstumsstrategie? Wird Kubicki sie in seinen Wahlkampf einbauen, wird Kubicki nach der Pressekonferenz noch gefragt. An der Antwort lässt sich erkennen, dass er, bei aller Liebe, seinen Wahlkampf auf keinen Fall den lieben Freunden aus Berlin überlassen würde: "Ich baue überhaupt nichts ein von dem, was hier in Berlin passiert!" Damit wäre zum Verhältnis Kubicki/Rösler alles gesagt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: