FDP in der Krise:Freie dramatische Partei

Philipp Rösler, Bundesvorsitzender der FDP und Vizekanzler (li.) mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle und Bundesaußenminister Guido Westerwelle

Liberale in der Krise: Die FDP-Granden Philipp Rösler, Rainer Brüderle und Guido Westerwelle

(Foto: dpa)

Die Lage der FDP ist dramatisch: Will die Partei eine Zukunft aufbauen, muss sie sich ändern. Immerhin das hat die Parteiführung seit einiger Zeit erkannt. Endlich will sie zeigen, dass sie nicht nur Nein sagen kann. Doch ein schweres Erbe belastet die FDP bis heute.

Ein Kommentar von Stefan Braun

Am Sonntag wird die FDP jubeln. Gleichgültig, wer bei den Wahlen zur Führung gewinnt und wer durchfällt - zum Abschluss des Parteitags in Berlin werden sie alle aufstehen, frenetisch klatschen, sich selbst gut finden. Und alle werden ihre Unsicherheiten und Ängste hinter großem Lächeln verbergen. Nun sind solche Rituale bei allen Parteien üblich. Je größer die Sorgen sind, desto heftiger werden die Beifallsstürme. Doch nur weil es alle Parteien so machen, ist es keineswegs richtig. Und für die FDP besteht die Gefahr, dass sie sich ein weiteres Mal selber blendet. Ein guter Parteitag ist eine Voraussetzung, aber mitnichten eine Garantie dafür, dass es für die Liberalen wieder besser wird in der Zukunft.

Für die FDP ist und bleibt die Lage dramatisch. Sie steht in diesen Wochen an einem Endpunkt. So wie es sehr lange war, kann es nicht mehr bleiben. Will sie sich eine Zukunft aufbauen, muss sie sich ändern. Dass die Parteiführung das erkannt hat, zeigen Philipp Rösler und Rainer Brüderle immerhin seit wenigen Wochen. Beide standen Ende Januar in schweren Krisen, beide schauten damals in ihren persönlichen Abgrund. Rösler, weil er als Parteichef gestürzt werden sollte; Brüderle, weil ihn die Sexismus-Vorwürfe viel mehr trafen als er es öffentlich zugibt. Mancher denkt, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, noch mal ganz neu nach, wo der Weg für ihn langgeht. Beide, so scheint es, hat das verändert. Denn seither beginnen Rösler und Brüderle nicht nur, sich einigermaßen zusammenzuraufen. Sie tun das, was die FDP seit dem Start der Koalition vor vier Jahren hätte tun müssen: Sie handeln pragmatisch und kompromissbereit, um ihre Regierungsfähigkeit zu beweisen.

Ob es um den Kampf gegen zu hohe Strompreise geht oder um eine Lohnuntergrenze - das FDP-Duo will zeigen, dass es nicht nur stark ist beim Nein-Sagen. Diese schrittweise Veränderung trägt freilich fast tragische Züge angesichts der Tatsache, dass sich die CDU ein solches Verhalten drei Jahre lang sehnlichst wünschte - und sich ausgerechnet jetzt beim NPD-Verbot oder bei der Homo-Ehe in eigenen Unfähigkeiten verheddert.

Wichtig werden zwei mögliche Rückkehrer

Gleichzeitig erwecken Rösler und Brüderle den Eindruck, sie hätten nach schmerzhaften Jahren verstanden, dass liberal doch mehr ist als Wirtschaftsliberalismus. Sie sprechen neben Steuermoratorium und Haushaltssanierung über Bildung und gerechte Aufstiegschancen. Und sie führen das Wort Leistungsgerechtigkeit als Grund an für eine Lohnuntergrenze in tariffreien Regionen. Das deutet an, dass sie die FDP auch sozial breiter aufstellen möchten. Es ist nicht lange her, da wäre so etwas undenkbar gewesen.

Wie nachhaltig das alles sein wird, hängt nicht nur von den beiden ab. Wichtig werden auch zwei mögliche Rückkehrer, die vor zwei Jahren beim Sturz Westerwelles dabei waren: Christian Lindner und Daniel Bahr. Lindner soll Stellvertreter werden und Bahr fürs Präsidium kandidieren. Reihen sie sich ein in die schrittweise Änderung von Strategie und Kurs, könnte das die Partei stärken. Steigen sie dagegen auf, um den vorsichtig eingeschlagenen Kurs erneut zu ändern, wird die Partei sobald keine Ruhe und keine Linie mehr finden.

Die FDP ist eigentlich viel heterogener

Denn auch wenn er vor zwei Jahren als Parteichef gestürzt wurde - bis heute kämpft die FDP mit nichts so sehr wie mit Guido Westerwelles Erbe. Er ist es gewesen, der die Partei erst zu einem ungeahnten Erfolg und dann in einen beispiellosen Absturz geführt hat. Er war es, der die FDP ganz auf sich ausrichtete und dann auf das Thema Steuersenkungen eingrenzte. Dass er die FDP auf sich trimmte, war noch verständlich. Zwischen Flensburg und Freiburg ist sie viel heterogener als man es bei einem oberflächlichen Blick vermuten könnte. Dabei allerdings war er so erfolgreich und so unersättlich zugleich, dass nach dem Sturz des großen Vorsitzenden niemand groß genug sein konnte, die Macht zu bündeln. Deshalb bestimmen seither Chaos und Verletzungen das Klima in der Parteispitze.

Noch gravierender ist Westerwelles politisches Erbe, also seine Unfähigkeit, sich nach dem Erfolg 2009 vom lautstarken Oppositionspolitiker zum pragmatisch-vernünftigen Regierungsmitglied zu wandeln. Und weil er diese Fehler bis heute nicht als Fehler einräumt, wirkt sein Verhalten nach - in der Partei und noch mehr im öffentlichen Ansehen der Liberalen.

Sicher, man kann die FDP für eine Splitterpartei halten und deshalb abschreiben. Sie hat in den vergangenen vier Jahren viel getan, um solchen Wertungen Nahrung zu geben. Aber die Partei ist dabei, sich mühsam von Westerwelles Erbe zu lösen. Das ist keine Garantie, gewählt zu werden. Aber ohne diesen Schritt könnte sie alle Hoffnungen fahren lassen.

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