FDP in der Koalition:Die rauchenden Colts des Guido Westerwelle

Wie ein Tourist in kurzen Hosen: Guido Westerwelle attackiert Gegner und Koalitionspartner. Angesichts der vielen Regierungspannen seiner Partei ist das nicht politisch, sondern polemisch - und schadet der liberalen Partei.

Kurt Kister

Nein, man braucht wirklich keinen "Neuanfang des Sozialstaates", nur weil Guido Westerwelle gerade mal wieder die Felle davonschwimmen. Sein Geschwätz über Dekadenz und Sozialismus hat vor allem damit zu tun, dass Westerwelle entgegen seiner Natur und entgegen der politischen Vernunft die ersten Wochen in der neuen Regierung de facto zu innenpolitischen Dingen geschwiegen hat.

FDP in der Koalition: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) ist mit rauchenden Colts in die Innenpolitik zurückgekehrt.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) ist mit rauchenden Colts in die Innenpolitik zurückgekehrt.

(Foto: Foto: Reuters)

Er war zu sehr damit beschäftigt, sich und der Welt zu beweisen, dass er Außenminister kann.

Schrille Auseinandersetzung mit Feindbildern

Auch weil die Reputation der schwarz-gelben Koalition nahezu zerbrochen ist, bevor sie überhaupt Ansehen entwickeln konnte, ist Westerwelle nun mit rauchenden Colts als regierender Oppositionschef in die Innenpolitik zurückgekehrt. Er hat ein moderates Urteil des Verfassungsgerichts zum Anlass genommen, sich mit jenen Feindbildern, die er seit Jahrzehnten pflegt, zunehmend schriller auseinanderzusetzen.

Anders als er insinuiert, ist die Zahl derer, die keine deutlichen Unterschiede zwischen Transferzahlungen und Arbeitslohn haben wollen, sehr gering in Deutschland. Sicher, es gibt politische Konflikte, ob man diesen nötigen Unterschied durch gesetzliche Mindestlöhne fördern soll oder nicht. Auch die Höhe des Satzes der Grundsicherung ist umstritten. Wegen solcher Differenzen aber Gegner und Koalitionspartner mit feindseliger, zum Teil dumpfer Rhetorik zu überziehen, ist nicht politisch, sondern polemisch.

Symbol für vergeigte Tage

Wenn solchem Krawall gutes Regieren gegenüberstünde, wäre es nicht ganz so schlimm. Die verkorkste Steuersenkung für Hotelübernachtungen aber wird mittlerweile auch in Teilen der FDP, ganz zu schweigen von der CDU, als ein Musterbeispiel dafür gesehen, wie man es nicht machen soll.

Sie ist Symbol geworden für hundert vergeigte Tage. Wegen Westerwelles jüngster Attacken steht die FDP nun innenpolitisch wie ein Tourist in kurzen Hosen da: große Klappe, aber selbst nichts auf die Reihe bringen. Das - und nicht zu viel Kompromisslertum - ist die Ursache, warum die FDP in den Umfragen so abgestürzt ist.

Der FDP als mitregierender Partei fehlt vieles. Sie verfügt nicht einmal über den Geist, gemeinsam in einer Regierung etwas erreichen zu wollen, was sich daran zeigt, dass fast alle FDP-Menschen nicht für die Regierung denken und sprechen, sondern nur für die FDP in der Regierung. Das ist so beim Egozentriker Westerwelle, aber auch bei der nur nach innen agierenden Fraktionschefin Homburger, bis hinab zum zwar stellvertretenden Regierungs-, aber eigentlich Parteisprecher Steegmanns.

Aufruf zur Besinnung

Das Unbehagen über den Kurs, der die FDP beutelt, macht sich auch am Vorsitzenden fest. Gewiss gehört der FDP-Vize Pinkwart nicht zu jenen Politikern, die man stets ernst nehmen müsste. Trotzdem sollte Westerwelle Pinkwarts Forderung nach Macht- und Präsenzteilung als das nehmen, was es ist: ein Aufruf zur Besinnung und jedenfalls zum Wiederanlegen der langen Hosen.

Im Video: FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle hat eine Generaldebatte im Bundestag zur Hartz-IV-Gesetzgebung gefordert.

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