FDP in den Ländern:"Bleiweste statt Rettungsring"

Vor allem die Liberalen der Länderregierungen in Kiel und Dresden rebellieren gegen den Koalitionsvertrag - den sie selbst unterschrieben haben.

Peter Blechschmidt

Vorsitzende von Parteien, Fraktionen oder Organisationen werden gern auch als Chefs apostrophiert. Das verleiht ihnen eine gewisse Aura von Macht und eignet sich wegen der Kürze auch gut für Schlagzeilen. Leider - zumindest aus Sicht der "Chefs" - ist es mit dem Machtanspruch in demokratischen Institutionen nicht so weit her.

FDP in den Ländern: Nicht mit uns: Wolfgang Kubicki (FDP) und sein CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sperren sich gegen die Steuerpläne aus Berlin.

Nicht mit uns: Wolfgang Kubicki (FDP) und sein CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sperren sich gegen die Steuerpläne aus Berlin.

(Foto: Foto: dpa)

Diese Erfahrung macht dieser Tage wieder einmal der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle. Wäre es anders, könnte er widerborstige Landespolitiker wie den schleswig-holsteinischen Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki oder dessen sächsischen Kollegen Holger Zastrow einfach anweisen, dem Steuerentlastungsgesetz der Bundesregierung im Bundesrat zuzustimmen.

So aber bleibt Westerwelle nur gutes Zureden, überzeugendes Argumentieren und am Ende wahrscheinlich ein finanzielles Zugeständnis, um für das mit dem Koalitionspartner Union ausgehandelte Paket ein Ja der Länderkammer zu erwirken.

Die schwarz-gelben Länder laufen Sturm gegen Berlin

Im Steuerstreit zwischen Bund und Ländern wird leicht übersehen, dass in den meisten Landesregierungen, auf deren Zustimmung der Bund angewiesen ist, die FDP mit im Boot sitzt. Schleswig-Holstein und Sachsen sind zwei dieser schwarz-gelb regierten Länder, und sie laufen vehement Sturm gegen das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Die Regierung in Kiel rechnet infolge dieses Gesetzes mit Steuermindereinnahmen von 70 Millionen Euro im Jahr, die das ohnehin hochverschuldete Land nicht mehr tragen könne. Vor allem die geplante Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotel-Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent halten die Norddeutschen, um in der Sprache der CSU zu bleiben, die diese Wohltat in den Koalitionsvertrag gedrückt hat, für einen ausgemachten Schmarrn.

Diesmal soll es um die Sache gehen

Die Sachsen wiederum rechnen vor, dass das Gesetz sie zu weiteren Investitionen verpflichte, die nur mit Krediten finanziert werden könnten. Dies stehe jedoch dem erklärten Ziel der Haushaltssanierung entgegen; überdies liege der Investitionsanteil im sächsischen Landeshaushalt mit 20 Prozent ohnehin schon höher als in den meisten anderen Ländern. Den niedrigeren Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen wiederum haben CDU und FDP auch in Sachsen in ihren Koalitionsvertrag geschrieben.

Kubicki, der starke Mann der holsteinischen FDP, steht in dem Ruf, gern wider den Stachel der Parteiführung in Berlin zu löcken. Der enge Vertraute des ehemaligen FDP-Vizevorsitzenden und Westerwelle-Widersachers Jürgen Möllemann war schon für manche Sottise auch gegen Westerwelle gut.

Diesmal aber, so beteuert Kubickis Sprecher Christian Albrecht, geht es wirklich um die Sache. "Das Land braucht Hilfe", sagt Albrecht am Montag, "Wir rufen nach einem Rettungsring, und die bieten uns eine Bleiweste an."

Schleswig-Holstein habe ein strukturelles Haushaltsdefizit von 600 Millionen Euro im Jahr, rechnet Albrecht vor. Um dies bis zum Jahr 2020 wegen der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz abzubauen, soll das Land jährlich 80 Millionen Euro vom Bund erhalten. Die aber wären durch die 70 Millionen infolge des Wachstumsgesetzes fast wieder verfrühstückt.

"Wir haben nichts davon, dass Berlin einen schlechten Start hat"

"Wir haben nichts davon, dass die Bundesregierung einen schlechten Start hat", versichert Albrecht. Aber was da in Berlin jetzt ausgehandelt worden sei, könne Schleswig-Holstein eben nicht verkraften.

Haben die holsteinischen Delegierten dies nicht bedacht, als sie am 25. Oktober auf einem Sonderparteitag in Berlin dem Koalitionsvertrag zugestimmt haben? Das sei damals nicht so klar gewesen, heißt es heute. Und Kubicki war bei dem Parteitag nicht dabei.

Kubicki wie Zastrow stehen in dem Steuerstreit mit Berlin stramm an der Seite ihrer jeweiligen CDU-Ministerpräsidenten. Zastrow will schon Signale aus Berlin vernommen haben, dass man den sächsischen Wünschen entgegenkommen wolle. Schließlich verursache das ja für den Bund und die anderen Länder keine Kosten. Auch in Kiel setzt man darauf, dass sich Standfestigkeit am Ende auszahlen wird.

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