FDP im Umfragehoch:Linkspartei der Marktliberalen

Die FDP scheint in der Finanzkrise neue Wahrheiten entdeckt zu haben. Das täuscht. Sie ist marktliberal wie eh und je. Das macht sie für Minderheiten attraktiv.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Finanzmärkte brechen zusammen, die Börse spielt verrückt, die Wirtschaft schlittert in eine Rezession. Der Turbo-, Raubtier- und Heuschreckenkapitalismus hat abgewirtschaftet. Staatssozialismus scheint die neue Antwort zu sein.

FDP im Umfragehoch: Erfolgreicher Minderheitenfänger: FDP-Chef Guido Westerwelle.

Erfolgreicher Minderheitenfänger: FDP-Chef Guido Westerwelle.

(Foto: Foto: dpa)

Und was machen die Wähler? Sie geben ausgerechnet jener Partei vermehrt ihre Stimme, die sich wie keine andere Partei die Freiheit der Märkte auf ihre Fahnen geschrieben hat. Auch in jüngsten Umfragen legt die FDP weiter zu, jetzt auf 13 Prozent. Vor wenigen Wochen lag sie noch bei sieben Prozent.

Ja, spinnen die denn? Das könnte an dieser Stelle eine spontane Frage sein. Denn nichts hat die FDP in ihrer Geschichte so sehr befördert wie den freien Markt, der sich jetzt mit den Freiheiten überfordert zeigt. Der Staat hat sich bitteschön rauszuhalten. Gesetzliche Krankenversicherung? Unsinn, dass können auch die Privaten. Staatliche Arbeitsvermittlung? Abschaffen. Strenge Bankenaufsicht? So ein Quatsch, der Markt regelt sich selbst.

Vor kurzem im Bundestag staunten die Beobachter deshalb nicht schlecht, als Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle die öffentlich-rechtlichen Banken in Schutz nahm. Jede Volksbank werde durchsucht, jede Sparkasse schikaniert, ereiferte er sich. Aber bei den Dax-Unternehmen schaue niemand hin.

Nur zur Erinnerung: Da sprach jener Mann, der mit den Augen rollt, wenn in seiner Gegenwart jemand von "Gemeinwohl" spricht. Da sprach der Chef einer Partei, die die Vollkasko-Mentalität der Bürger geißelt. Privatisierung und Deregulierung sind die Markenzeichen dieser Partei gewesen. Das Credo: Eigenverantwortung ist klasse. Solidarität - die ist Mist.

Und jetzt fordert Westerwelle mehr Bankenkontrolle, werden Banker und Wirtschaftsbosse an ihre moralischen Verpflichtungen erinnert, sollen Kleinsparer geschützt werden und Zocker geächtet. Klingt sehr nach blankem Opportunismus.

In der Tat ist das nicht mehr als ein wenig rote Schminke in einem weiter marktliberalen Gesicht. Wer in der FDP nachfragt, wer die Krise zu verantworten hat, der bekommt Antworten wie die von Otto Graf Lambsdorff: Er stimme "denjenigen zu, die lieber vom Staatsversagen als vom Marktversagen sprechen".

Vielleicht ist das sogar der Grund, weshalb die FDP in Umfragen so gut wie lange nicht dasteht. Was die Linkspartei für Sozialromantiker, ist die FDP für jene letzten Marktliberalen, denen CDU und CSU zu weit nach links gerutscht sind.

In einer Renaissance sozialistischer Ideen ist Westerwelle ein einsamer Rufer. Alle rennen nach links, nur die FDP bleibt stehen. So sieht Westerwelles Taktik aus.

Aber: 13 Prozent in Umfragen, das bedeutet auch: 87 Prozent halten die Ideen der FDP für überholt. Das wiederum ist eine gute Nachricht für das aktuelle sozialdemokratische Einheitsbündnis von SPD, CDU, Linkspartei und Grünen.

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