FDP:Fünf Stimmen

Thomas Kemmerich, FDP-Spitzenkandidat in Thüringen:

"Wir werden mit Herrn Ramelow nicht über ein Bündnis sprechen, über eine Koalition. Auch eine Tolerierung oder andere Unterstützung sehe ich nicht."

Ganz knapp schaffen es die Liberalen in den Landtag. Mitregieren wollen sie aber lieber nicht.

Von Daniel Brössler, Berlin

Am Anfang holt Christian Lindner, um die Größe des Erfolgs deutlich zu machen, ein bisschen aus. Die FDP, doziert er, sei die Partei der Marktwirtschaft, der Freiheit, des Wandels, des beschleunigten Fortschritts. Damit habe man sich in "den vergangenen Jahren in Ostdeutschland immer schwergetan". Zehn Jahre liege es zurück, dass die Partei in Ostdeutschland zuletzt in einen Landtag eingezogen sei. Der Parteichef wäre also, wie seine Einführung deutlich macht, auch diesmal routiniert in der Lage gewesen zu erklären, warum es wieder nicht geklappt hat mit dem Einzug in den Landtag von Thüringen - so wie zuvor in Brandenburg und Sachsen. Ebenso routiniert hätte er darlegen können, warum das bundespolitisch von begrenzter Bedeutung sei.

Ein Plus von 2,5 Prozentpunkten und eine Handvoll Wähler haben ihm das erspart. Laut vorläufigem Ergebnis erzielte die FDP 55 422 der Stimmen. Damit liegt sie nur fünf Stimmen oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde. "Jede Stimme zählt. Nie war dieser Satz weiser als heute", konstatiert der FDP-Chef erleichtert. Mit dem "bemerkenswert knappen Ergebnis" habe die FDP ihre zwei Wahlziele erreicht, verkündet der Spitzenkandidat und Noch-Bundestagsabgeordnete Thomas Kemmerich: die rot-rot-grüne Mehrheit sei gebrochen und der FDP sei die Rückkehr in den Thüringer Landtag gelungen.

Aus beidem freilich ergeben sich nun für die Liberalen jene Fragen, die zumindest einen Hauch von Jamaika umwehen. Jedenfalls insofern, als sie - wie die FDP im Bund 2017 - beantworten muss, ob das Wahlergebnis bedeutet, sich in die Pflicht nehmen lassen zu müssen. Kemmerich verneint das und verwirft alle Überlegungen zur Unterstützung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow. "Wir werden mit Herrn Ramelow nicht über ein Bündnis sprechen oder eine Koalition", stellt er klar. Man sei "angetreten, das rot-rot-grüne Bündnis in Thüringen zu beenden" und stehe nicht zur Verfügung für eine "wie auch immer geartete Beteiligung an dieser Regierung". Auch eine Tolerierung oder andere Unterstützung "sehe" er nicht.

Den Eindruck, er habe am Wahlabend noch etwas offener geklungen, weist Parteichef Lindner zurück. Für Thüringen könne er sich lediglich das vorstellen, was die FDP im Bundestag praktiziere, nämlich eine "konstruktive Opposition", die Gesetzesvorhaben fallweise unterstütze. Nur in dieser Hinsicht ist auch Kemmerich zu Gesprächen mit Ministerpräsident Ramelow bereit. "Wenn er morgen ein Konzept vorlegt, den Schulausfall zu beenden, bin ich gerne bereit, über ein solches Konzept mit ihm zu sprechen", sagt er. Die FDP habe, betont Kemmerich, den "Wählerauftrag, das Sicherheits- und Rechtsstaatsgefühl in Thüringen zu stärken". Wie das ohne einigermaßen stabile Regierungsverhältnisse gelingen soll, erläutert er nicht. Die neue Offenheit, die CDU-Chef Mike Mohring gegenüber dem Linken Ramelow am Montag erkennen ließ, bezeichnet Kemmerich als "bedenklich".

Welche Fragen sich für die FDP tatsächlich stellen, ist allerdings erst am 7. November sicher. Erst dann steht das amtliche Endergebnis fest.

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