FDP:Ein Tweet zu viel

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Thomas Kemmerich, der kurzzeitige FDP-Ministerpräsident Thüringens, will weitermachen. Er plant, bei der Landtagswahl im April wieder Spitzenkandidat seiner Partei zu werden. Mit der Hilfe des Bundesverbands darf er nicht mehr rechnen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es ist ein Satz von schneidender Schärfe. "Das FDP-Präsidium distanziert sich geschlossen von den aktuellen Äußerungen von Thomas Kemmerich", heißt es in einer Erklärung des Generalsekretärs Volker Wissing nach einer eigens anberaumten Telefonschalte des Gremiums am Freitagmorgen. Aufgeschreckt worden waren die Parteioberen von einem Tweet Kemmerichs, der zwar nur ganze 19 Worte lang ist, aber gleichwohl einen tiefen Einblick gewährt in die Gedankenwelt Kemmerichs. Nicht seine Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten im Februar sei ein Fehler gewesen, schrieb er, "sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation".

Der Thüringer FDP-Chef hatte sich offenkundig provoziert gefühlt von der Wortmeldung eines Nutzers mit nicht einmal 20 Followern. Darin war er aufgefordert worden, nicht mit Steinen zu werfen, "wenn man im Glashaus sitzt". Niemand habe mehr zur "Verunsicherung in Thüringen" beigetragen als Kemmerich während seiner kurzen Amtszeit. Die in einer etwas verhaspelten Grammatik verfasste Antwort wirft die gesamte Verteidigungslinie der FDP über den Haufen. Sie wollte den Schaden für die Partei begrenzen, nachdem Kemmerich im Februar mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt geworden war. Diese Linie besteht eigentlich darin, diese Wahl als Fehler zu erkennen, zu bedauern und jegliche Zusammenarbeit mit der AfD abzulehnen. "Die Annahme der Wahl war ein schwerer politischer und persönlicher Fehler. Sie stand in krassem Widerspruch zu der liberalen Grundhaltung der Freien Demokraten", stellte Wissing nun noch einmal klar.

Die Partei hat Sorge, dass der Ex-Ministerpräsident sie weiter nach unten zieht

Nicht erst seit dem Tweet Kemmerichs ist FDP-Chef Christian Lindner und dem Rest der Parteiführung klar, dass der Thüringer sich als Opfer sieht - und nicht als Politiker, der den Liberalen in diesem Jahr den größtmöglichen Imageschaden zugefügt hat. Lindner, der Kemmerich anfangs noch zugute gehalten hatte, er sei "übermannt" worden, hatte schließlich nur mit einer klaren Abgrenzung und der Vertrauensfrage die partei-internen Wogen glätten können.

Für den Fall, dass Kemmerich bei der Landtagswahl in Thüringen im April nun wieder als Spitzenkandidat antritt, fürchtet die FDP das Schlimmste für die Bundestagswahl - angesichts von Umfragewerten, die schon jetzt nicht weit über der Fünf-Prozent-Hürde liegen. "Der Bundesverband wird eine Spitzenkandidatur von Thomas Kemmerich bei der nächsten Wahl des Landtags von Thüringen nicht unterstützen", stellte Wissing deshalb klar. Die Entscheidung über die Spitzenkandidatur treffe zwar der Landesverband Thüringen. Für das Präsidium der FDP stehe jedoch fest, "dass es keinerlei finanzielle, logistische oder organisatorische Unterstützung für einen Wahlkampf eines Spitzenkandidaten Thomas Kemmerich durch den Bundesverband geben wird". In einem in dieser Form wohl einmaligen Brief bekräftigten das am Nachmittag die 15 Vorsitzenden aller anderen Landesverbände. Sie forderten Kemmerich "eindringlich" auf, seinen Verzicht auf die Spitzenkandidatur zu erklären. Dies sei für "das Wohl der Partei unerlässlich".

© SZ vom 10.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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