Kurz nach Beginn des Bundestagswahlkampfs verliert die FDP ihren Generalsekretär. Bijan Djir-Sarai ist am Freitag zurückgetreten. Hintergrund sind Recherchen der Süddeutschen Zeitung und anderer Medien. Demnach hatte die FDP-Parteizentrale einen Ausstieg aus der Ampelkoalition unter dem Stichwort „D-Day“ vorbereitet. Die Partei hat lange bestritten, dass das Wort dafür gewählt wurde. „Dieser Begriff ist nicht benutzt worden“, hatte Djir-Sarai gesagt. Erst nachdem die SZ die FDP auf entsprechende interne Unterlagen hingewiesen hatte, stellte die Partei das entsprechende „D-Day“-Dokument selbst online. Darin wird der Bruch der Ampel auch als „Beginn der offenen Feldschlacht“ bezeichnet.
„Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert“, sagte Djir-Sarai in seiner kurzen Rücktrittserklärung. „Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte. Weder von der Erstellung noch von der inhaltlichen Ausrichtung. Dafür entschuldige ich mich.“ Als Generalsekretär übernehme er für den Vorgang die politische Verantwortung. Am Donnerstag hatte er noch „Mitarbeiter“ für das Papier verantwortlich gemacht, was ihm in der FDP viele übel genommen haben.
Liberale:Wann ist der beste Zeitpunkt, um Schluss zu machen?
Die FDP hat sich in ihrem Strategiepapier zum Ampel-Bruch intensiv mit Terminfragen beschäftigt. Die Detailschärfe legt nahe, dass die Parteispitze das Ende der Ampel angestrebt hat.
Autor des Papiers ist nach Parteiangaben der Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann gewesen, der am Freitag ebenfalls zurücktrat. „In diesen Wahlkampf sollte die FDP mit voller Kraft und ohne belastende Personaldebatten gehen“, sagte Reymann. Wer die beiden Posten in der Parteizentrale übernimmt, blieb zunächst offen. Ein Generalsekretär ist zentral in Wahlkämpfen. Auftritte müssen landesweit organisiert, politische Botschaften abgestimmt, Social-Media-Postings geplant werden. Zusammen ergibt das die Kampagne einer Partei, die ein Generalsekretär in der Regel verantwortet.
Die FDP hat eigentlich gehofft, in den Umfragen vom Kollaps der Ampel zu profitieren, da sie in den Wahlen seit Eintritt in die Regierung besonders gelitten hat. Die Partei hat sich auf einen Wahlkampf gefreut, in dem die Wirtschaftspolitik im Fokus steht und damit ihr Kernthema. Doch manche Liberale fürchten jetzt, dass ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde wahrscheinlicher wird.
Zudem wird unter Liberalen eingeräumt, dass in einer Partei, die so stark auf ihren Vorsitzenden Christian Lindner ausgerichtet ist, sich die Frage aufzwinge, ob er nicht eingeweiht gewesen sei und die angeblich internen Papiere gekannt habe. Lindner teilte am Freitag mit, das Papier sei lediglich ein Entwurf gewesen. „Ich habe es nicht zur Kenntnis genommen und hätte es auch nicht gebilligt“, so der FDP-Vorsitzende.
In der FDP sind die Spannungen mit den beiden Rücktritten nicht ausgeräumt. Viele Liberale fragen sich, was hier schiefgelaufen ist und warum die Parteizentrale nach den ersten Berichten vor zwei Wochen die Vorwürfe nicht aufgeklärt habe, statt sie pauschal zu dementieren. Der Wunsch ist spürbar, dass dies nun aufgeklärt wird. Allerdings stand Djir-Sarai nach seinem mit versteinerter Miene vorgetragenen Statement für Fragen nicht zur Verfügung.
Viele Liberale äußern zudem Unmut, weil sie selbst in der Öffentlichkeit die FDP gegen den Vorwurf verteidigt haben, unter dem Schlagwort „D-Day“ den Koalitionsbruch geplant zu haben – und somit ein falsches Dementi weitergetragen haben. Deutlich wurde die Vorsitzende der Jungen Liberalen (Julis), Franziska Brandmann. „Nicht nur die Öffentlichkeit muss den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei“, sagte sie. „Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht.“ Dieses Gefühl werde von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt. Das Papier entspreche zwar nicht den Debatten im FDP-Bundesvorstand. Aber dass es erstellt wurde, lasse tief blicken, so Brandmann. „Diese Vorgänge haben unsere Partei viel Glaubwürdigkeit gekostet.“
Die politische Konkurrenz verurteilte die FDP scharf. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fühle sich in seinem Schritt, Lindner als Finanzminister entlassen zu haben, „durch die aktuellen Veröffentlichungen in seiner Entscheidung bestätigt“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. „Und er findet, dass er in diesem Zusammenhang richtig entschieden hat.“ Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, hält die FDP nicht mehr für koalitionsfähig. „Wer die Öffentlichkeit belügt, um am Ende eigenen Mitarbeitern die Schuld in die Schuhe zu schieben, sollte so schnell keine Verantwortung in Deutschland mehr übernehmen“, sagte er. „Wir haben an diese liberale Laienschauspieltruppe keine Stimmen zu verschenken.“