Liberale Corona-Politik:Die FDP leistet einen wichtigen Dienst an der Demokratie

Deutschland, Berlin, Bundestag, FDP Fraktion, Statement von Christian Lindner, 17.11.2020 *** Germany, Berlin, Bundesta

Trifft in der Pandemie den richtigen Ton als Oppositionspolitiker: FDP-Chef Christian Lindner

(Foto: imago images/Christian Thiel)

Endlich hat die Partei ihre Rolle gefunden: Sie kritisiert den Maßnahmenkatalog der Koalition gegen die Seuche, ohne sich deshalb den Corona-Leugnern und Hetzern anzuschließen.

Kommentar von Daniel Brössler, Berlin

Die Corona-Pandemie war noch jung, als die FDP in den Verdacht geriet, sie sei wieder ganz die alte. Christian Lindner verkündete im Bundestag das Ende der Einmütigkeit und positionierte seine Partei dort, wo es eigentlich keinen Platz zu geben schien für verantwortungsvolle Politik. Lindner zweifelte den Sinn etlicher Maßnahmen im Kampf gegen das Virus an, scharf kritisierte er Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Krisenmanagement der Bundesregierung. Es konnte der Eindruck entstehen, Lindner kehre in jene riskante Zone zurück, in der er sich wegen seiner Zweifel an ausreichender Meinungsfreiheit in Deutschland Annäherungsversuche an Populisten hatte vorwerfen lassen müssen. Das war im April. Sieben Monate später ist klar: Das Gegenteil ist richtig. In der Corona-Pandemie leistet die FDP einen wichtigen Dienst an der Demokratie.

Das zeigte sich besonders deutlich in der aufgeheizten Atmosphäre einer Woche, in der Verschwörungstheoretiker im und außerhalb des Bundestages parlamentarische Mehrheitsentscheidungen als Weg in die Diktatur verunglimpften und die neue Infektionsschutz-Gesetzgebung als Ermächtigungsgesetz diffamierten. Die AfD glaubt in der Pandemie die Chance erkannt zu haben, die ihr so verhasste parlamentarische Demokratie entscheidend zu schwächen. Ob ihr das gelingt oder nicht, hängt von den Abwehrkräften dieser Demokratie ab. Indem die FDP sich so klar absetzt von der Corona-Politik der ganz großen Koalition in Bund und Ländern, schwächt sie das parlamentarische Immunsystem nicht. Sie stärkt es.

Über ohnehin bereits radikalisierte Teile der Bevölkerung hinaus entfaltet das Gerede von der Corona-Diktatur schließlich vor allem dort Wirkung, wo der Sinn von Infektionsschutzmaßnahmen nicht einleuchtet und Zweifel von der Staatsmacht ignoriert zu werden scheinen. Die große Einigkeit wesentlicher Teile des politischen Spektrums kann eben nicht nur Rückhalt in der Bevölkerung sichern, sondern auch zum gegenteiligen Effekt führen - zum Gefühl, dass Gegenstimmen marginalisiert werden. Umso wichtiger ist die nüchterne, begründete Kritik der demokratischen Opposition.

Die FDP erfüllt diese Aufgabe, indem sie - jedenfalls in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit - jede Nähe zu Leugnern und Verharmlosern der Pandemie meidet, aber auch Distanz zur Bundesregierung wahrt und Zweifel an einzelnen Maßnahmen äußert, etwa der Schließung von Restaurants. Die Pandemie ist eine Notlage, begründet aber keinen demokratischen Ausnahmezustand. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU hat angezweifelt, ob die FDP stolz sein kann auf ihr Nein zum neuen Bevölkerungsschutzgesetz. Die Antwort lautet: Sie kann es.

Das Pochen auf parlamentarische Kontrolle gehört zu den Urpflichten der Opposition

Zum einen, weil das Gesetz tatsächlich schwammig ist, wo es das nicht sein müsste. Zum anderen, weil das Pochen auf parlamentarische Kontrolle zu den Urpflichten der Opposition gehört. Es ist möglich, diese wahrzunehmen und zugleich den Hetzreden vom angeblichen "Ermächtigungsgesetz" eine entschiedene Absage zu erteilen. FDP-Politiker wie Marco Buschmann und Konstantin Kuhle haben - wie übrigens auch führende Linke - gezeigt, wie das geht.

Begonnen hatte diese Legislaturperiode nach einem großen Wahlerfolg für die FDP mit einem Tiefpunkt. Auch Lindner bestreitet mittlerweile nicht mehr, wie sehr der Auszug aus den Jamaika-Gesprächen der Partei geschadet hat. Es entstand der Eindruck, die FDP scheue die Verantwortung. Zumindest diesen Vorwurf kann man ihr in der Corona-Pandemie nicht machen.

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