FDP-Chef Westerwelle in der Kritik:Das Problem hat einen Namen

Beschuss aus den eigenen Reihen: Bei ihrer Herbstklausur machen FDP-Abgeordnete den Parteichef für die schlechten Umfragewerte verantwortlich. In der Frage nach einer Alternative zu Westerwelle fällt immer öfter ein bestimmter Name.

Peter Blechschmidt

Der Gastredner empfahl Optimismus. "Niemand will verzagte Politiker", mahnte der Verleger Florian Langenscheidt die Bundestagsabgeordneten der FDP, die sich von Mittwoch bis Freitag im Schlosshotel Bensberg zu ihrer Herbstklausur zusammengefunden hatten. Die Liberalen können Aufmunterung gebrauchen. Zwischen Verzagtheit und dem Mut der Verzweiflung schwankt die Stimmung bei vielen FDP-Mitgliedern.

Massive Kritik an Parteispitze aus der FDP

In der Kritik: Parteichef Guido Westerwelle ist nach Ansicht vieler Liberaler verantwortlich dafür, dass die FDP sich im Umfragetief befindet.

(Foto: dpa)

"Alle starren wie das Kaninchen auf die Schlange nach Baden-Württemberg", sagt eine Abgeordnete. Dort wird im nächsten Frühjahr ein neuer Landtag gewählt - ebenso übrigens wie in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt, nur spricht davon kaum jemand. Seit Monaten verheißen die Umfragen für die FDP nichts Gutes, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Wenn die Protestwelle gegen das Bahnprojekt "Stuttgart 21" nicht bald abebbt, droht der schwarz-gelben Landesregierung die Abwahl.

Das Problem der FDP hat einen Namen: Guido Westerwelle. Unter seiner Führung ist die Partei in den vergangenen Jahren von Wahlerfolg zu Wahlerfolg geeilt, zuletzt zu sensationellen 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl. Seither aber ist der Vorsitzende zu einer Belastung für seine Partei geworden. Er wird für das schlechte Management in den ersten Monaten der schwarz-gelben Koalition mitverantwortlich gemacht. Seine Rolle als Außenminister hat er immer noch nicht gefunden. Vor allem aber gelingt es ihm nicht, seine Sympathiewerte zu verbessern.

"Die Leute mögen ihn einfach nicht", räumen selbst diejenigen ein, die ihn stützen. "Wenn uns andere nicht loben, müssen wir uns eben selbst loben", hat Westerwelle laut Abgeordneten in der Klausursitzung gesagt. "Aber man darf sich dabei auch nicht selbst was vormachen", kontert einer aus der Führungsriege. Westerwelle ist zu klug, als dass er das Krisenhafte seiner Situation nicht erkennen würde. Die Frage ist nur, welche Schlüsse er daraus zieht.

Von sich aus werde er sicher nicht hinwerfen, da sind sich fast alle einig. Er habe vor, noch lange Politik zu machen, sagte Westerwelle dieser Tage in einem Interview - den Freunden zum Trost und den Gegnern zum Trotz. Dabei sind nicht wenige der Ansicht, dass seine Lage nahezu ausweglos ist. "Es hat schon fast etwas Tragisches", kommentiert ein alter Kämpe. Wenn die Kritik der Mitleidsbekundung weicht, dann ist ein Politiker eigentlich am Ende.

Doch bis zu den Landtagswahlen im Frühjahr müsse die FDP mit Westerwelle durchhalten, sagen die meisten in der Fraktion, auch jene, die noch vor ein paar Wochen den Sturm prophezeit hatten, der Westerwelle im Herbst hinwegfegen werde. Stattdessen hat man sich jetzt darauf verständigt, dass Personaldebatten das Problem nicht lösen.

Die Alternative zu Westerwelle

Sacharbeit ist angesagt, und da gewinnt einer an Statur, dem man vor ein paar Wochen noch bescheinigt hat, er habe seine Zukunft hinter sich. Er habe einen tollen Auftritt hingelegt, bescheinigen die Abgeordneten unisono dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Rainer Brüderle. Der Wirtschaftsminister hat den Atomkompromiss der Koalition vom vergangenen Wochenende erläutert - sehr souverän, sattelfest in der Sache, koalitionsfreundlich im Ton, wie seine Zuhörer vermelden. "Der weiß, was er kann, der ruht in sich", sagt eine Abgeordnete. "Momentan ist Brüderle der Strahlemann", begeistert sich eine andere.

Immer mehr Abgeordnete, auch Jüngere, nennen den Mittsechziger aus Mainz, wenn die Frage nach einer Alternative zu Westerwelle aufgeworfen wird. Die FDP müsse begeisternde Themen finden, die alle Menschen etwas angingen, sagte Ratgeber Langenscheidt - und hatte auch gleich eine Empfehlung parat: Bildung. Das Problem dabei: Gerade bei diesem Thema sind die Liberalen tief zerstritten. Während Langenscheidt ein Ende des Bildungsföderalismus forderte und dabei jemanden wie die stellvertretende Parteivorsitzende Cornelia Pieper auf seiner Seite hat, sind die Bildungsexperten mehrheitlich glühende Verfechter der Kleinteiligkeit.

Fraktionschefin Birgit Homburger nannte denn auch zum Abschluss der Klausur andere Themen, die bis zum Jahresende der Lösung harren: die Sanierung des Bundeshaushalts, das Energiekonzept, die Reform der Bundeswehr und des Gesundheitswesens sowie die Neuregelung von Hartz IV. In all diesen Fragen würden Union und FDP ihre Handlungsfähigkeit beweisen. Und wenn es die Koalition dann noch schaffe, das Beschlossene auch gemeinsam zu vertreten, statt sich darüber zu zerstreiten, werde es auch mit den Umfragen wieder aufwärts gehen.

Noch etwas Aufmunterndes hatte Langenscheidt für die Liberalen im Gepäck. Er wolle mal den Politikern Dank sagen, dass sie sich für die Allgemeinheit einsetzten. Das freute dann auch Birgit Homburger. "Dank für unsere Arbeit sind wir gar nicht gewohnt. Aber es hat gutgetan."

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