FDP-Chef Lindner und die Moomax-Insolvenz:Dank Pleite zum Internet-Star

Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtags

Christian Lindner, hier auf einem Archivbild vom 17.12.2014, hat im Düsseldorfer Landtag eine Wutrede gehalten.

(Foto: dpa)
  • Eine Wutrede von FDP-Chef Christian Lindner im NRW-Landtag ist im Netz zum Hit geworden.
  • Lindner will nicht länger wegen der Pleite eines Unternehmens 2001 biografisch stigmatisiert werden.
  • Lindner hält einem Zwischenrufer von der SPD vor, immer nur vom Staat gelebt zu haben. Ein Vorwurf allerdings, der streng genommen, auch auf ihn zurückfällt.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Immer dieses vermaledeite Unternehmen. Die Moomax GmbH. Mitgegründet von Christian Lindner, heute FDP-Bundesvorsitzender und Fraktionschef im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Bis zum April 2001 war er ein Jahr lang Geschäftsführer dieser erfolglosen Internetklitsche.

Ein halbes Jahr nach Lindners Ausstieg meldete das Unternehmen Insolvenz an. Zwei Millionen Euro gingen den Bach runter, 1,4 Millionen davon gingen zu Lasten der Steuerzahler. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hatte dem Risikokapitalgeber Enjoyventure für seine Moomax-Beteiligung das Geld vorgeschossen. Nach der Pleite war alles futsch. Schluss mit Enjoy.

Das ist jetzt bald 14 Jahre her und sorgt doch immer wieder für Aufregung. Diesmal allerdings für eine, die ganz im Sinne von FDP-Boss Lindner sein dürfte. An einer Stelle aber schwer nach hinten losgeht.

Vergangene Woche im Landtag von NRW. Lindner antwortet auf die Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, SPD. Es geht um die Wirtschaft, um den Gründergeist. Lindner pflichtet ihr bei. Gründungen seien "Ausdruck des Zukunftsvertrauens einer Gesellschaft".

Da kommt Volker Münchow ins Spiel, Jahrgang 1960, seit 2012 Mitglied des Landtages. Mit Unternehmensgründungen habe Lindner ja so seine Erfahrungen gemacht, ruft er dazwischen. Sachlich richtig. Aber sicher nicht nett gemeint.

Was dann zu beobachten ist, ist die Metamorphose eines seriösen Oppositionspolitikers zum Wutredner. Nachzusehen in einem Video, das im Internet zum Hit geworden ist.

Zeigefinger wie eine Nähmaschinennadel

"Ach, gucken Sie mal da", reagiert Lindner spöttisch. "Das ist ja interessant." Ja, er habe schon einmal ein Unternehmen gegründet in der Hochphase der New Economy. "Und dieses Unternehmen war damals nicht erfolgreich." Aber ob denn der SPD-Kollege seiner Ministerpräsidentin nicht zugehört habe? Die habe doch gerade selbst gesagt, "man soll auch Scheitern von Pionieren nicht ein Leben lang biografisch als Stigma verwenden".

Dann wendet sich Lindner vom Pult aus Kraft zu, sticht zugleich mit dem Zeigefinger wie eine Nähmaschinennadel immer wieder in Richtung des Abgeordneten Münchow, öffnet sein Jackett und die Tirade geht los: "Da haben Sie einen! Da haben Sie einen in Ihren eigenen Reihen, Frau Ministerpräsidentin! Da haben Sie einen, der nicht zuhört, was Sie machen!"

Vorwurf an Münchow stimmt nicht ganz

Die mit solchen Anwürfen kämen, seien übrigens "meistens solche Sozialdemokraten, die das ganze Leben" - Lindner hämmert jetzt mit jeder Silbe seine Faust auf das Pult, als wolle er es im Boden der Landeshauptstadt versenken - "im Staat gearbeitet oder vom Staat gelebt haben", und die jetzt anderen unternehmerisches Engagement vorwerfen. Ein Vorwurf, der später noch relativiert werden muss.

Er sagt dann dem Abgeordneten Münchow "noch eines! Ich sag Ihnen noch eines! Ich sag Ihnen noch eines, weil Sie sich hier bis auf die Knochen blamiert haben!" Münchow habe nämlich im Grunde "die ganze Regierungserklärung" Krafts durch seinen "dämlichen Zwischenruf zur Makulatur gemacht".

Mit ihm, dem FDP-Bundesvorsitzenden, könne er, Münchow, das ja machen. Er sei da anderes gewohnt. "Aber welchen Eindruck macht so ein dümmlicher Zwischenruf wie Ihrer auf irgendeinen gründungswilligen jungen Menschen?", fragt er. "Was ist das für ein Eindruck?" Die Frage, glaubt Lindner wohl, beantwortet sich von selbst.

"Das hat Spaß gemacht"

Lindner ist fertig. Er beugt sich runter zu seinem Pult, stößt einen Laut aus, der an etwas stark Brünftiges erinnert, knöpft sein Jackett wieder zu und sagt: "Das hat Spaß gemacht."

Sein Vorwurf allerdings, Münchow hätte womöglich seinen Leben lang im Staat gearbeitet oder vom Staat gelebt, stimmt nicht ganz. Münchow hat bis 2001 mehr als 13 Jahre lang in der freien Wirtschaft gearbeitet. Zuletzt als Vertriebsleiter in einem Tochterunternehmen des schwedischen Assa-Abloy-Konzerns, der sich auf Schließsysteme spezialisiert hat. Erst 2001, in dem Jahr, in dem Lindners Moomax GmbH pleite machte, wurde Münchow hauptamtlicher Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Stadtrat von Velbert. Das blieb er bis 2012.

Und Lindner? Der kam bereits im Jahr 2000 noch als Student in den Landtag. Damals hatte er nebenbei zunächst ein durchaus erfolgreiches Werbeunternehmen geführt - was es ihm ermöglichte, mit dem Porsche zur Uni zu fahren. Als Nächstes machte er ein Beratungsunternehmen auf, das allerdings keine nennenswerten Aufträge zu verzeichnen hatte. Nach dem Ende von Moomax 2001 und spätestens mit seiner Wahl zum Generalsekretär der Landes-FDP 2004 liegt Lindners Unternehmergeist brach.

Seitdem ist er hauptamtlich in der steuerfinanzierten Politik unterwegs. Böswillige könnten auch sagen, Münchow und Lindner leben schon lange vom und arbeiten im Staat. Nur Lindner eben noch ein knappes Jahr länger.

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