FDP: Außenminister Westerwelle:Das Amt mag keine Verlierer

Durch Wikileaks-Enthüllungen bloßgestellt, in der Libyen-Krise isoliert, jetzt auch noch vom Parteivorsitz verjagt: Im Außenministerium fragen sich viele, ob Guido Westerwelle noch genug Autorität hat, um Deutschland im Ausland gut zu vertreten.

Daniel Brössler

Eines zumindest steht seit dem Entschluss des Guido Westerwelle für die Beamten des Auswärtigen Amtes fest: Ihr Chef wird künftig mehr Zeit haben. Egal, ob Westerwelle selbst im Amt bleibt oder ob ein anderer an seine Stelle treten wird - klar ist, dass der künftige Außenminister nicht auch noch Parteichef sein wird. Auslandsreisen des Ministers können so zum Beispiel künftig ohne große Rücksicht auf Gremiensitzungen und andere Parteiverpflichtungen geplant werden.

Das mag die Arbeit erleichtern - bedeutet aber nicht, dass nun helle Freude ausgebrochen wäre am Werderschen Markt zu Berlin. Die Vorbehalte zumindest eines Teils der Diplomaten gegen ihren Chef gehören - nicht erst seit der Wikileaks-Veröffentlichung von US-Depeschen - zu den schlechter gehüteten Geheimnissen der Hauptstadt.

Aber da ist auch noch die Entscheidung, ob Westerwelle Außenminister bleibt, und die fällt anderswo. FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat am Montag verkündet, das Präsidium habe den Verbleib Westerwelles im Amt einstimmig begrüßt. Es sei ein "richtiger Schritt", der für Kontinuität stehe. Das ist eine bemerkenswerte Formulierung, steht doch Westerwelles Jahrzehnte währender Parteikarriere gerade einmal eine Amtszeit von anderthalb Jahren als Chefdiplomat gegenüber.

Westerwelle hatte nach dem Außenministerium gegriffen, weil er darin die Garantie für eine starke Stellung innerhalb der Regierung und der Koalition sah. Jetzt, da diese Stärke perdu ist, fragt man sich: Was kann Westerwelle mit dem Amt noch anfangen und was das Amt mit ihm?

Die Antwort der Opposition fällt, wenig überraschend, ungünstig aus für Westerwelle. Dem Außenminister fehlten Substanz, Standfestigkeit und Kreativität, bemängelt der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich. Schwerer wiegt, dass Westerwelles Rückhalt in der eigenen Partei keineswegs so stabil zu sein scheint, wie Lindner glauben machen möchte.

Über Westerwelles Zukunft als Außenminister sei "das letzte Wort nicht gesprochen", sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Lindner und spricht offen aus, was andere in der Fraktion nur vertraulich sagen. Ein neuer Minister aber ist bislang nicht in Sicht, denn der Kreis ministrabler Außenpolitiker in der FDP ist überschaubar. Ungewiss ist etwa, ob sich einer wie Werner Hoyer, zum zweiten Mal Staatsminister im Auswärtigen Amt, durchsetzen könnte.

Westerwelle habe nichts gegen das Ausland - es interessiere ihn nur nicht

Westerwelle wiederum kann auf Vorbilder wie Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel verweisen, die den Parteivorsitz abgegeben hatten - und Außenminister blieben. Genscher, und mit Abstrichen Kinkel, wurden aber als oberste Diplomaten nie so in Frage gestellt wie Westerwelle. Vor allem in der ersten Phase seiner Amtszeit sind diesem fehlende Erfahrung, fehlende Geduld und fehlende Ernsthaftigkeit vorgehalten worden. "Guido Westerwelle hat nichts gegen das Ausland. Er interessiert sich nur nicht dafür", spottete mal ein Angehöriger der außenpolitischen "Community" in Berlin.

Die Lage hat sich insofern geändert, als Westerwelle mittlerweile eine Leistungsbilanz vorlegen kann. Der Streit geht nun darum, ob sie positiv ausfällt. Einerseits hat der Minister - mit tatkräftiger Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel - einen nicht-ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat erobert. Er war auch beteiligt an einer Neujustierung der Afghanistan-Politik, und er hat zwei im Iran inhaftierte Reporter freibekommen. Andererseits hat er einen Einschnitt in der deutschen Außenpolitik zu verantworten, den ihm Experten aus CDU und CSU so schnell nicht verzeihen werden.

Schädliche Zweifel an Westerwelles Kompass

Zwar wurde die Entscheidung, sich bei der Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat zu enthalten, von der Kanzlerin und von Verteidigungsminister Thomas de Maizière mitgetragen, dennoch geht sie maßgeblich auf Westerwelle selbst zurück. Er ist es, der das Risiko der Isolierung Deutschlands von seinen wichtigsten Verbündeten nicht rechtzeitig hatte kommen sehen. Unbeantwortet bleibt somit die Frage, wie gut Westerwelles Draht zu Kollegen ist, etwa zu US-Außenministerin Hillary Clinton. Im Verhältnis zum neuen französischen Außenminister Alain Juppé sollen Reparaturarbeiten zumindest schon begonnen haben.

Schädlicher für den Minister sind die Zweifel, die seinen außenpolitischen Kompass betreffen. "Wir sollten", hatte der neue Minister 2009 anlässlich seiner Amtsübernahme im Weltsaal des Auswärtigen Amtes gesagt, "uns niemals überheben, keine Sonderwege beschreiten, sondern uns bewusst sein, dass unsere Politik immer dann am erfolgreichsten ist, wenn sie Seite an Seite mit unseren Partnern erfolgt". Am Tag der Abstimmung in New York soll dann in den Spitzenrunden im Amt über alles mögliche gesprochen worden sein, nicht aber über die historische Bedeutung der Enthaltung.

Die Berater, die vorsichtig zum Ja mahnten, verwiesen nicht auf die Folgen, und auch Westerwelle selbst sprach nicht darüber. In der Union fragt man sich nun, ob man in der Außenpolitik mit dem Minister noch gemeinsame Sache macht: "Ich sehe nicht, dass das noch eine gemeinsame Linie ist", sagt einer. Vor allem aber bezweifeln zahlreiche Unionspolitiker, dass ein Ja bei gleichzeitiger militärischer Zurückhaltung Deutschlands unmöglich gewesen sein soll.

Die Sorge im Auswärtigen Amt selbst gilt nun erst einmal der Bedeutung des eigenen Ministeriums. Traditionell bangt das Amt im uralten Zwist mit dem Kanzleramt um Einfluss etwa in der Europapolitik. Die Beamten fragen sich jetzt, über welche Durchschlagskraft ein innenpolitisch geschwächter, des Parteivorsitzes und der Vize-Kanzlerschaft verlustig gegangener Außenminister noch verfügt. Hinzu kommt das Imageproblem. Auch wenn das gerne bestritten wird, sehen sich die Diplomaten als Elite unter den Ministerialbeamten. Schon deshalb schätzt das Amt keine Verlierer an der Spitze. Sie schaden dem Ansehen.

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