Süddeutsche Zeitung

FDP:Alles halb so schlimm

Die FDP hatte hohe Erwartungen, aber konnte am Ende nur wenige Wähler mobilisieren. Parteichef Lindner bemüht sich um Schadensbegrenzung.

Von Daniel Brössler, Berlin

Irgendwann reicht es Christian Lindner dann doch. "Sie sprechen alle so, als hätten wir gestern eine krachende Niederlage eingefahren. Das haben wir nicht", empört sich der FDP-Vorsitzende nach einer ganzen Reihe kritischer Nachfragen. Bei der Europawahl waren sie auf 5,4 Prozent gekommen - zwei Prozentpunkte mehr als bei der EU-Wahl vor fünf Jahren, aber 5,3 Punkte weniger als bei der Bundestagswahl 2017. Er wolle nur "sicherheitshalber sagen", dass man sich gegenüber der vorigen Europawahl in absoluten Stimmen verdoppelt habe - und das, obwohl das "große und beherrschende Thema" Klimaschutz nicht zum "traditionellen Themensetting" der FDP gehört habe.

Am Tag nach der Wahl geht es für die FDP erkennbar um Schadensbegrenzung. Vor der Hauptstadtpresse verweist Linder zu diesem Zweck auch auf das Resultat in Bremen. Dort sei man das erste Mal seit 25 Jahren als parlamentarische Kraft bestätigt worden. Das alles sei "kein großer Triumphzug, aber eine gute Basis, von der aus wir uns weiterentwickeln können".

Zwar spricht Lindner davon, man habe in den Gremien das Ergebnis "nüchtern analysiert", dem Eindruck aber, es gebe vielleicht ein tiefer liegendes Problem, möchte er entgegenwirken. Die Ergebnisse vom Sonntag sollen nicht die Überzeugung erschüttern, dass die FDP nach ihrem Wiedereinzug in den Bundestag eine ganz neue, eine ganz andere ist - eine Partei, die sich vor dem Abrutschen in die politische Bedeutungslosigkeit nicht mehr fürchten muss. Es ist der frühere Chef der Jungen Liberalen, der Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel, der besorgt twittert: "Massive Wegbewegung Junger (+ Urbaner) von der GroKo, aber wir profitieren bisher nicht." Man werde "vertieft" anschauen, warum die FDP nicht habe ausreichend mobilisieren können, kündigt Lindner an.

"Die Grünen arbeiten 40 Jahre daran, da brauchen wir Zeit", sagt Lindner über die Klimapolitik

Eine Antwort gibt er schon mal. Bei den Jungwählern sei man auf acht Prozent gekommen, bei jenen über 60 nur auf vier. Unter denen haderten offenbar viele mit der FDP-Entscheidung gegen eine Jamaika-Koalition. "Das können und wollen wir nicht rückgängig machen, denn wir hatten unsere Gründe dafür", sagt Lindner.

Als weiteres Problem für die Partei benennt Lindner die Klimapolitik. "Die Grünen arbeiten 40 Jahre daran, da brauchen wir Zeit", wirbt er um Verständnis. Wobei er das nicht als Ankündigung einer Annäherung an die Grünen meint. Im Gegenteil. Die FDP wolle nicht zulassen, dass das Thema "nur mit den Methoden von links" bearbeitet werde. Es müsse "einen dritten Weg geben zwischen dem Öko-Dirigismus und den Leugnern des Klimawandels". Die FDP setze auf "Technologie und Erfindergeist". Im politischen Spektrum gebe es da eine "echte Marktlücke".

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SZ vom 28.05.2019
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