FDP: Abschiedsrede von Guido Westerwelle:"Wir haben mehr richtig als falsch gemacht"

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Viele Dankesworte, ein bisschen Reue und ganz viel Attacke: Nach zehn Jahren verabschiedet sich Guido Westerwelle vom Amt des FDP-Vorsitzenden - mit einer kämpferischen Rede und einigen persönlichen Worten. Er findet: Im Vergleich zu anderen Parteien sei die FDP ein Hort der Stabilität. Seinem Nachfolger Philipp Rösler will er "nicht ins Lenkrad greifen".

Es ist 12:13 Uhr, als Guido Westerwelle sich in Rostock von seinem Stuhl erhebt. Er tritt ans Rednerpult, um ein letztes Mal als Vorsitzender der FDP zu seiner Partei zu sprechen. Es ist seine Abschiedsrede. Westerwelle stellt sich nicht mehr zur Wahl. Am Nachmittag soll der Bundesparteitag Philipp Rösler zu seinem Nachfolger wählen.

Nach mehr als zehn Jahren tritt Guido Westerwelle als FDP-Chef ab. Auf dem Parteitag in Rostock hält er eine kämpferische Abschiedsrede: "Wer so lange eine Partei führt, der macht auch Fehler." (Foto: dpa)

Westerwelle gibt sich bestens gelaunt. Er wolle sich ausnahmsweise auf wenige Gedanken beschränken und sehr persönliche Worte wählen, sagt er. In den vergangenen zehn Jahren habe die FDP unter seiner Führung eine "außergewöhnliche Erfolgsstrecke gehabt", sagt Westerwelle. Das sei nur im Team möglich gewesen. "Ich bin dankbar für die Unterstützung von so vielen."

Beinahe zehn Minuten verwendet Westerwelle darauf, Dankesworte auszusprechen: für viele Weggefährten, von Dirk Niebel bis Birgit Homburger. Dann kommt der 49-Jährige kurz auf die eigene Leistung zu sprechen.

"Wer so lange eine Partei führt, der macht auch Fehler. Niemand weiß das besser als ich. Niemand weiß besser, was mir nicht gelungen ist", sagt Westerwelle und lässt seine Worte in der Rostocker Messehalle einen Moment ausklingen. Dann spricht er aus, was sich viele Liberale von seiner Rede erhofft hatten: eine Entschuldigung.

"Niemand macht sich größere Vorwürfe als ich. Ich entschuldige mich für jeden Fehler", sagt Westerwelle und hebt den Zeigefinger: "Aber bitte erlauben Sie mir, dass ich hinzufüge: Die letzten Jahre waren in der Bilanz durchaus positiv. Wir haben mehr richtig als falsch gemacht."

Der scheidende Parteivorsitzende bekommt nun langen Applaus. Auch sein Nachfolger Philipp Rösler klatscht. Westerwelle dreht sich zu ihm um und sagt, er trete "mit Wehmut im Herzen" ab. Aber die "hervorragende Führungsmannschaft" mache es ihm leichter. An Rösler gerichtet, sagt Westerwelle: "Ich werde meinem Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen."

Rösler lächelt, die Mehrheit der Delegierten applaudiert. Westerwelle wartet den Beifall ab, dann geht er zum Angriff über.

Dass die Opposition den Liberalen mangelnde Regierungsfähigkeit vorwerfe, wundere ihn schon sehr. Er richtet sich konkret an die Sozialdemokraten: "Ich habe sechs Vorsitzende der SPD überlebt. Also erzählt uns nichts von Stabilität. Im Vergleich zu euch sind wir der Hort der Stabilität in Deutschland."

Was dann folgt, ist ein programmatischer Rundumschlag, wie ihn Westerwelle schon häufig dargeboten hat. Etwa beim Dreikönigstreffen der FDP Anfang des Jahres in Stuttgart. Damals hatte der Parteivorsitzende seinen Sturz abwenden können - auch mangels Alternative. Nach dem anschließenden Debakel bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war die Personaldebatte nicht mehr zu stoppen gewesen.

Rösler will der Partei nun ein neues Profil geben. Er wechselt vom Gesundheits- ins Wirtschaftsministerium und beerbt Rainer Brüderle, der den Fraktionsvorsitz übernehmen wird. An Röslers Stelle wird künftig Daniel Bahr als Gesundheitsminister wirken. Die bisherige Fraktionsvorsitzende Homburger soll zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt werden, sie muss jedoch Gegenwind von der Basis fürchten - die mauen Umfragewerte werden vor allem ihr angelastet.

Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend halten 61 Prozent der Befragten die FDP für nicht regierungsfähig. In Wahlumfragen lag sie zuletzt konstant bei unter fünf Prozent. Der neue Fraktionsvorsitzende Brüderle hatte am Morgen in seiner Eröffnungsrede gesagt: "Unsere Partei befindet sich in einer schweren Krise." Die FDP habe Wahlen und Glaubwürdigkeit verloren. Vor der Bundestagswahl habe die Partei bei den Bürgern hohe Erwartungen geweckt - "und bisher nicht genügend geliefert".

Bei Westerwelle klingt das etwas anders. Mal habe die persönliche Freiheit Konjunktur, mal der Ruf nach einem starken Staat, sagt er. "Aber die Bürgerrechte zu verteidigen, das ist für alle Zeiten eine heilige Aufgabe der FDP." Zwar seien die Freidemokraten keine Volkspartei, "die es jedem recht machen will. Aber wir sind eine Partei für das ganze Volk".

In den eineinhalb Jahren seit der Wahl habe die Partei "das, wofür wir angetreten sind, zu wenig umgesetzt. Dazu stehe ich, daran gibt es nichts zu rütteln." Allerdings seien auch "manche Umstände" schlecht gewesen. Auch sei die Darstellung in den Medien nicht immer korrekt gewesen: "Wir müssen alle gemeinsam die Erfolge, die wir erarbeitet haben, gemeinsam vertreten. Wir sind kritische Liberale, wir sollten auch mancher Berichterstattung kritisch gegenüberstehen."

Er denke manchmal an Gerhard Schröder und Joschka Fischer, sagt Westerwelle mit einem Lächeln: "Wenn Rot-Grün unsere Bilanz vorzuweisen gehabt hätte, dann hätten sie in Champagner gebadet."

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