FBI und Petraeus-Affäre:"Das passt einfach nicht zusammen"

US-Abgeordnete erheben schwere Vorwürfe gegen das FBI: Die Bundespolizei hätte den Kongress und den Präsidenten früher über den Seitensprung von Ex-CIA-Chef Petraeus informieren müssen. Inzwischen ist auch die Identität jener Frau bekannt, die Droh-E-Mails von Petraeus' Geliebter bekommen hat.

Matthias Kolb, Washington

David Petraeus und Paula Broadwell

EX-CIA-Chef Petraeus und seine frühere Geliebte: Paula Broadwell soll einer Freundin der Familie Petraeus Droh-Mails geschrieben haben.

(Foto: dpa)

Es wird wohl nur ein frommer Wunsch um Rücksicht bleiben. "Wir sind seit fünf Jahren mit David Petraeus und seiner Familie befreundet. Wir respektieren seine Privatsphäre und die seiner Familie und wünschen uns das gleiche für uns und unsere drei Kinder", schreiben Jill und Scott Kelley in einem Presse-Statement. Jill Kelley - so heißt jene Frau, die die Affäre rund um den legendären General David Petraeus ausgelöst hat, dessen Rücktritt als CIA-Chef Amerika seit vergangenem Freitag beschäftigt.

Seit Mai habe die 37-jährige fünf bis zehn Droh-E-Mails von einer anderen Frau erhalten, die ihr vorwarf, eine "unangemessene Beziehung" zu führen, berichtet das Wall Street Journal. Der Name David Petraeus sei jedoch nicht genannt worden.

Kelley und ihr Mann kennen Petraeus und dessen Frau Holly laut der Nachrichtenagentur Associated Press seit längerer Zeit: Das Paar habe oft Veranstaltungen in der MacDill Air Force Base in Tampa besucht. In Florida befindet sich das US Central Command, eines von sechs Regionalkommandozentren der US-Streitkräfte, das Petraeus zwischen 2008 und 2010 leitete. Unter Berufung auf anonyme Ex-Mitarbeiter von Petraeus berichtet AP, dass Kelley nicht bei einem US-Ministerium angestellt sei oder einen offiziellen Status gehabt habe - andere Medien bezeichnen sie als "Kontaktperson des Außenministeriums". Ein anderer Vertrauter, der nach dem Rücktritt mit dem 60-Jährigen in Kontakt steht, betont, der General und Kelley hätten keine Affäre gehabt.

Nachdem Kelley die Bundespolizei FBI über die E-Mails informiert hatte, fanden diese heraus, dass sie von einem Account verschickt wurden, den sich Paula und Scott Broadwell teilen. Die 40-jährige Reserve-Soldatin Broadwell hatte Petraeus 2006 kennengelernt und 2012 eine Biographie über ihn veröffentlicht. Als das FBI ihr Postfach durchforstete, fanden die Agenten heraus, dass sie einige Zeit lang eine Affäre mit Petraeus gehabt hatte - und die bösen E-Mails wohl aus Eifersucht an Kelley geschickt hatte.

Der General, der als konzeptioneller Vordenker und hervorragender Stratege gilt, hatte sich unter Pseudonym eine Gmail-Adresse eingerichtet, um mit Broadwell zu kommunizieren. Laut Wall Street Journal wurden "im Spätsommer" die Führung des FBI sowie Justizminister Eric Holder über die E-Mail-Kontakte zwischen Petraeus und Broadwell informiert.

Spekulationen über einen Zusammenhang zur Causa Bengasi

Spätestens hier wird es politisch brisant. Im September überprüften die Ermittler, ob sich Petraeus und Broadwell strafbar gemacht hatten, was jedoch nicht der Fall war, da keine Geheimdokumente übergeben wurden. In Gesprächen mit dem FBI hätten beide - Broadwell im September und Petraeus Ende Oktober - die zu diesem Zeitpunkt bereits beendete Affäre zugegeben.

Weshalb Präsident Barack Obama erst am Donnerstag über die Affäre des CIA-Chefs informiert wurde, beschäftigt nun immer mehr Abgeordnete. Dianne Feinstein, die demokratische Vorsitzende des Geheimdienst-Komitees im Senat, zeigte sich entsetzt darüber, dass sie und ihre Kollegen nicht vorab informiert worden seien. "Der Vorgang hätte Auswirkungen auf die Sicherheit des Landes haben können. Man hätte uns informieren müssen", sagte sie in der Talkshow Fox News Sunday. Feinstein kündigte eine Untersuchung an, wieso das FBI die Abgeordneten nicht informiert habe.

Noch kritischer war der Republikaner Peter King, der im Repräsentantenhaus dem Ausschuss für Landesschutz vorsteht, bei CNN: "In dieser Causa ging es um die nationale Sicherheit. Der Präsident hätte so früh wie möglich informiert werden müssen." Dem Wall Street Journal sagte er: "Das FBI muss uns viel erklären und das Weiße Haus auch. Es fällt schwer, die Geschichte so zu akzeptieren, wie sie uns präsentiert wird. Das passt einfach nicht zusammen."

Republikaner wie King und Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, möchten erkunden, ob es einen Zusammenhang zwischen Petraeus' Rücktritt und der Causa Bengasi gibt - was die Top-Demokratin Feinstein ausschließt. Am kommenden Donnerstag hätte der CIA-Chef hinter verschlossenen Türen berichten sollen, weshalb am 11. September vier Amerikaner beim Angriff auf das US-Konsulat in Libyen starben. Doch wegen Petraeus' Rücktritt wird das wohl vorerst nicht geschehen.

Seit Mitte September wird ständig diskutiert, ob die CIA in ihrer Aufklärungsarbeit versagt habe und vor der Bedrohung in Bengasi hätte warnen müssen. Bei CBS nannte Graham den Vorfall ein "Versagen der Sicherheitskräfte" und fragte: "Wie sollen wir herausfinden, was in Bengasi passiert ist, wenn wir Petraeus nicht fragen dürfen?" Er will daher eine Kommission aus beiden Kammern einsetzen.

Bisher kann nur spekuliert werden, weshalb das FBI so lange schwieg. Aus juristischer Sicht ist entscheidend, ob die nationale Sicherheit ernsthaft bedroht war. In diesem Fall muss die Bundespolizei den Kongress informieren. Ist dies hingegen nicht der Fall gewesen, stellt sich die Frage, warum das FBI dann überhaupt jemanden informiert haben.

So fragt zum Beispiel Jane Mayer, eine erfahrene Washington-Korrespondentin des New Yorker: "Warum wurden die Informationen überhaupt weitergegeben, wenn sich beide nicht strafbar gemacht haben?" Zwar ist Ehebruch nach amerikanischem Militärrecht tatsächlich ein Verbrechen. Bei der CIA ist das jedoch nicht der Fall - und Petraeus hat offenbar nicht von Rücktritt gesprochen, als ihn das FBI Ende Oktober befragte.

Von einem Rückzug war erst die Rede, als Petraeus einen Tag nach Obamas Wiederwahl von seinem Vorgesetzten James Clapper, dem Chef aller 16 Geheimdienste, zum Rapport bestellt wurde. Clapper, wie Petraeus ein Ex-General, wurde wiederum erst am Wahltag gegen 17 Uhr von FBI-Chef Robert Mueller über das Intimleben des CIA-Chefs informiert und riet diesem dazu, sein Amt aufzugeben.

Allerdings steht außer Frage, dass die Agenten nicht verhindern konnten, dass zumindest einige Politiker von den Ermittlungen über den CIA-Chef erfuhren. Ein FBI-Mann wandte sich mit seinem Wissen an den republikanischen Abgeordneten Dave Reichert aus Washington, der einen Kontakt zu Eric Cantor, dem zweitmächtigsten Republikaner im Repräsentantenhaus herstellte. Cantor traf sich mit dem Mann und informierte das FBI über die Gerüchte. Der New York Times, die den Vorgang als "trüb" beschreibt, teilte Cantor mit: "Ich habe sichergestellt, dass Direktor Mueller von diesen ernsten Vorwürfen und möglichen Risiken für unsere nationale Sicherheit erfuhr."

Jane Mayer vom New Yorker hält es für möglich, dass FBI-Direktor Robert Mueller, der für seine Integrität bekannt sei, alles versucht habe, die Enthüllung hinauszuschieben, damit seine Behörde nicht in den letzten Tagen des Wahlkampfs in den tagespolitischen Streit gezerrt werde. Denkbar sei auch, dass der pflichtbewusste Petraeus, dessen Verhältnis zu Obama nie spannungsfrei war, versucht hat, den Rücktritt herauszögern, um kurz vor dem 6. November eine neue Debatte rund um Bengasi, das Lieblingsthema vieler Republikaner, zu verhindern.

Eine andere Theorie, die Mayer in ihren Überlegungen zum "Petraeus-Puzzle" anführt: Womöglich habe Cantor selbst wegen der sicherheitspolitischen Implikationen kein Interesse an einer sofortigen Enthüllung gehabt, sondern wollte sowohl dem FBI als auch dem CIA-Chef lediglich klar machen, dass die Causa nicht stillschweigend zu den Akten gelegt werden kann.

Mit Spannung werden nun der Auftritt von Michael Morrell, dem kommissarischen CIA-Chef, vor dem Senatsausschuss sowie die weiteren Untersuchungen des Kongresses erwartet. Einige Abgeordnete äußern die Hoffnung, Petraeus auch nach seinem Rücktritt befragen zu können - zu dieser Möglichkeit haben sich weder er noch das Weiße Haus geäußert.

Und was macht Paula Broadwell, die Ex-Geliebte und Buchautorin? Die Mutter zweier Kinder sei mit ihrem Mann, den sie in Deutschland während ihrer gemeinsamen Armeezeit kennengelernt habe, in Urlaub, sagte eine Nachbarin namens Sarah Curme der New York Times. Curme steht jedoch mit der 40-Jährigen in Kontakt und weiß daher: "Die Broadwells stehen zusammen und werden diese schwierige Phase gemeinsam bewältigen."

Linktipps: Die New York Times hat weitere Hintergründe über Paula Broadwell zusammengetragen. Jane Mayer, die renommierte Washington-Korrespondentin des New Yorker weist in diesem Blog auf die vielen offenen Fragen im "Petraeus-Puzzle" hin.

Der Autor twittert unter @matikolb

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