Süddeutsche Zeitung

Spekulation um Köhler-Nachfolge:Merkel favorisiert von der Leyen

Zumindest für die Kanzlerin scheint die Suche nach einem Kandidaten fürs höchste Staatsamt erledigt: Angela Merkel will offenbar ihre Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ins Rennen schicken. Doch aus der Opposition kommt bereits Protest.

Bei der Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt mehren sich die Hinweise auf eine Nominierung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Kanzlerin Angela Merkel favorisiere die niedersächsische CDU-Politikerin als Nachfolgerin für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Horst Köhler, berichten mehrere Medien mit Berufung auf Koalitionskreise. Dies stoße bei CDU und CSU auf breite Zustimmung. Merkel habe sich in der Koalitionsrunde für von der Leyen starkgemacht.

Der Kölner Stadt-Anzeiger meldete zudem vorab, der Arbeitsministerin könnten im Kabinett der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers oder Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (beide CDU) nachfolgen. Im Kanzleramt beriet sich Merkel mit den Vorsitzenden von FDP und CSU, Guido Westerwelle und Horst Seehofer. Dabei soll die Kanzlerin ihre Sympathie für eine Nominierung von der Leyens geäußert haben.

Westerwelle sagte nach dem Treffen, es sei nur über das Verfahren gesprochen worden. "Es gibt überhaupt gar keine Vorfestlegung oder inhaltliche Besprechungen." Auch auf Unionsseite der Regierung hieß es auf Nachfragen nur: "Keine Entscheidung, keine Namen." Von der Leyen selbst vermied eine Stellungnahme zu ihrer Favoritenrolle.

Die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP wollen mit ihrem Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten rasch ein Zeichen der Geschlossenheit setzen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder machte am Dienstag deutlich, dass der Nachfolger des zurückgetretenen Horst Köhler aus der aktiven Politik kommen soll.

Auch einen Zeitplan für die Kandidatenkür gebe es noch nicht, hieß es bei dem Treffen der Parteivorsitzenden im Kanzleramt. Allerdings will man zügig zu einer Entscheidung kommen. Es solle deutlich werden, dass der Kandidat oder die Kandidatin die Koalition repräsentiere. Wünschenswert wäre eine Persönlichkeit, die auch über Union und FDP hinaus Autorität besitze, doch wolle man kein "großkoalitionäres Signal" geben. Am Dienstagabend kam das FDP-Präsidium zu Beratungen zusammen, danach waren weitere Abstimmungen zwischen den Koalitionsspitzen geplant.

Linke will keinen Kandidaten aus dem Kabinett

Laut Unionsfraktionschef Kauder ist bei der Kandidatensuche in erster Linie die Koalition gefragt, denn sie habe in der Bundesversammlung, die den Präsidenten zu wählen hat, eine klare Mehrheit. Die Union werde "in den nächsten Tagen eine qualifizierte Persönlichkeit suchen aus der aktiven Politik heraus", sagte Kauder, offenbar in Anspielung darauf, dass Köhler bei seiner Nominierung 2004 Direktor des Internationalen Währungsfonds und somit kein aktiver Politiker war. "Wir glauben, dass wir jemanden mit politischer Erfahrung brauchen'', sagte der CDU-Politiker.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sicherte am Mittwoch Bundeskanzlerin Merkel zu, einen "geeigneten Vorschlag der CDU" zu unterstützen. Die FDP besteht nach Angaben aus der Führungsspitze nicht auf einen Kandidaten aus ihren Reihen. Sie rechnet vielmehr damit, dass die Union einen Vorschlag macht. Aus dem Kreis möglicher Unionskandidaten werde die FDP denjenigen unterstützen, "der am besten zu uns passt". Im Gespräch waren am Dienstag neben von der Leyen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundestagspräsident Norbert Lammert (alle CDU).

Die Linke lehnt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt ab. "Ich finde es ehrlich gesagt keine gute Idee, eine Ministerin oder einen Minister aus dem aktuellen Kabinett als Bundespräsidenten vorzuschlagen", sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch am Mittwoch dem Nachrichtensender n-tv. Sie forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, alle Parteivorsitzenden zu Gesprächen über einen überparteilichen Kandidaten oder eine Kandidatin einzuladen.

SPD liebäugelt mit Käßmann als Gegenkandidatin

Auch der kommissarische Bundespräsident, der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), hat sich in die Debatte um die Nachfolge für Horst Köhler eingeschaltet und sich für einen überparteilichen Kandidaten ausgesprochen. Böhrnsen sagte dem Hamburger Abendblatt: "Warum sollten wir nicht versuchen, jenseits parteipolitischer Zuordnung eine geeignete Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden?" Er verlangte, das Amt des Bundespräsidenten solle nicht ein Ergebnis parteipolitischer Festlegungen sein.

Die SPD erwägt nach den Worten ihres Vorsitzenden Sigmar Gabriel, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, möglichst gemeinsam mit den Grünen. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. Nach Angaben aus SPD-Kreisen wollte man erkunden, ob die frühere Bischöfin Margot Käßmann für eine Bewerbung zu gewinnen sei.

Die Linke will zunächst keinen eigenen Kandidaten aufstellen. Man wolle abwarten, welche Vorschläge von den anderen politischen Parteien kämen, sagte Parteichefin Gesine Lötzsch. Die Grünen haben ebenfalls noch keine Entscheidung getroffen. Man sollte es sich "durchaus überlegen", einen Anwärter jenseits der Parteigrenzen zu finden, meinte Fraktionschef Jürgen Trittin.

Der neue Bundespräsident soll am 30. Juni gewählt werden. Für diesen Termin berief Bundestagspräsident Lammert die Bundesversammlung ein. Sie besteht je zur Hälfte aus den Mitgliedern des Bundestages und aus Vertretern der Bundesländer. Nach Berechnungen des Wahlinformationsdienstes election.de haben Union und FDP dort eine deutliche Mehrheit von mindestens 646 der 1244 Sitze.

Bei der Runde der Parteivorsitzenden im Kanzleramt ging es nach Angaben aus der Koalition vor allem um die geplanten Einsparungen im Bundeshaushalt sowie um die Finanzierung des Gesundheitswesens.

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