Süddeutsche Zeitung

Fatah und Hamas nähern sich an:Warme Worte unter Feinden

Fatah und Hamas verkünden ihre Versöhnung - wieder einmal: Palästinenser-Präsident Abbas und der Exil-Führer der Hamas Meschal haben sich auf ein politisches Programm verständigt. Begleitet wird der Einigungsversuch jedoch von Störfeuern aus Israel - und dem Westen, wo man nur auf ein Scheitern hoffen kann.

Peter Münch, Tel Aviv

Die Palästinenser haben die Überwindung ihres Bruderkampfes wieder zur Chefsache gemacht. Ein halbes Jahr nach dem Abschluss eines Versöhnungsabkommens, das bis heute nicht umgesetzt wurde, haben sich in Kairo erneut Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas und der Exil-Führer der Hamas, Khaled Meschal, auf ein gemeinsames politisches Programm verpflichtet.

Beide sprachen nach ihrem zweistündigen Treffen von einer neuen Partnerschaft. "Es gibt keine Differenzen mehr zwischen uns", versicherte Abbas. Konkrete Ergebnisse wurden nicht verkündet, in neuen Verhandlungen soll nun aber der Weg freigemacht werden für die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung und Wahlen im nächsten Mai. Begleitet wird der Einigungsversuch jedoch von heftigem Störfeuer aus Israel und dem Westen, wo eine Machtbeteiligung der Hamas als endgültige Absage an den Friedensprozess gewertet wird.

Jenseits der westlichen Befürchtungen haben derzeit beide palästinensischen Parteien ein Interesse daran, die inneren Gräben zu überwinden, die sich mit dem blutigen Putsch der Hamas im Sommer 2007 aufgetan haben. Seitdem herrschen die Islamisten mit harter Hand im Gaza-Streifen, die Fatah von Präsident Abbas regiert das Westjordanland - eine Spaltung ist dies, die im Volk auf beiden Seiten höchst unpopulär ist.

Für Abbas erscheinen Gespräche mit der Hamas nun die einzige Möglichkeit zur Bewegung. Denn zum einen macht ihm im Friedensprozess der fortgesetzte israelische Siedlungsbau eine Rückkehr an den Verhandlungstisch prinzipiell unmöglich. Zum anderen sind bislang all seine Bemühungen um eine Aufnahme Palästinas bei den Vereinten Nationen gescheitert. Eine Aussöhnung mit der Hamas ist also gewissermaßen Plan C - keine Herzens-, aber eine Vernunftangelegenheit.

Die Islamisten stehen gestärkt da, nachdem sie Mitte Oktober den entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit gegen mehr als tausend palästinensische Gefangene ausgetauscht haben. Eine Einigung mit der Fatah könnte ihnen dazu dienen, auch im Westjordanland nach der Macht zu greifen. Zugleich aber gilt dies als ein Versuch, die internationale Isolation zu überwinden.

Zwar ist die Hamas erklärtermaßen noch nicht bereit, die drei Forderungen des Nahost-Quartetts aus UN, USA, EU und Russlands zu erfüllen, eine Anerkennung Israels und aller geschlossenen Verträge sowie eine Abkehr von der Gewalt. Doch auch in den früher monolithischen Block ist Bewegung gekommen. Westliche Diplomaten sprechen von einer "Kakophonie", die auf Richtungskämpfe innerhalb der Hamas hindeuteten. Belegt wird dies auch durch konträre Kommentare zu den Kairoer Gipfel-Gesprächen.

Während der Hamas-Führer Mahmud Sahar vom Gaza-Streifen aus ein Scheitern des gesamten Versöhnungsprozesses vorhersagt, tönte der Exil-Chef Meschal nach dem Treffen mit Abbas: "Ich will unserem Volk und den arabischen und islamischen Staaten sagen, dass wir ein neues Kapitel der Partnerschaft aufgeschlagenen haben, um die Lage der Palästinenser neu zu ordnen."

Wie belastbar die in Kairo verkündete Partnerschaft ist, wird sich allerdings erst noch zeigen müssen. Vor sechs Monaten war der Anlauf zur Versöhnung bereits am Streit um die vereinbarte Übergangsregierung gescheitert. Die Hamas besteht weiterhin darauf, den vom Westen hochgeschätzten Premierminister Salam Fajad abzulösen, aus der Fatah kommen dazu nun widersprüchliche Signale.

Zu einer vollständigen Aussöhnung würde zudem eine Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich gehören. In den Gaza-Streifen müssten Fatah-Polizisten zurückkehren, im Westjordanland müssten auch Hamas-Kräfte in die Sicherheitsdienste einbezogen werden, die derzeit eng mit Israel kooperieren.

Die israelische Regierung in Jerusalem hat Abbas im Falle einer Kooperation mit den Islamisten bereits mit Strafmaßnahmen gedroht. Er könne nicht zugleich ein Partner für den Frieden und ein Partner der Hamas sein, heißt es. Außenminister Avigdor Lieberman erklärte, an eine gemeinsame Übergangsregierung in Ramallah würde "kein einziger Schekel" mehr an Zolleinnahmen überwiesen, die Israel für die Palästinenser kassiert und an die Autonomiebehörde überweist. Allerdings hält Israel die Auszahlung dieser Gelder bereits jetzt schon als Strafmaßnahme für den palästinensischen Alleingang für eine Anerkennung bei den Vereinten Nationen zurück.

Bei einer Machtbeteiligung der Hamas drohen jedoch auch die USA und die Europäische Union mit einem Stopp der Finanzhilfe, weil die Islamisten als Terrororganisation eingestuft werden. Dies könnte jedoch zum Kollaps der palästinensischen Autonomiebehörde führen - was gewiss nicht im israelischen und westlichen Interesse liegt.

Um die eigenen Drohungen nicht wahrmachen zu müssen, kann der Westen also nur auf ein Scheitern der palästinensischen Versöhnungsversuche hoffen. Wie auf dieser Basis dann eine Zwei-Staaten- Lösung verhandelt werden soll, bleibt allerdings ein Rätsel.

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SZ vom 25.11.2011/sebi
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